Schutzpatrone. Rudolf Trink
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Название: Schutzpatrone

Автор: Rudolf Trink

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783960743026

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СКАЧАТЬ zum Heldenplatz blieb er kurz stehen. Während er die Skulptur einer Nymphe betrachtete, die von einem wasserspeienden Faun gepackt wurde, fragte er sich wie schon so oft, ob ihr nun Gewalt angetan wurde oder ob die deutlich sichtbare Anmut der Finger ihrer schräg nach unten gestreckten Hand nicht doch eine andere Geschichte erzählte. Vielleicht beides. Der Bildhauer hatte wohl ganz bewusst ein Werk geschaffen, das erst im Kopf des Betrachters zu Ende gedacht oder eigentlich gefühlt werden wollte.

      Eine Entenmutter mit fünf überaus geschäftigen Jungen holte Rumpler aus seinen Gedanken. Unwillkürlich sah er sich sofort nach Krähen um, die gerne Gelegenheiten nutzten, sich ein Entenjunges zu holen, sah aber zu seiner Erleichterung keine in der Nähe. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – er wie kaum ein zweiter über die vielfältigen Gefahren des Lebens Bescheid wusste, hob sich seine Stimmung durch diesen kleinen Glücksfall sofort, und weil er im Café Rathaus nur zwei Melangen getrunken, aber nichts gegessen hatte, spürte er plötzlich Hunger. Er beschloss, sich faschierte Laibchen zu machen, einige davon auf Reserve, mit schön gerösteten Zwiebelringen. Damit auch Rosamunde seiner Freude am Faschierten teilhaftig werden konnte, nahm er sich vor, mageres Rindfleisch und fetteres Schweinefleisch zu gleichen Teilen, aber getrennt, faschieren zu lassen. Rosamunde würde ihren Anteil vom mageren Rindfleisch bekommen, ihrer Figur wegen, und er würde dann für sich das Faschierte mischen, dessen Geschmack letztlich von einem ausreichenden Fettanteil entscheidend abhing. Zum Faschierten würde er einen grünen Salat machen, der durch Beigabe einer ausreichenden Portion Rucola eine leicht bittere Note bekommen würde.

      Als Rumpler mit seinen Einkäufen nach Hause kam, kam ihm Rosamunde entgegen. Ähnlich wie die englische Königin, die durch die Position ihrer Handtasche ihrer Entourage jeweils signalisierte, ob sie amused oder not amused sei, verstand es Rosamunde, wenn es ihr denn beliebte, ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit durch ihre Körpersprache auszudrücken. Faschiertes Rindfleisch hatte es lange nicht gegeben, Rosamunde war sichtbar amused. Um das Faschierte für sie noch besser verträglich zu machen, briet Rumpler ihre Portion in einer beschichteten Pfanne leicht an und stellte dann ihren Napf nach einer sorgfältigen Temperaturkontrolle auf den Boden. Bis er seine zwei Fleischsorten überhaupt nur vermengt hatte, war ihre Mahlzeit bereits beendet und sie putzte sich den Bart.

      Rumpler genoss es, als Pensionist ausreichend Zeit für eine sorgfältige Zubereitung seines Essens zu haben. Erst als er in aller Ruhe gekocht und gegessen und einige überzählige faschierte Laibchen für die nächsten Tage als kalte Jause im Kühlschrank verstaut hatte, ging er mit einem kleinen Espresso als Stärkung ins Wohnzimmer, setzte sich in seinen Fauteuil und starrte ins Leere. Als er mit Genuss den ersten Schluck machte, sah er auf den von seiner Großmutter geerbten Jugendstilschrank, stellte die Tasse ab und öffnete die Schranktür. Sofort wurde er von seiner beruflichen Vergangenheit eingeholt. Eine ganze Reihe von Moleskine-Notizbüchern, fast alle mit fortlaufenden Nummern versehen, lagen vor ihm und jedes dieser Notizbücher erzählte seine eigene Geschichte, häufig von Dummheit, viel seltener von großer Intelligenz, öfters von seltsamen Zufällen und immer von Mord. Zwei oder drei leere Bücher waren auch noch da und eines davon nahm Rumpler zur Hand, schlug es auf und schrieb als eine Art Leitmotiv das Wort Augustin hinein. So genau Rumpler dieses Ritual des Büchereröffnens auch kannte, war er doch jedes Mal, wenn er ein neues Notizbuch aufschlug, in einer zwar nicht aufgeregten, aber doch sehr aufmerksamen, beinahe hellsichtigen Verfassung, wohl weil er wusste, dass er jetzt einen Schritt gesetzt hatte, dem ein ganzer Weg folgen musste, mit aller Konsequenz, bis zum Ende.

      Während er so dasaß, die großen Hände mit den langen, kräftigen Fingern auf dem Buch, kam Rosamunde und strich ihm um die Beine. Er machte ihr zunächst eine kleine Kopfmassage und strich ihr dann sanft über den Rücken.

