Große Werke der Literatur XV. Группа авторов
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СКАЧАТЬ kommentierten Textes reproduziert. Laura Terracina bringt somit die Techniken des Centone5 und der spanischen Glosa6 zusammen, wobei sie bei diesem literarischen ‚Spiel‘ nicht immer große Sorgfalt walten lässt, denn häufig erscheinen die von Ariosto entlehnten Abschlussverse der Oktaven nahezu als Fremdkörper.

      In der Tat ist es nicht der ästhetische Wert, der das Werk der Terracina auch heute noch lesenswert macht, sondern vielmehr seine kulturhistorische Bedeutung als Kritik an der damaligen, insbesondere neapoletanischen Gesellschaft, sowie seine Bedeutung für die europäische Querelle des femmes.7

      Unter den Adressaten der Widmungsgesänge erscheinen wichtige politische Persönlichkeiten der Renaissance, die sich insbesondere im Kontext Neapels finden lassen. So ist der erste Gesang Karl dem Fünften gewidmet, Herrscher über Spanien, und damit in diesen Jahren auch über Neapel. Als dessen Stellvertreter vor Ort erscheint der Viceré von Toledo (Gesang XVIII). Aber auch Henri II de Valois (XL), der Sultan Solimanni (XLII), Philipp Markgraf von Hessen (XLV) sowie Philipp von Österreich, Prinz von Spanien (XLVI) gehören zu den Adressaten der Widmungsoktaven. Erscheint das Netz der Adressaten auf den ersten Blick einer prospanischen Haltung der Autorin zu entsprechen, so finden sich jedoch auch eine gewisse Anzahl von Widmungsgesängen, die an Persönlichkeiten gerichtet sind, die klar dem proreformatorischen Kontext, in der Form des Valdesianismus, zuzurechnen sind, wie Bernardino Bonifacio Marchese d’Oria, dem die Autorin 1549 das gesamte Werke widmete, aber auch Costanza d’Avalos (X), sowie Maria d’Aragona (XXXVIII). 13 der 46 Gesänge sind generischen Adressaten gewidmet, wie den „verräterischen Freunden“ („amici traditori“) im Gesang IV oder „den Feinden der Frauen“ („nemici delle donne“) im Gesang V oder aber den „unsteten und wankelmütigen Männern“ („instabili e infermi uomini“) im Gesang XXIX. In diesen Gesängen kommt in der Regel auch eine starke moralisierende Komponente zum Ausdruck, wohingegen der Bezug zu den realen Adressaten in den Gesängen häufig nicht nachzuvollziehen ist, und sie tatsächlich mehrheitlich enkomiastischen und rhetorischen Charakters sind. Allerdings lässt eine Lektüre ‚zwischen den Zeilen‘ eine Art Handlungsstrang der neapolitanischen Gegebenheiten erahnen, der den historischen Handlungsstrang der Religionskriege des Orlando ersetzt. Auch verstärkt Terracina die gesellschaftskritische und moralisierende Komponente der dritten Fassung des Orlando, wohingegen die diversen Liebesbeziehungen des Versepos im Discorso praktisch keine Rolle spielen. Ausnahmen bilden die ‚Liebesgeschichten‘ des Orlando, die als Exemplum für die Treue der Frauen dienen können, wie zum Beispiel die der Isabella und der Olympia. Die Transmutation des Textes des Ariostos zielt so auf eine ‚neapoletanische und personalisierte‘ Relektüre, die insgesamt eine sehr pessimistische Weltsicht der Autorin aufscheinen lässt. Im Gegensatz zu Ariosto, der sich im Orlando ironisch und kritisch mit der Ritterkultur der Vergangenheit auseinandersetzt, äußert sich Laura Terracina vielmehr nostalgisch über den Verfall der Sitten. In dem Don Ferrante Gonzaga Principe di Molfatta gewidmeten Gesang XIII lobt Terracina die ritterliche Kultur vergangener Zeiten und dekonstruiert damit die ironische Distanzierung des Ariosto zu eben diesem Ideal. Auch kritisiert die Dichterin wiederholt den Hang der Menschen zu Verrat und Falschheit (Gesang XIX, „A li reverendissimi cardinali“; Gesang XXI, „Ai mancator di fede“, Gesang XXIX „A li instabili e infermi uomini“ und Gesang XLIV („A li malvagi cortigiani“)), indem sie insbesondere den Verfall der Sitten an den Höfen anprangert. Weiterhin zielt ihre Kritik auf die viel verbreitete Praxis des Wuchers (Gesang XXXIV), den Geiz (Gesang XLIII) und den Neid (Gesang XXXI). In einigen Gesängen finden sich darüber hinaus Anspielungen auf die politische Aktualität ihrer Zeit, wie im Gesang VI, der Gianluigi Fieschi, gewidmet ist, der genuesische Herzog, der bei seinem Revolteversuch gegen Andrea Doria 1547 ums Leben kam. Wie auch Ariosto im Orlando denunziert Terracina die Gräuel der Kriege ihrer Zeit (Gesang XV „Ai cardinali e sanguinosi capitani“), zu deren Opfern meist Frauen, Kinder, kurz die Schwachen und Unschuldigen, zählen (XV,2).8 Auch scheint zuweilen in den vermeintlich enkomiastisch geprägten Gesängen eine subversive Kritik des politischen Regimes aufzuscheinen, wie im Gesang XVII, der der Stadt Neapel gewidmet ist. Allerdings wird diese Kritik mit dem Hinweis auf die göttliche Vorhersehung sogleich relativiert. Der universelle Diskurs der göttlichen Bestrafung der menschlichen Sünden, der eben auch die Möglichkeit der Tyrannenherrschaft impliziert, in dem die Tyrannen als Strafe zum sündigen Volk entsendet werden, legitimiert so die Unterdrückung der neapolitanischen Bevölkerung durch die spanischen Herrschaft, die hier durchaus kritisch dargestellt wird.9

