Große Werke der Literatur XV. Группа авторов
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СКАЧАТЬ Philipp (Hg): Reading the Canon: Literary History in the 21st Century. Heidelberg: 2017.

      Lowell, James Russell: „Thoreau“ (1865). The Writings of James Russell Lowell. Riverside Edition. Boston 1890, 1: 361–381.

      Mukherjee, Ankhi: What is a Classic? Postcolonial Rewriting and Invention of the Canon. Stanford. Redwood City CA 2014.

      Pavese, Cesare: „The Literary Whaler“ (1960). The Recognition of Herman Melville. Hg. Hershel Parker. Ann Arbor 1970, 194–203.

      Sainte-Beuve, Charles Augustin: „Qu’est-ce qu’un classique?“ Causeries du lundi, 21.10.1850, 38–54. (http://www.tierslivre.net/litt/lundi/classique).

      Schulz, Dieter: Henry David Thoreau: Wege eines amerikanischen Schriftstellers. Heidelberg 2017.

      Schulz, Kathryn: „Pond Scum: Henry David Thoreau’s Moral Myopia“. The New Yorker (19.10.2015). (http://www.newyorker.com/magazine/2015/10/19/pond-scum).

      Twain, Mark: A Tramp Abroad, Following the Equator, Other Travels. Hg. Roy Blount, Jr. New York 2010.

      Walden 2015ff. Gruner+Jahr Verlagsgruppe. (http://www.waldenmagazin.de/download/Walden_Factsheet_2015.pdf).

      Walden 2017. (http://www.gujmedia.de/print/portfolio/walden/leserschaft/).

      Walden, a Game. (https://www.waldengame.com/).

      Zapf, Hubert: Literatur als kulturelle Ökologie: Zur kulturellen Funktion imaginativer Texte an Beispielen des amerikanischen Romans. Tübingen 2002.

      — : Literature as Cultural Ecology: Sustainable Texts. London 2016.

      ‚Effi Briests arme Schwestern‘

      Theodor Fontane: Cécile, Irrungen, Wirrungen, Stine

      Hans Vilmar Geppert

       für Gunther Gottlieb

      Ein Text, ein ‚textum‘, das ist, wie der lateinische Name sagt, zunächst einmal ein ‚Gewebe‘, ein Gewebe wie Tweed beispielsweise, ein Gewebe aus vielen feinen, verschiedenfarbigen Fäden. Ein solcher ‚Text‘ käme der Erzählkunst Theodor Fontanes in der Tat recht nahe. Wenn man ein unifarbenes Kleidungsstück, einen dunkelblauen Pullover beispielsweise oder eine rostrote Krawatte gegen eine Tweed-Jacke hält – alles natürlich aus Schottland, das Fontane bekanntlich sehr liebte –, dann werden in dem vielfarbigen Gewebe blaue oder rote Muster sichtbar, die man ohne diesen Kontext vielleicht übersehen hätte. Lässt sich so vielleicht auch Literatur neu lesen?

      Denn wenn Fontane in vielen Farben angelegte ‚Gewebe‘ aus feinen Fäden erzählt, dann hat der so gut wie zeitgleich um ihn her dominierende europäische Naturalismus eines Zola, Ibsen, Arno Holz, Hardy, Gissing oder Giovanni Verga oft etwas farbig Kräftiges, Drastisches und bewusst Provozierendes, ja Plakatives. Man setzte auf „Totalanschauungen“.1 Das war Fontanes Sache nicht. Aber hält man solche kräftigeren, eindeutiger geprägten und farbig expliziten ’Kon-Texte‘ gegen ein Textkorpus wie das Fontanes, so wie eben einen blauen Pullover gegen eine grau-beige-blaue Tweedjacke, es können Spuren und Fäden feiner Muster sichtbar werden, die gleichwohl klar konturiert hervortreten. Hier setzt mein Vortrag an. Denn so schließen sich vielleicht solche feinen, oft jedoch sehr deutlichen und kontrastreichen Spuren zu einem kohärenten Muster zusammen,2 das vielleicht, wenn ich so sagen darf, ‚Effi Briests arme Schwestern‘ wie ein Suchbild in den drei Erzählungen Cécile, Irrungen, Wirrungen und Stine sichtbar machen könnte. Denn was diese drei, ihrer Entstehung nach ineinander verschachtelten Texte verbindet, das ist, so meine heutige These, Fontanes ganz spezifische Auseinandersetzung mit dem Europäischen Naturalismus.

