Название: Einigkeit und Recht und Freiheit
Автор: Jörg Koch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783170401860
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Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand;
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!
Die beiden ersten Zeilen des »Deutschlandliedes« gehören zu den bekanntesten Versen überhaupt. Oft zitiert, gesungen, gegrölt, inhaltlich missbraucht und missverstanden, sind sie nicht im Sinne eines chauvinistischen Herrschaftsanspruchs anderen Staaten gegenüber zu verstehen. Auch sie spiegeln den Geist der Zeit, insbesondere die Gesinnung ihres Verfassers wider. August Heinrich Hoffmann fordert als verbindende Klammer ein Deutschland über viele deutsche Länder hinweg, also die Einheit und das Ende der Partikularstaaten. Denn nur ein geeintes, mächtiges Deutschland könne die Gebietsansprüche Frankreichs zurückweisen. Im Gegensatz zu anderen Rheinliedern jedoch erwähnt der Verfasser in seinem Lied weder den Rhein noch Frankreich. Vielmehr nennt er in seiner ersten Strophe vier Flüsse, die die Grenzen dieses neuen Deutschlands markieren. Alle vier Gewässer liegen außerhalb der deutschen Grenzen von 1937, doch damals entsprachen sie im Wesentlichen den allseits akzeptierten Grenzen des Deutschen Bundes:
Die rund 875 Kilometer lange Maas, die in Frankreich entspringt, Belgien und die Niederlande durchfließt, bevor sie in das Rhein-Maas-Delta mündet, bildet die Grenze zwischen den Provinzen Belgisch-Limburg und Niederländisch-Limburg. Aufgrund einer neuen Gebietsregelung im Jahr 1839 (»Londoner Protokoll«) fiel der niederländische Teil von Limburg an den Deutschen Bund, damit war die Maas die westliche Grenzmarkierung des Staatenbundes. Daran hat sich bis heute kaum etwas verändert; die Maas nähert sich in ihrem Lauf der deutschen Grenze bei Kaldenkirchen (Nordrhein-Westfalen) auf rund fünf Kilometer.
Die rund 940 Kilometer lange Memel entspringt in Weißrussland und zieht sich durch Litauen, wo sie ins Kurische Haff (Ostsee) mündet. Die Hafenstadt Memel (Klaipeda) war bis 1920 die nördlichste Stadt Deutschlands. Zwar gehörte Ostpreußen nicht dem Deutschen Bund an, doch weil im Memelgebiet Deutsche lebten, bzw. Kaschuben, Polen und Masuren, die als Preußen geführt wurden, vielerorts dort auch deutsch gesprochen wurde und überdies das preußische Königspaar Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) und Luise (1776–1810) während der napoleonischen Herrschaft hier Zuflucht gefunden hatte, galt den Zeitgenossen diese Gegend als deutsch. Die Memel als östlicher Grenzfluss war zwar problematisch, doch ganz abwegig war diese Markierung nicht.
Mit Nennung der Etsch als südlicher Grenze ist der Oberlauf des 415 Kilometer langen Flusses in Südtirol gemeint und Südtirol mit seiner Hauptstadt Bozen gehörte zu Österreich und damit staatsrechtlich betrachtet zum Deutschen Bund.
Als letzte Markierung wird der Belt genannt, damit verweist der Textdichter auf die Wasserstraße zwischen den Inseln Fehmarn und Lolland, auf den Fehmarnbelt. Fehmarn gehörte zum Herzogtum Holstein und war damit Teil des Deutschen Bundes.
Auch wenn die erste Liedstrophe einen gewissen Nationalstolz verkörpert, liegt es entstehungsgeschichtlich gesehen fern, diese Verse als Ausdruck nationalistischer Überheblichkeit des deutschen Volkes interpretieren zu wollen. Mit »Schutz und Trutz« ist Verteidigung gemeint, nicht Angriff.
Hoffmann von Fallersleben, der sich mit dem mittelalterlichen Minnesang auskannte, nahm sich Walter von der Vogelweides (um 1170–um 1230) Dichtung »Ir sult sprechen willekomen« (um 1200) zum Vorbild, darin schon nennt der Lyriker zwei Flüsse: »Von der Elbe unz an den Rhin« (also »von der Elbe bis an den Rhein«).
