Schutzpatrone. Rudolf Trink
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schutzpatrone - Rudolf Trink страница 8

Название: Schutzpatrone

Автор: Rudolf Trink

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783960743026

isbn:

СКАЧАТЬ und einer gezahnten Klinge, die auch für kleinere Sägearbeiten durchaus geeignet war. Er hatte es einmal von einem japanischen Kollegen als Abschiedsgeschenk bekommen, als in Wien ein internationaler Polizeikongress stattgefunden und er den Japaner unter seine Fittiche genommen und ihm die Wiener Cafés und Heurigen nähergebracht hatte. Er schnitt die starken Klebebänder auf dem Paket mühelos auf. In dem Paket waren Äpfel, verschiedene Sorten, beileibe nicht alle perfekt in ihrem Aussehen, aber doch verführerisch anzusehen, und der Duft, der von ihnen aufstieg, machte Rumpler Lust, gelegentlich wieder das Waldviertel aufzusuchen. Das ziemlich raue Klima des Waldviertels vertrug sich eigentlich nicht sehr gut mit dem Anbau von Äpfeln, nur einige eher robuste Sorten hielten sich dort. Obenauf im Karton lag eine Karte mit einem Dank für den Besuch, die auch Kevin mit einer etwas wackeligen Schrift unterschrieben hatte.

      Rumpler warf einen Blick auf die gerahmte Zeichnung auf seinem Schreibtisch und lächelte. Einen Teil der Äpfel würde er für einen gedeckten Apfelkuchen verwenden, mit den durch das Teigrad gezackten Teigstreifen kreuz und quer belegt, eine Herrlichkeit zum Kaffee. Den Kuchen würde er Alma mitbringen, die sich über Gekochtes oder Gebackenes immer freute, zum einen, weil er mit viel Sorgfalt und Erfahrung ans Werk ging, zum anderen, weil sie es von ihrem verstorbenen Mann, einem Bildhauer, nicht gewohnt gewesen war, so verwöhnt zu werden. Rumpler freute sich auf Kaffee und Kuchen mit Alma, im großen Wintergarten ihres schönen alten Hietzinger Hauses, von Skulpturen und großen Kübelpflanzen umgeben. Dieser Platz war für ihn ein Sehnsuchtsort, voller Harmonie, eine Insel, die Rettung verhieß, wenn Rettung nottat.

      Mittlerweile hatte Rumpler die Äpfel alle aus dem Karton geholt, sie einzeln begutachtet und berochen und am Rand seines Küchentisches in einer Zweierreihe aufgelegt. Die geleerte Schachtel hatte er auf den Boden gestellt, wo sie sofort von Rosamunde bezogen wurde, die es liebte, sich in Schachteln, womöglich kleinen, in die sie kaum hineinpasste, häuslich einzurichten. Rumpler griff zum Handy und rief seinen Großcousin an, bedankte sich für die Äpfel und richtete auch an Kevin schöne Grüße aus, heilfroh darüber, dass dieser in sicherer Entfernung im Waldviertel weilte.

      Während er einen Teil der Äpfel schälte und die Kerngehäuse entfernte, dachte er über die Obdachlosen nach, die sich mit dem Verkauf des Augustin über Wasser hielten und ihre in den letzten Jahren aufgetauchten ausländischen Konkurrenten. Nicht weit von Ferdls Standplatz hatte er einen Bettler beobachtet, wie sie in letzter Zeit immer öfter zu sehen waren, mit schweren und zum Teil schwersten Behinderungen, fehlenden Gliedmaßen, schrecklichen Verkrüppelungen. Dem etwa vierzigjährigen Mann, sofern sich sein Alter überhaupt korrekt schätzen ließ, hatte ein Bein gefehlt und sein Rücken wies zusätzlich eine schlimme Verkrümmung auf. Noch in der Erinnerung an diesen Anblick schauderte es Rumpler und er fühlte die Betroffenheit und wohl auch die diffusen Schuldgefühle eines weitgehend Gesunden gegenüber jemandem, der vom Schicksal so sichtbar getroffen war.

      Mittlerweile waren alle Äpfel säuberlich geschnitten in einem großen Topf – mit Zimt, Zitronensaft und etwas braunem Zucker – und dünsteten unter verführerischem Duft bei eher schwacher Hitze vor sich hin. Die Herstellung des Teigs war für Rumpler kein Problem, so oft hatte er diesen Kuchen schon gemacht. Das Rezept dazu stammte noch von seiner Mutter, die in ihrer bemerkenswert schönen, schwungvollen Handschrift Zutaten und Herstellung genau beschrieben hatte.