      Fontane begann 1881 damit, die Erzählung Stine zu konzipieren und nieder zu schreiben. Doch ein Jahr später 1882 brach er diese Arbeit ab und begann die an Irrungen, Wirrungen. Auch hier machte er zwei Jahre später halt, um zwischen 1884 und 1887 Cécile kontinuierlich auszuarbeiten und abzuschließen. Wieder ein Jahr später schloss er 1888 Irrungen, Wirrungen ab, und noch einmal zwei Jahre danach lag schließlich 1890 Stine vor.3 Die drei nacheinander erschienenen Erzählungen rahmen einander also ihrer Entstehung nach ein. Die letzte ist zugleich die erste, die zweite die vorletzte, und so fort. Aber das macht die mittlere keinesfalls zum Zentrum. Cécile ist, was Konflikt und Milieu betrifft, gegenüber den anderen beiden Erzählungen, die sie einrahmen, eher ein exzentrischer, wenn man will, peripherer Teil dieser Trilogie. Wo das ‚Zentrum‘ dieses Textkorpus liegt und was die drei Erzählungen wesentlich verbindet, ist überhaupt gar nicht so leicht zu sagen. Hier setzt meine heutige These an. Denn so wie verschiedene Dessins und Schnitte gleichwohl bestimmte Muster gemeinsam haben können, die eigentlich erst ein mehr unifarbener fremder Text deutlicher sichtbar macht, könnte es dann so sein, dass die drei Erzähl-‚Texte‘, Erzähl-Gewebe: Cécile, Irrungen Wirrungen und Stine um so etwas wie eine ‚externe Mitte‘ kreisen: um Motive und Strukturen des europäischen Naturalismus?4

      Erzähl-Fäden und -Muster

      Ich beginne meine Beobachtungen und Überlegungen mit einer kleinen, aber wichtigen Szene aus Fontanes Roman Irrungen, Wirrungen (1888). Der ursprüngliche Untertitel: Eine Berliner Alltagsgeschichte, passt zur Alltäglichkeit der Szene. In ihr – man merkt gleich das Kräftige im Feinen – geht es um kleine alltägliche Tragik, um die Erfahrung, alltäglich ein wenig zu sterben. Die beiden Hauptpersonen, indem sie sich dem Alltag gesellschaftlicher Konventionen unterworfen haben, erleiden einen leisen, allmählichen, kalten Tod: Sie sterben erst in ihren Gefühlen, dann in ihrem humanen Selbstbewusstsein, in ihrem ‚Herzen‘, wie man zu Fontanes Zeit gesagt hätte, bis sie immer mehr nur noch wie Automaten weiterleben. Denn „ohne rechte Liebe“,1 wie es später Effi Briest (1894) formulieren wird, eine Liebe, die Freiheit und Aufrichtigkeit voraussetzt, können manche Menschen, können vor allem viele Frauen bei Fontane, nicht überleben.2

      Problem-, Dreh- und Angelpunkt der Handlung in Irrungen, Wirrungen ist die unmögliche Liebe zwischen einem Baron, Gardeoffizier, von Schulden bedrängt – was sonst? –, und einer jungen, hübschen, kleinbürgerlich lebenden Textilarbeiterin. Vor nicht allzu langer Zeit hatten sich beide getrennt und Botho von Rienäcker hat eine reiche Erbin geheiratet. Eines Tages, auf dem Heimweg von der Arbeit, geht Lene die Lützowstraße in der Nähe des Tiergartens hinunter:

      Aber mit einem Male hielt sie und wußte nicht wohin, denn auf ganz kurze Entfernung erkannte sie Botho, der, mit einer jungen, schönen Dame am Arm, grad auf sie zukam. Die junge Dame sprach lebhaft und anscheinend lauter heitre Dinge, denn Botho lachte beständig, während er zu ihr niederblickte. Diesem Umstand verdankte sie’s auch, dass sie nicht schon lange bemerkt worden war, und rasch entschlossen, eine Begegnung mit ihm um jeden Preis zu vermeiden, wandte sie sich, vom Trottoir her, nach rechts hin und trat an das zunächst befindliche große Schaufenster heran, vor dem, mutmaßlich als Deckel für eine hier befindliche Kelleröffnung, eine viereckige geriffelte Eisenplatte СКАЧАТЬ