Schutzpatrone. Rudolf Trink
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Название: Schutzpatrone

Автор: Rudolf Trink

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783960743026

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СКАЧАТЬ hatte, weil einen wirklich gute Bauwerke immer auch freier atmen lassen, obwohl man ihren Anblick doch paradoxerweise als atemberaubend bezeichnet, wie er dachte, ging er, geleitet von den Orientierungstafeln, zu Pavillon Nummer Vier, in dem Rudi Schätter, wie ihm Moser gesagt hatte, untergebracht war. Er sprach kurz mit der diensthabenden Schwester, um sich einen Spaziergang mit Rudi Schätter genehmigen zu lassen, was sich als völlig problemlos erwies, nachdem Moser offensichtlich bereits mit ihr gesprochen hatte. Sie begleitete Rumpler in ein Zimmer im ersten Stock, das am Ende eines langen Ganges mit vielen weiß lackierten Türen lag. Die Schwester klopfte energisch an und sperrte dann die Tür auf. Während des Hinaufgehens hatte sie Rumpler erklärt, dass Rudi Schätter sich auf ausdrücklichen eigenen Wunsch in seinem Zimmer einsperren ließ, weil er Angst hatte. Am Ende des eher schmalen Zimmers war ein Fenster und dort saß an einem kleinen Tisch mit Resopalplatte ein etwa vierzig- bis fünfundvierzigjähriger Mann, mittelgroß, mit mausgrauem, in Büscheln vom Kopf abstehendem Haar, erstaunlich großen Ohren, einem fliehenden Kinn und Augen von einem wässrigen Blau. Er ließ seinen ruhelosen Blick blitzartig über die beiden Eintretenden laufen. „Ah“, sagte er mit überraschend kräftiger Stimme. „Die Gretel hat einen Seppel mitbracht.“

      „Sie haben Besuch, Herr Schätter“, sagte die Schwester etwas lauter als nötig in einem aufgesetzt fröhlichen Tonfall, dem der mühsam unterdrückte Ärger über Schätters Gretel-Zuschreibung deutlich anzumerken war.

      „Der Herr Rumpler ist gekommen und macht mit Ihnen einen Spaziergang.“

      „Der Kasperl fehlt halt sehr. Seppeln gibt’s genug, aber kan Kasperl.“

      Rumpler wusste nicht recht, ob er darauf eingehen sollte, und entschied sich spontan dagegen. Er richtete ihm, um einen Anknüpfungspunkt zwischen ihnen herzustellen, Grüße vom Ferdl aus.

      „Bist ein braver Seppel“, meinte Rudi nur und ließ sich von Rumpler zur Tür hinausführen.

      Solange Rumpler ihn am Arm berührte, und sei es noch so leicht, ging Rudi mit ihm wie selbstverständlich mit, sobald dieser Kontakt jedoch unterbrochen war, blieb er sofort stehen wie eine Straßenbahn, die plötzlich keine Verbindung mehr zur Oberleitung hat. Rumpler verzichtete darauf, sich Rudi gegenüber als Hans vorzustellen, da er ja doch wusste, dass er ein Seppel war, Hans hin oder her. „Bist gut untergebracht?“

      „Schon“, meinte Rudi. „Immer genug zum Essen und eine Dusch hab ich auch. Aber eingsperrt bin ich halt.“

      „Darfst net raus?“

      „Schon. Aber wohin sollt ich denn gehen?“

      „Kriegst Besuch?“

      „Na. Nur die Polizisten waren bei mir. Die ham mich komische Sachen gfragt und dann sinds wieder gangen.“

      „Was hams dich denn gfragt?“

      Bevor er hätte antworten können, blieb Rudi stehen und wies vorsichtig auf eine kleine Frau mit scharfen Gesichtszügen, die soeben aus dem Pavillon getreten war, an dem sie gerade vorbeikamen.

      „Zerst hab ich glaubt, das is die Hex, aber es is die Großmutti. Schiach is halt wia in Teifl sei Hazer, aber liab.“

      Während Rumpler noch ordentlich damit zu tun hatte, ein Lachen über den Vergleich mit dem Heizer des Teufels zu unterdrücken, grüßte sie, wie zur Bestätigung ihrer Rolle als Großmutti, die beiden Herren besonders freundlich. Rumpler war ziemlich überrascht, als Rudi die vorherige Frage problemlos wieder aufnahm, beinahe so, als hätte es überhaupt keine Unterbrechung gegeben. „Sie ham gsagt, ich wär ein Zeuge, und wollten wissen, ob ich was gsehn hätt, wegen dem Heinzi. Ich hab aber nix sagen können. Gar nix. Dann hams mich gleich herbracht.“

      Mittlerweile waren sie wieder beim Ausgangspunkt ihres Rundgangs eingelangt.

