Название: Einigkeit und Recht und Freiheit
Автор: Jörg Koch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783170401860
isbn:
Abb. 3: »Villa Hoffmann« auf Helgoland, Aufenthaltsort Hoffmann von Fallersleben1840 und 1841, Postkarte von 1910.
»Marseillaise« gespielt wurden. Nach einem Spaziergang verfasste er die drei uns bekannten Strophen in seinem Quartier in der Feldstraße. In seiner 1868 erschienenen Autobiografie »Mein Leben« heißt es dazu:10
»Am 23. August kehrten die meisten Hannoveraner heim […]. Den ersten Augenblick schien mir Helgoland wie ausgestorben, ich fühlte mich sehr verwaist. Und doch tat mir bald die Einsamkeit recht wohl: ich freute mich, dass ich nach den unruhigen Tagen wieder einmal auch mir gehören durfte. Wenn ich dann so einsam wandelte auf der Klippe, nichts als Meer und Himmel um mich sah, da ward mir so eigen zumute, ich musste dichten und wenn ich es auch nicht gewollt hätte. So entstand am 26. August das Lied: ›Deutschland, Deutschland über alles!‹, den 28.: ›Wir haben’s geschworen‹, und bald nachher […] ›Es saust der Wind, es braust das Meer‹.«
Hoffmann, als Germanist vertraut mit der deutsch-europäischen Literaturgeschichte, mag auf Helgoland ferner an den Titel einer Schrift des österreichischen Nationalökonomen Philip Wilhelm von Hornick (1640–1714) gedacht haben, die lautete: »Österreich über alles« (1684). Doch in dieser Hinsicht war Hoffmann nicht der einzige; bereits 1800 hatte Philipp von Gemmingen (1771–1831) seiner Zeitschrift den Titel »Teutschland über alles« gegeben und wenige Jahre später orientierte sich daran auch der österreichische Dichter Heinrich Joseph von Collin (1771–1811), der 1809 ein Soldatenlied dichtete, dessen erste Strophe lautete: »Wenn es nur will, ist immer Österreich über Alles! Wehrmänner ruft nun frohen Schalles: Es will, es will! Hoch Österreich!«
In der Stimmung der Abgeschiedenheit und Einsamkeit, der Unzufriedenheit über die politischen Zustände im Deutschen Bund, andererseits der Selbstzufriedenheit, des persönlichen Wohlergehens in Urlaubstagen, fern ab den deutschen Landen, brachte Hoffmann das »Lied der Deutschen« zu Papier. Letztlich war es eines von annähernd 3.000 Liedern, Gedichten, Trinkliedern und vaterländischen Texten. Bewusst schrieb er keine Ode, keine Huldigung an einen Herrscher, sondern eine spontane »Liebeserklärung« an seine Heimat: »Ich will ein Lied schreiben, das die Deutschen eint. Keine Huldigung an die Fürsten, sondern ein Lied der Sehnsucht nach der Einheit der Nation.«11
Hoffmann von Fallersleben hatte der dritten Strophe zunächst eine Variante gegeben; in der Urschrift des vollständigen Liedes steht:
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand.
Stoßet an und ruft einstimmig:
Hoch das deutsche Vaterland!
Als Melodie hatte der Dichter von Anfang an Joseph Haydns (1732–1809) allseits bekannte Komposition zur österreichischen Kaiserhymne vorgesehen. Er fand sie wunderschön, nur ihr Text missfiel ihm als liberalem Demokraten. Hoffmann hatte als Germanist Wert auf einprägsame Stilmittel gelegt. Jedes Kind konnte sich die einfachen, ein- und zweisilbigen Flussnamen merken, eingängig ist die Alliteration »Maas« und »Memel«, ebenso die Wiederholung »Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang« in der zweite Strophe sowie die Aufzählung (»Einigkeit und Recht und Freiheit«) in der dritten Strophe. Das heißt, wie bei den meisten Kirchenliedern lagen mit diesem »Lied der Deutschen« eine einfache Textstruktur und eine ebenso eingängige Melodie vor, ideale Voraussetzungen für eine schnelle Verbreitung. Hoffmann war sich bewusst, dass man sich gereimte Texte viel leichter merken kann und dass die Musik den Verstand und das Gefühl berührt, dass sie Erinnerungen sowie Empfindungen wie Trauer, Empörung, Sehnsucht und Freude hervorrufen kann und zwar in der Gemeinschaft und bei jedem Einzelnen.