      „Es geht wieder los, Alte.“

      Sie sprang mit überraschender Gelenkigkeit auf einen Sessel und von dort auf ihren traditionellen Liegeplatz, den ihr Rumpler auf dem Fensterbrett zwischen seinen prächtigen Orchideen freigelassen hatte, und schenkte ihm einen undurchdringlichen Blick.

      *

      3.

      Für den nächsten Tag, einen Samstag, erwartete Rumpler Besuch. Einer seiner Waldviertler Verwandten hatte sich angesagt, ein entfernter Großcousin. Er würde nach Wien kommen, um seinem etwa sechs oder sieben Jahre alten Buben Schönbrunn zu zeigen. Rumpler hatte vorgeschlagen, gemeinsam den Tiergarten zu besuchen, und er hatte die beiden anschließend zu einer Jause in seine Wohnung eingeladen.

      Als sie einander wie vereinbart am Samstag um elf Uhr im Kassenbereich des Tiergartens trafen, bereute Rumpler seine Einladung sofort wieder, so unruhig und quengelig war der Bub, der auf den nicht sehr waldviertlerischen Namen Kevin getauft war. Im Tiergarten klopfte Kevin trotz der gut sichtbaren Verbotshinweise im Aquarien- und auch im Terrarienhaus heftig gegen die Scheiben, wobei er die halbherzig vorgebrachten Ermahnungen seines Vaters komplett ignorierte und wütend wurde, dass er die Affen wegen des allgemeinen Fütterungsverbots nicht füttern durfte. Vom Tiger war er enttäuscht, weil er nicht brüllte.

      Rumplers ganze Hoffnung richtete sich darauf, dass der Tiergartenbesuch den Buben ermüden und damit erträglicher machen würde, was sich aber als Trugschluss erwies. Kaum waren sie in Rumplers Wohnung eingelangt, als der Bub auch schon von seinem Vater eine neue Beschäftigung verlangte.

      Dieser blickte Rumpler etwas hilflos an und meinte: „Er is ja so gscheit, der Kevin.“

      Rosamunde, die die Kunst des spurlosen Verschwindens beherrschte, hatte die Lage sofort richtig eingeschätzt und gab eine Probe ihres Könnens. Rumpler beneidete sie glühend. Schließlich brachte er ohne viel Hoffnung einen Zeichenblock und einen schwarzen Filzstift zum Vorschein, Buntstifte hatte er leider nicht vorrätig, und er schlug Kevin vor, eine Zeichnung zu machen, was dieser zu seinem Erstaunen anstandslos akzeptierte. Das gab Rumpler die Gelegenheit, sich in die Küche zurückzuziehen und die versprochene Jause zu richten.

      Als er schließlich einige Brötchen und einen Marmorgugelhupf ins Wohnzimmer brachte, war es mit Kevins Ruhe plötzlich vorbei. Der Bub schrie auf wie am Spieß: „Jetzt is die Zeichnung hin. Hin, hin, hin. Dein blödes Handy is schuld.“

      Tatsächlich hatte sein Vater sein Mobiltelefon neben ihm abgelegt, es hatte plötzlich geläutet, Kevin war deshalb zusammengezuckt und hatte die Zeichnung ruiniert. Sein Vater bemühte sich, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, was aber nichts half, sondern Kevins Wut nur noch steigerte.

      „Der blöde Stift is mir ausgrutscht wegen dem Handy. Der Strich da vorm Haus gehört weg.“

      Rumpler warf einen vorsichtigen Blick auf das Blatt und sah ein typisches Kinderzeichnungs-Haus mit einem Tor in der Mitte, zwei Fenstern links und rechts davon und einem steilen Giebeldach, aus dessen Rauchfang korkenzieherartig gewundener Rauch aufstieg. Direkt vor dem Haus war ein kräftiger, annähernd senkrechter Strich, der dort ganz offensichtlich nicht hingehörte.

      „Das ham wir gleich“, sagte der Vater plötzlich mit unerwarteter Zuversicht, „wir machen einfach einen Zaun draus.“

      Während ihn Kevin ungläubig anstarrte, hatte der Vater neben den missratenen Strich eine ganze Reihe paralleler Striche gesetzt, die mit etwas Fantasie tatsächlich als Zaunlatten durchgehen konnten. Während Rumpler noch mit einem neuerlichen Wutausbruch Kevins rechnete, sagte er anerkennend: „Das mit dem Zaun habts ihr aber ganz toll hingekriegt.“

      Kevin legte seinen Kopf schief, sah Rumpler für kurze Zeit prüfend an und sagte dann für diesen völlig überraschend: „Ich schenk dir die Zeichnung.“

      Rumpler atmete auf, bedankte sich höflich und holte rasch, um das Geschenk entsprechend zu würdigen, einen alten СКАЧАТЬ