      Zu der Gesellschaftskritik in den Discorsi gehört auch der subversive Blick auf die Geschlechterverhältnisse, mit dem Terracina sich in die Tradition der europäischen Querelle des femmes einschreibt. Dieser Diskurs manifestiert sich im Discorso auf drei Ebenen: auf der Ebene der Metareflexion über weibliches Schreiben, auf der Ebene der expliziten Polemik sowie auf der Handlungsebene bzw. der Adressatinnen der Widmungsoktaven. Es sei vorangeschickt, dass auch im Orlando des Ariosto die Querelle des femmes allgegenwärtig ist.10 Während Ariosto die Frage nach der Gleichheit bzw. Ungleichheit der Geschlechter am Ende seines Werkes eher unentschieden lässt, schreibt Terracina ihren Bezugstext klar im Hinblick auf die Überlegenheit des weiblichen Geschlechtes um.

      Auf der Metaebene stellt die Dichterin so ein geschärftes Bewusstsein ob ihrer Position und Rolle als Dichterin unter Beweis. So rekurriert sie zum einen auf die gesellschaftlich akzeptierte literarische Strömung des „weiblichen Petrarkismus“11 und seiner besonderen Ausformung des Ehepetrarkismus in der Tradition Vittoria Colonnas, wie im Gesang II, der Eleonora Sanseverina gewidmet ist, die ihren Ehemann verloren hat. Die Rime der Vittoria Colonna, die wie die Discorsi im neapolitanischen Kontext entstanden sind, werden erstmals 1538 veröffentlicht und gehören ebenfalls zu den verlegerischen Erfolgsgeschichten des 16. Jahrhunderts.12 In ihren Rime amorose besingt Vittoria Colonna den verstorbenen Ehegatten, Francesco Ferrante d’Avalos, Marchese di Pescara, der als Kriegsheld in der Schlacht von Pavia verstarb. Die Dichterin wird bereits von Ariosto im XXXVII. Gesang des Orlando beispielhaft erwähnt, und auch Laura Terracina widmet ihr ein Sonett, das im Anhang des ersten Teils ihres Discorso erscheint.13

      Terracina zeigt sich der Problematik ihrer Position als Dichterin wohl bewusst; wie viele ihrer Zeitgenossinnen rekurriert sie auf die üblichen Bescheidenheitstopoi, insbesondere in den enkomiastisch geprägten Gesängen, in denen sie wiederholt ihre „niederen Gedanken“ („basso pensier“ (I, 3,1)), ihre „rohe Sprache“ („aspra lingua“ (III, dedic.,4)), ihren „so niederen Stil“ („stil sì basso“ (XVIII, 4,1)), etc. unterstreicht. Allerdings subvertiert sie in einigen Gesängen diesen traditionellen Diskurs der schreibenden Frauen explizit (Gesänge XIV, XX XXXVII). In Gesang XIV unterstreicht die Dichterin so den transgressiven Charakter ihres Schreibens, das sich nicht auf den Frauen durchaus zugestandenen Liebesdiskurs („amoroso stile“ (XIV, 2,1)) festschreiben lasse, sondern einer „männlichen Feder“ („una penna virile“ (XIV, 2,5) gleichkomme, wenn sie über Themen wie zum Beispiel den Krieg schreibe.

      Der 20. Gesang des Discorso kann als eigentliche Antwort Terracinas auf den 37. Gesang des Orlando gelesen werden, in dem Ariosto die Frauen aufruft, selbst zur Feder zu greifen, um sich gegen misogyne Anfeindungen zur Wehr zu setzen. Terracina widmet den 20. Gesang ihres Discorso der Isabella Colonna Principessa di Sulmona, die gemeinsam mit der Dichterin selbst analog zu den kriegerischen Frauengestalten des Orlando, wie Bradamante und Marfisa, als beispielhafte Frau zitiert wird. Terracina rekurriert hier auf die Tradition der Frauenkataloge nach dem Modell des De mulieribus claris des Giovanni Boccaccio, auf den auch Ariosto in seinem 20. Gesang zurückgreift. Wie im Orlando selbst bildet der XXXVII. Gesang des Discorso den Höhepunkt des Geschlechterstreits. Laura Terracina nimmt den Aufruf des 37. Gesangs des Orlando wieder auf und wie Ariosto übt Terracina vehement Kritik an den misogynen Schriften ihrer Dichterkollegen. Anders als ihr Vorgänger allerdings stellt sie fest, dass nur Frauen selbst in der Lage seien, Frauenlob zu üben. So kritisiert sie die Tatsache, dass zu wenige Frauen sich gegen die Grausamkeiten der Frauenfeinde wehren würden (XXXVII, 3, 4) und fordert ihre Geschlechtsgenossinnen auf, sich mehr zu bilden.14

      Tatsächlich wird die Geschlechterfrage СКАЧАТЬ