      „Magst wieder besucht werden?“, fragte Rumpler.

      „Schon“, meinte Rudi. „Auch wennst kein Kasperl bist.“

      „War der Heinzi einer?“, fragte Rumpler einer plötzlichen Eingebung folgend.

      „Ah, der Heinzi“, seufzte Rudi. „Ja, der war ein Kasperl. Aber jetzt is er weg. Nur Seppeln gibt’s viel. Bringst mir was mit, wennst wieder kommst?“

      „Was denn?“

      „Manner Schnitten. Aber Zitrone!“

      „Mach ich.“ Rumpler erinnerte sich plötzlich an seine Schikurszeit vor etwa fünfzig Jahren, als ihm genau diese Manner Schnitten mit Zitronengeschmack die Abende in den Schikursquartieren versüßt hatten, und lächelte. „Ich komm wieder zu dir und bring dir welche mit.“

      „Is gut.“

      Rumpler meldete sich anlässlich ihrer Rückkehr bei der Schwester, einer Gretl, wie er bereits wusste, und verabschiedete sich.

      Zu Hause angekommen, musste sich Rumpler mit Rosamundes Unmut auseinandersetzen. Ihr Stimmungsbarometer stand ganz offensichtlich auf not amused. Lange fortbleiben und dann auch noch nichts mitbringen, das ging gar nicht. Während er, dicht gefolgt von Rosamunde, rasch in die Küche ging, um seine Versäumnisse wieder gutzumachen, verlegte er sich aufs Verhandeln, auf das, was er schön sprechen nannte. Rumpler konnte das gut. Sein Charme in Verbindung mit seinen ausdrucksstarken Augen hatte oft genug Erfolg gehabt. Bei Rosamunde verfing das diesmal nicht. Sie warf ihm einen kalten Blick zu. Rumpler lächelte, während er für sie ein kleines Stück Schinken leicht anwärmte, der verführerische Duft machte Rosamunde wieder etwas umgänglicher. Als er schließlich ihren Napf mit dem fein geschnittenen Schinken auf den Boden stellte, rieb sie sich angelegentlich an seinen Beinen, aber nur kurz, weil ihre Mahlzeit duldete keinen Aufschub.

      „Gute Katze“, sagte Rumpler, machte sich einen Espresso, in einer hell gehaltenen Schale, die er von einem Italienaufenthalt aus der Gegend von Palmanova mitgebracht hatte und die ihm Inspiration verhieß, und holte sein kürzlich eröffnetes Moleskinbuch hervor. Seine Eintragungen waren für Außenstehende völlig unverständliche Sätze, teilweise Abkürzungen und manchmal auch Zeichnungen. So zeichnete er beispielsweise ein gugelhupfartiges Gebilde für die Kuppel der Otto Wagner Kirche, die ihn auch diesmal, wie schon so oft, schwer beeindruckt hatte. Er genoss den ersten Schluck Kaffee aus seiner dickwandigen Schale, streifte dann seine Orchideen, die ihn immer wieder durch ihre Genügsamkeit überraschten, mit einem anerkennenden Blick auf ihre herrlichen Blüten, legte das Moleskinbuch schließlich zur Seite und nahm die Protokollkopien, die ihm Moser gegeben hatte, zur Hand.

      Rosamunde, die in der Zwischenzeit ihre Mahlzeit schon längst verspeist hatte, war damit beschäftigt, sich mit größter Sorgfalt ihren Bart zu putzen. Auch hier im Wohnzimmer gab es für sie eine Aufstiegshilfe, eine stabile Schachtel, die Rumpler an einen der Sessel herangeschoben hatte, um ihr das Erklettern des Schreibtischs, an dem er arbeitete, zu ermöglichen. Sie liebte es, auf seinen Unterlagen zu ruhen, und griff so gelegentlich auch durch die Auswahl der Papiere, auf die sie sich legte, in Rumplers Arbeit ein. Obwohl er sonst alles andere als abergläubisch war, war Rumpler doch davon überzeugt, dass es sich auf das Lösen eines Falles gut auswirkte, wenn Rosamunde das eine oder andere Mal auf dem entsprechenden Moleskinbuch lag. Auch diesmal enttäuschte sie ihn nicht und lag schon nach kurzer Zeit schnurrend auf seinem neu eröffneten Notizbuch, das unter ihrer Leibesfülle fast verschwand und nur da und dort ein wenig hervorlugte.

      „Gute Katze“, sagte Rumpler nochmals und vertiefte sich in die Moserschen Protokollkopien. Dank jahrzehntelangen Trainings hatte er diese in Polizeideutsch gehaltenen Texte, einer speziellen Sprache ähnlich dem Juristendeutsch СКАЧАТЬ