Große Werke der Literatur XV. Группа авторов
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СКАЧАТЬ Frauenlob wird von Terracina unter anderem auch durch die zahlreichen weiblichen Adressatinnen untermauert, deren Tugendhaftigkeit und Vorbildhaftigkeit jeweils in den enkomiastischen Gesängen gelobt werden (1. Teil: Gesänge II, X, XII, XVI, XX, XXVI, XXVII, XXXII, XXXV, XXXVIII, XLIII). Auch trifft die moralische Kritik, die in zahlreichen Gesängen des ersten Teils geübt wird, vor allem die Männer, denn menschliche Laster werden von Terracina generell zu männlichen Lastern umgedeutet (VII, VIII, XI, XV, XXIII, XXIV, XXIX). So wird der Discorso zu einer Streitschrift gegen die männlichen Laster und Unzulänglichkeiten. Während in den misogynen Schriften des Geschlechterstreits die vermeintliche Falschheit und Untreue der Frauen zur Debatte stehen, sind es bei Terracina die Männer, die ihre Frauen betrügen und verlassen (VII, XXI, XXIII). Der Gesang XXII, der den „Magnifiche donne“ gewidmet ist und auf den ersten Blick eine Kritik der wollüstigen und untreuen Frauen zu sein scheint, negiert die Ironie Ariostos im korrespondierenden Gesang des Orlando vollständig. So heißt es bei Terracina:

      Welche Frau sei denn mit einem einzigen Liebhaber

      Froh, glücklich und zufrieden?

      Wer will, wer verachtet, wer wankelmütig sei,

      befriedigt alsbald jedes noch so kleine Bedürfnis.

      Von den Haarspitzen bis zu den Füßen, ist alles unzuverlässig

      Und würde am Tage 30 Liebhaber wechseln,

      Obwohl ich heute davon ausgehe,

      dass ihr sehr wenige von dieser Art seid.15

      Während Ariosto schreibt:

      Ihr Frauen, die ihr wohl erzogen und eurem Liebhaber dankbar seid,

      die ihr euch mit einer einzigen Liebe zufrieden gebt,

      so ist es doch sicher, dass ihr unter so vielen,

      nur sehr wenige dieses Geistes seid.16

      Auch wenn von Hochmut, Ehrgeiz und Neid die Rede ist, handelt es sich im Discorso um rein männliche Fehler, unter denen allein die Frauen zu leiden haben. Auf der diskursiven Ebene wird Terracina spätestens in den Gesängen V und XXVIII, die jeweils den Männern als „Feinde der Frauen“ („uomini nemici delle donne“) gewidmet sind, explizit. Im V. Gesang des ersten Teils des Discorso nimmt sie die Einleitungsoktave des korrespondierenden Gesangs des Orlando auf, die ebenfalls von der Grausamkeit handelt, mit der die Männer Frauen behandeln. In ihrer Widmungsoktave gibt Terracina so vor, ihre Geschlechtsgenossinnen rächen zu wollen. Im Bewusstsein der gesellschaftlichen Grenzen, die ihrem Geschlecht auferlegt sind, hofft sie dabei auf die göttliche Gerechtigkeit. Der Gesang scheint einen Anklagemonolog zu inszenieren, der ganz in der Tradition der Geschlechterpolemik steht, indem die Dichterin, analog zu Ariosto, auf den Vergleich mit dem Tierreich rekurriert. Dort schützen die Männchen ihre Weibchen und bekämpfen sie nicht, wohingegen Männer häufig Gewalt gegen Frauen walten ließen (Gesang V, 3, 4). Im Gesang XXVIII vertieft L. Terracina die Klage gegen die Verleumder der Frauen, indem sie die Geschichte des Gastwirtes aus dem korrespondierenden Gesang des Orlando anzitiert. Es handelt sich um die Episode über die wollüstige Fiammetta. Die Geschichte wird von Terracina nicht nacherzählt, da sie davon ausgeht, dass diese bei den zeitgenössischen Lesern bekannt war. Als Antwort auf diese Episode wird im folgenden Gesang, der sich an die „wankelmütigen Männer“ („Alli instabili, e infermi uomini“), richtet und praktisch keinen Bezug zum korrespondierenden Gesang des Orlando aufweist, der Topos der wankelmütigen und wollüstigen Frau nun vollkommen dekonstruiert, indem das Bild der untreuen und wankelmütigen Männer entworfen wird.