Die zweite Strophe erinnert eher an ein Weinlied, auch an einen Minnesang. Verehrt werden die Frauen, die die Sänger, Männer, zu einer »edlen Tat« motivieren sollen, was immer Hoffmann darunter auch verstanden haben mag. Dazu erklingen ein paar Lieder (»deutscher Sang«) und selbstverständlich gibt es ein paar Gläser Rheinwein (»deutscher Wein«) zu trinken. Diese inhaltlich weniger anspruchsvollen Zeilen wirken wie ein Sittengemälde der damaligen Zeit. Doch auch in diesen Versen steckt mehr, wie der Autor einen Tag nach Fertigung des Liedes in einem Brief vom 27. August 1841 an seine Jugendliebe Henriette von Schwachenberg (1792–1845) mitteilte. Es ist ein Liebesgedicht: »Dass ich, als ich ›Deutsche Frauen‹ schrieb, in erster Linie Ihrer gedachte, ist kaum der Erwähnung wert. Wie mein Erstlingswerk widme ich nach genau 20 Jahren auch mein Deutschland-Lied Ihnen.«9
Die dritte Strophe spiegelt allgemeine Wesensmerkmale des demokratischen Rechtsstaats wider. Einigkeit und Recht und Freiheit – diese drei Schlagwörter, uns heute eine Selbstverständlichkeit, waren 1841 als erstrebenswerte Ziele definiert. Noch bestand kein einheitliches Deutschland, noch galten die 1819 auf Initiative des österreichischen Staatskanzlers Clemens Fürst Metternich (1773–1859) von der Bundesversammlung verabschiedeten autoritären »Karlsbader Beschlüsse« (u. a. Pressezensur, Berufsverbot für national und liberal gesinnte Professoren), noch waren bürgerliche Rechte nicht verwirklicht. Die beschworenen Werte befinden sich heute auch auf dem Rand der deutschen 2-Euro-Münzen (früher standen sie auf den 2- und 5-DM-Münzen). Einigkeit und Recht und Freiheit sind Garanten (»Unterpfand«) für das Glück, zugleich sind sie als Mahnung und Programm für den Zusammenhalt eines Volkes zu verstehen, man könnte die drei vielzitierten Begriffe als Motto der Bundesrepublik interpretieren. Auch bei dieser Strophe bzw. dem Dreiklang »Einigkeit und Recht und Freiheit« mag Hoffmann inspiriert worden sein von ihm bekannter Literatur, nämlich von Schillers »Wilhelm Tell« (1804), jenem Drama, das den Freiheitskampf der Eidgenossen darstellt; so spricht der sterbende Bannerherr Werner von Attinghausen in der zweiten Szene des vierten Akts: »Dass sich der Bund zum Bunde rasch versammle – seid einig – einig – einig.«
Dieser Gedanke fand zunächst Eingang in Hoffmanns Gedicht »Eins und Alles«, das als »Vorbild« des »Deutschlandliedes« gesehen werden kann und später als Teil seiner »Unpolitischen Lieder« veröffentlicht wurde. Im Juni 1841 getextet, nimmt es die Einheit Deutschlands vorweg:
Deutschland erst in sich vereint!
Auf! Wir wollen uns verbinden,
und wir können jeden Feind
treuverbunden überwinden.
Deutschland erst in sich vereint!
Lasset alles, alles schwinden,
was ihr wünschet, hofft und meint!
Alles andere wird sich finden.
Deutschland erst in sich vereint!
Danach strebet, danach ringet!
Dass der schöne Tag erscheint,
der uns Einheit wiederbringet.
Deutschland erst in sich vereint!
Wenn uns das einmal gelinget,
hat die Welt noch einen Feind,
der uns wiederum bezwinget?
Nur zwei Monate später, im August 1841, entstand auf Helgoland das »Lied der Deutschen«. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität zu Breslau, befand sich in jenem Sommer drei Wochen lang im Urlaub auf der damals zu England gehörenden СКАЧАТЬ