Schutzpatrone. Rudolf Trink
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Название: Schutzpatrone

Автор: Rudolf Trink

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783960743026

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СКАЧАТЬ wieder einmal erfolgreich gegen das Böse hat kämpfen lassen.“

      „Und wie war das bei dir?“

      Sie schwieg kurz, bevor sie antwortete. „Ich hab begonnen, zu hinken.“

      Rumpler blickte überrascht auf.

      „Ich erzähl dir, wie das gekommen ist. Beim Gehen konnte mir mein Vater ja nicht die Hand geben, als ich noch klein war und an der Hand gehen musste, und so konnte er nur einen Zeigefinger wegstrecken, an dem ich mich mit meinen Fingern festgehalten hab, während er mit den Krücken ging. Ich hatte schon immer ein sehr gutes Gefühl für Rhythmus und so hab ich auch schnell den Takt seines Gehens in mich aufgenommen. Wenn er sich beim Gehen mit dem Fuß abgestoßen und die Krücken am Boden aufgesetzt hat, ist eine Schwebephase gekommen, die etwas länger war, als der nächste Schritt mit dem Fuß am Boden. Damit mein Vater nicht merken sollte, dass er nicht gleichmäßig gehen kann, hab ich mich dann perfekt an sein Gehen angepasst, immer mit einem schnelleren und einem langsameren Schritt. Und so hab ich begonnen zu hinken. Das ist mir auch später geblieben, als ich nicht mehr an der Hand gehen musste. In der Schule haben sie mich deshalb verspottet und Hatscherte zu mir gesagt. Ich hab damals ja gar nicht bewusst gespürt, dass ich hink, so normal ist mir das vorgekommen. Jahre später hat sich dann etwas ereignet, das alles für mich geändert hat. In der Schule gab es anlässlich eines Jubiläums ein großes Fest, bei dem auch ein getanztes Märchen, und zwar Dornröschen, geplant war. Ich war damals zwölf oder dreizehn Jahre alt und wollte unbedingt mitmachen. Als ich mich für das Vortanzen gemeldet hab, das Voraussetzung für die Teilnahme war, hat ein Bub aus meiner Klasse geschrien: Die Hatscherte will tanzen. Und alle haben gebrüllt vor Lachen. Ich wäre damals am liebsten gestorben vor Scham. Die Lehrerin hat mich nur mitleidig angeschaut, aber gesagt hat sie nichts. Zu Hause hab ich darüber nicht gesprochen, weil ich meine Eltern nicht belasten wollte, aber zum Glück gab es eine Schwester meines Vaters, zu der ich immer kommen konnte, wenn ich was gebraucht hab. Sie hat erstaunlich schnell herausgefunden, warum ich gehinkt hab, und hat mir etwas klargemacht, für das ich ihr noch heute dankbar bin. Ich hatte das Hinken, wenn auch nicht bewusst, meinem Vater geschenkt, aber es war jetzt an der Zeit, ihm das Tanzen anstatt des Hinkens zu schenken. Ich hab sehr viel geweint an diesem Abend, vor Traurigkeit, aber noch viel mehr vor Erleichterung. Meine Tante ist dann auch mit mir zu einer Tanzlehrerin gefahren und hat mir Privatstunden bezahlt, obwohl sie nur eine kleine Pension hatte. Das Hinken ist von mir abgefallen, ohne jede Mühe, wie ein Blatt im Herbst, und ich hab das Tanzen für mich entdeckt. Meine Eltern hatten von all dem keine Ahnung. Meine Tante hat mich dann auch zum Vortanzen begleitet. Ich war als Letzte dran. Für die anderen war die Entscheidung schon längst gefallen. Ich kann mich noch gut an das boshafte Getuschel erinnern, als ich auf die kleine Bühne gekommen bin. Dann hat die Musik eingesetzt und ich hab getanzt, aber schon nach kurzer Zeit ist die Musik wieder gestoppt worden. Erst hab ich gedacht, sie schicken mich gleich wieder weg, aber dann hab ich geweint vor Glück, als ich erfahren hab, dass ich die wichtigste Rolle, das Dornröschen, tanzen darf. Als dann der Abend der Vorführung da war, hat es meine Tante so eingerichtet, dass sie mit meinen Eltern bei den Zuschauern war und hat ihnen eingeredet, ich könnt nicht bei ihnen sein, weil ich beim Buffet aushelfen müsse. Dann ist der Vorhang aufgegangen, sie haben mich gesehen und ich hab gespürt, wie sie den Atem angehalten haben. An diesem Abend hab ich buchstäblich um mein Leben getanzt, auch um mein künftiges Leben. Am Ende der Vorstellung war es im Zuschauerraum für kurze Zeit totenstill, dann hat das Publikum getobt vor Begeisterung. Ich hab Standing Ovations bekommen. Ich glaub, ich hab meinen Vater noch nie so froh und so stolz gesehen wie an diesem Abend.“