      Die aufmerksame Lektüre des Discorso der Terracina zeigt uns also eine sehr kritisch distanzierte Auseinandersetzung mit dem Bezugstext. So spielt die Handlung des Orlando für Terracina eine sehr untergeordnete Rolle und wird allenfalls anzitiert, da beim Leser als bekannt vorausgesetzt. Tatsächlich konzentriert Terracina sich ganz auf die Einleitungsoktaven der Gesänge des Orlando, die in der Regel moralische oder gesellschaftliche Fragen fokussieren. Diese schreibt die Dichterin jeweils im Hinblick auf ihre eigene, vornehmlich pessimistische, Weltsicht um. Auf der inhaltlichen Ebene erscheint das Werk des Ariosto so nur noch als ‚Vorwand‘ oder ‚Aufhänger‘, um unter dem Deckmantel der imitatio die eigenen gesellschaftlichen und politischen Positionen der Dichterin zum Ausdruck zu bringen.

      Literaturverzeichnis

      Primärliteratur:

      Ariosto, Ludovico: Orlando furioso. Hg. Gioacchino Paparelli. Dritte Auflage. Milano 1997.

      Colonna, Vittoria: Rime. Hg. Alan Bullock. Roma und Bari 1982.

      Terracina, Laura: La prima parte del Discorso sopra le prime stanze de‘ canti d’Orlando furioso. Venezia 1567.

      Terracina, Laura: La Seconda Parte de‘ Discorsi sopra le seconde stanze de‘ canti d’Orlando Furioso. Venezia 1567.

      Terracina, Laura: Discorsi sopra le prime stanze de‘ canti d’Orlando Furioso. Hgg. Rotraud von Kulessa, Daria Perocco. Firenze 2017.

      Sekundärliteratur:

      Bock, Gisela und Margarete Zimmermann: „Die Querelle des femmes in Europa. Eine begriffs- und forschungsgeschichtliche Einführung“. Querelles – Jahrbuch für Frauenforschung 1997. Die europäische Querelle des femmers – Geschlechterdebatten seit dem 15. Jahrhundert. Hgg. Gisela Bock und Margarete Zimmermann. Stuttgart und Weimar 1997, 9–38.

      Bock, Gisela: Frauen in der europäischen Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 2000.

      — : Women in European History. Oxford und Malden Mass. 2002.

      Borzelli, Angelo: Laura Terracina, poetessa del Cinquecento. Napoli 1924.

      Casapullo, Rosa: „Contatti metrici fra Spagna e Italia: Laura Terracina e la tecnica della glosa“. Atti del XXI Congresso internazionale di linguistica e filologia romanza. Hg. Giovanni Ruffino. Tübingen 1998, 161–189.

      Cox, Virginia und Chiara Ferrari: Verso una storia di genere della letteratura italiana. Percorsi critici e gender studies. Bologna 2012.

      Croce, Benedetto: Storie e leggende napoletane. Milano 1990, 270–283.

      Dionisotti, Carlo: Geografia e storia della letteratura italiana. Torino 1967.

      Erspamer, Francesco: „Centoni e petrarchismo nel Cinquecento“. Scritture di scritture. Testi, generi, modelli nel Rinascimento. Hgg. Giancarlo Mazzacurati und Michel Plaisance. Roma 1987, 463–495.

      Genovese, Gianluca: „Ariosto a Napoli. Vicende della ricezione del Furioso negli anni trenta e quaranta del Cinquecento“. ‚Tra mille carte vive ancora‘. Ricezione del Furioso tra immagini e parole. Hgg. Lina Bolzoni und Serena Pezzini et.al. Lucca 2010, 339–355.

      Hassauer, Friederike (Hg.): Heißer Streit und kalte Ordnung. Göttingen 2008.

      Izzo, Anna Lisa: СКАЧАТЬ