Am 28. August 1841 erhielt der Professor und Volkslieddichter Besuch von Julius Campe (1792–1867), einem der bekanntesten Verleger Hamburgs, mit dem er zuvor schon mehrfach zusammengearbeitet hatte. Campe erschien nun in Begleitung des Stuttgarter Buchhändlers Paul Neff (1804–1855), um Hoffmann das erste Exemplar des zweiten Teils der »Unpolitischen Lieder« zu überreichen. Während eines Strandspaziergangs berichtete Hoffmann seinem Gast von seiner aktuellen Schöpfung. Auch diese Begegnung ist überliefert:12
»Am 29. August spazierte ich mit Campe am Strande. ›Ich habe ein Gedicht gemacht, das kostet aber vier Louisdor.‹ Wir gehen in das Erholungszimmer. Ich lese ihm: ›Deutschland, Deutschland über alles‹ und noch ehe ich damit zu Ende bin, legt er mir die 4 Louisdor auf meine Brieftasche. Wir beratschlagen, in welcher Art das Lied am besten zu veröffentlichen. Campe schmunzelt: ›Wenn es einschlägt, so kann es ein Rheinlied werden. Erhalten Sie drei Becher, muss mir einer zukommen.‹ Ich schreibe es unter dem Lärm der jämmerlichen Tanzmusik ab, Campe steckt es ein, und wir scheiden. Am 4. September bringt mir Campe das Lied der Deutschen mit der Haydnschen Melodie in Noten, zugleich mein Bildnis, gezeichnet von C.A. Lill. An letzterem nichts gut als der gute Wille. Hoffentlich werden meine Freunde ein besseres Bild von mir in der Erinnerung behalten haben.«
Abb. 4: »Das Lied der Deutschen« vom 1. September 1841, Arrangement für Singstimme, Klavier und Gitarre.
Campe musste sich des Erfolgs des Liedes sicher gewesen sein, denn er ließ es wenige Tage später als Flugblatt in einer Auflage von mehr als 400 Exemplaren drucken. Der Titel des Hamburger Erstdrucks vom 1. September 1841 lautete:
»Das Lied der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben, Melodie nach Joseph Haydn’s: Gott erhalte Franz den Kaiser, Unsern guten Kaiser Franz! Arrangiert für die Singstimme mit Begleitung des Pianoforte und der Guitarre (Text Eigentum der Verleger). 1. September 1841, Hamburg, bei Hoffmann und Campe, Stuttgart, bei Paul Neff. 4 bill. gr. 8º. Satz und Stereotypie von Fabricius (Preis 2 g. Groschen).«
Genauso erstaunlich ist, dass die öffentliche Uraufführung des Liedes nur einen Monat später stattfand. Die Hamburger Liedertafel unter Leitung ihres Gründers Albert Methfessel (1785–1869) sang es am 5. Oktober 1841 anlässlich eines Fackelzuges zu Ehren von Carl Theodor Welcker (1790–1869), Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg. Über dieses Ereignis, bei dem Hoffmann von Fallersleben anwesend war, berichteten die »Hamburger Nachrichten« am 8. Oktober:13
»Nach einem sehr unfreundlichen […] Tage war das Wetter ein paar Stunden nach Sonnenuntergang nach und nach ruhiger geworden, die Wolken hatten aufgehört, ihre nassen Gaben zu spenden, sie verteilten sich und der Mond zog hell herauf, um mit seinem milden Licht das Schauspiel, die öffentliche Würdigung eines Biedermannes, von anderen gleichgesinnten Ehrenmännern, das hier an den Ufern des schönen Alstersees vor den Augen von Tausenden stattfand, zu beleuchten. Kopf an Kopf standen nicht nur an der Straße vor dem Hause, sondern auch auf dem daran stoßenden Gänsemarkte und in den beiden Alleen des alten und neuen Jungfernstiegs die Massen der Teilnehmer, die zugleich Mitwirkende und Zuschauer waren.
Zuerst ward von dem ausgezeichneten Hornisten-Corps unseres Bürger-Jäger-Bataillons ein Marsch gespielt, dann beim Licht rot brennender Fackeln Hoffmann v. Fallerslebens ›Lied der Deutschen‹ nach der Melodie ›Gott erhalte Franz den Kaiser‹ gesungen, worauf Herr Dr. Wille den Herrn Hofrat Welcker im Namen Hamburgs begrüßte und ihm ein dreimaliges Hoch! brachte. Nachdem die Fackeln ihr Licht in Weiß geändert, ward von dem Herrn Professor Wurm eine kurze Anrede gehalten, in welcher er sich über die deutschen Verhältnisse überhaupt in kräftigen Worten aussprach. Hierauf dankte unser werter Gast mit gerührter Stimme СКАЧАТЬ