      Rumpler erinnerte sich an die Zeit, als er als Bub seiner Mutter beim Kuchenbacken zugeschaut hatte. Sein Blick hatte damals gerade auf den Küchentisch gereicht, auf dem sie den Teig auswalkte und mit dem gezackten Teigrad die einzelnen Streifen schnitt. Manchmal machte sie einen Fehler, ein kleines Stück Teig war plötzlich ganz schief geschnitten und dieses Stück schob sie dann ihrem Sohn zu, der schon wusste, dass solche Fehler zum Ritual des Kuchenbackens gehörten. Rumplers älterer Bruder mochte Süßes nicht sehr und war daher diesbezüglich glücklicherweise keine Konkurrenz für ihn gewesen.

      Als der Kuchen schließlich im Rohr war, rief Rumpler Alma an. Sie hatte am Vormittag in ihrer Ordination gearbeitet und sollte daher am Nachmittag frei sein.

      „Hallo Alma.“

      „Schön dich zu hören, Lieber.“

      Sie sagte Lieber, nicht Liebster, aber die Wärme ihrer Stimme, mit der sie es sagte, löste in Rumpler eine ganze Welle von Glücksgefühlen aus.

      „Ich hätt einen Apfelkuchen. Hast Zeit und Lust, dann bring ich ihn vorbei?“ Er spürte ihr Lächeln bis in seinen Bauch hinein.

      „Du bist ein Schatz. Passt vier Uhr für dich?“

      „Bestens. Ich freu mich auf dich.“

      „Ich freu mich auch.“

      *

      7.

      Als Rumpler dann um Punkt vier Uhr vor dem wunderschönen runden Torbogen des alten Hauses stand, das Alma bewohnte, staunte er, wie rasch ihm dieses Haus vertraut geworden war, obwohl er es doch noch nicht einmal ein Jahr kannte. Es lag wohl daran, dass Almas ganzes Wesen dieses Haus für ihn so besonders machte, sehr einladend und auch ein wenig geheimnisvoll. Als sie ihm öffnete und nach dem Begrüßungskuss den Karton, in dem er den Kuchen für den Transport verpackt hatte, entgegennahm, schnupperte sie an dem Kuchen. „Der riecht ja fantastisch. Der Kaffee ist gleich fertig.“

      Rumpler folgte ihr in den Wintergarten, wo der Rattantisch bereits gedeckt war. Sie genossen Kaffee und Kuchen weitgehend schweigend. Alma war eine Frau, mit der man beides gut konnte, schweigen und sprechen, je nachdem. Auch wenn sie beide schwiegen, war die Verbindung zwischen ihnen stark zu spüren. Nachdem sie sich gestärkt hatten, beugte sie sich vor und legte ihre Hand ganz leicht auf seine.

      „Etwas hat dich erschreckt, Lieber. Willst mir davon erzählen?“

      Er staunte längst nicht mehr über ihre Hellsichtigkeit und war einfach froh darüber, dass sie ihn auch ohne Worte verstand.

      „Ich bin von den Kollegen gebeten worden, mich ein bissl bei den Obdachlosen umzuschauen und -zuhören, weißt eh, wegen der Morde, ich hab zu denen einen guten Draht, und da hab ich heute einen schwerbehinderten Bettler gesehen, mit nur einem Bein und einem völlig verkrümmten Rücken. Einfach schrecklich.“

      „Es ist ganz normal, dass dich das erschreckt, Lieber. Es ist ja auch schrecklich.“

      Rumpler wusste, dass Almas schon vor vielen Jahren verstorbener Vater im Krieg ein Bein verloren hatte.

      „Wie war das für dich als Kind? Dein Vater hat ja auch nur ein Bein gehabt, aber du hast ihn halt nur so gekannt.“

      „Er war mir ganz vertraut, so wie er war.“

      „Aber wie geht man als Kind mit so was um?“

      Sie lächelte das Lächeln, das Rumpler so sehr an ihr liebte, ein frohes und großzügiges Lächeln mit einem ganz leichten Anflug von Wehmut, aus dem Wissen um die Welt, so wie sie war.

      „Kinder haben für so was ganz eigene Strategien. Mein kleiner Bruder …“, sie lächelte wieder, weil dieser kleine Bruder mittlerweile etwa fünfundvierzig Jahre alt war, „… konnte die Verwundung unseres Vaters nur ganz schwer ertragen. Er hat ihn daher in seiner Fantasie zu einer Art Actionheld umgemodelt und sich vorgestellt, seine Krücken wären in Wirklichkeit Schnellfeuergewehre, mit denen unser Vater jederzeit schießen und alle Schurken zur Strecke bringen konnte. Unser Vater hat das aber nicht wissen dürfen, denn er hat Waffen verabscheut. Also hat mein Bruder in seiner Fantasie die Krücken-Gewehre zusätzlich auch noch mit Schalldämpfern ausgestattet. СКАЧАТЬ