      Rumpler schwieg, bewegt von der Geschichte, die sie ihm anvertraut hatte, und auch dankbar dafür, dass es diese Tante in Almas Leben gegeben hatte. „Eigentlich braucht jedes Kind einen solchen Menschen“, dachte er, „jemanden, der mit Mut und Klugheit eingriff, wenn etwas im kindlichen Leben zu entgleisen drohte.“

      Alma stand auf, ging die paar Schritte zu ihrem erhöhten Liegeplatz, der durch dicke Teppiche und farbige Kissen besonders einladend wirkte, und streckte ihm die Hände entgegen. „Komm her zu mir, Lieber, ein bissl sumpern.“

      Er folgte ihr, nahm sie in die Arme, sie ruhten aneinandergeschmiegt und schon nach kurzer Zeit hatte sich ihr Atem in einem gemeinsamen Rhythmus zusammengefunden. Im Halbschlaf sah er sie dann wie in ihrer Erzählung als Kind vor sich, eine Prinzessin, die sich dem Tanzen völlig hingab und damit die Welt beschenkte.

      *

      8.

      Für das nächste Treffen mit Rudi Schätter bereitete sich Rumpler sorgfältig vor. Dazu gehörte natürlich der Erwerb von zwei Packungen Manner Schnitten mit Zitronencremefüllung, eine davon in Reserve, falls Rudi Schätter vielleicht einen entsprechenden Heißhunger entwickeln sollte. Der schwierigere Teil der Vorbereitung spielte sich auf Rumplers Laptop und seinem Drucker ab. Er lud zahlreiche Fotos von den Gesichtern junger, hübscher Frauen herunter, veränderte alle auf ein einheitliches Format, stellte jeweils acht dieser Fotos auf einer A4-Seite zusammen und druckte sie aus. Zwei der Fotos zeigten Anita Tolser, die verschwundene junge Frau, von der er mehrere Fotos in dem kopierten Aktenkonvolut gefunden hatte, das ihm Moser zur Verfügung gestellt hatte.

      Es dauerte mehrere Stunden, bis Rumpler mit dem Ergebnis seiner Arbeit wirklich zufrieden war, weil es ihm wichtig war, dass die anderen jungen Frauen auf den Bildern eine gewisse Ähnlichkeit mit Anita Tolser aufwiesen, ihr aber wiederum nicht allzu ähnlich waren. Zuletzt lagen vor ihm insgesamt fünf Blätter mit jeweils acht Frauenporträts, wobei auf zwei der Blätter Anita Tolser abgebildet war. Rumpler steckte die fertigen Blätter in ein großes Kuvert und bückte sich, um die vielen am Boden unter seinem Sessel liegenden Papierschnipsel einzusammeln, musste sein Vorhaben jedoch gleich wieder aufgeben, weil er feststellte, dass Rosamunde es sich auf den Papierabschnitten gemütlich gemacht hatte. Sie lag dort in einer unerschütterlichen Ruhe, die ihn gleichermaßen beeindruckte und rührte.

      Als er allerdings bald darauf in die Küche ging, war Rosamundes kontemplative Phase blitzartig beendet und sie beeilte sich, ebenfalls rechtzeitig dort zu sein, um ihre Ansprüche auf Futter anzumelden. Nachdem er ihren Napf gefüllt hatte, hatte er es eilig, wieder ins Wohnzimmer zu kommen, um die Papierreste rechtzeitig vor Rosamundes Wiederkehr in den großen Papiersack, in dem er sein Altpapier sammelte, zu entsorgen.

      Am nächsten Morgen ging Rumpler wie gewohnt zum Frühstücken ins Café Sperl. Er funkte der Kellnerin, Frau Maria, seine „wie üblich“-Bestellung, die eine Melange und zwei Buttersemmeln umfasste. Als Lektüre hatte er sich die Moserschen Aktenkopien mitgenommen, um sie noch ein weiteres Mal zu lesen. Frau Maria brachte sein gewünschtes Frühstück und warf dabei einen ganz kurzen, prüfenden Blick auf seine Unterlagen.

      „Passens gut auf sich auf, Herr Kommissar.“

      Er blickte überrascht auf, sah, dass sie seinen Lesestoff intuitiv richtig zugeordnet hatte, und lächelte. „Mach ich, Frau Maria.“

      „Dann is es ja gut“, meinte sie nur, bevor sie sich wieder anderen Gästen zuwandte.

      Er sah ihr nach, einer kleinen, drahtigen Person von knapp fünfzig Jahren mit einem energischen Gang. Was Rumpler ganz besonders an ihr schätzte, war ihre völlig unaufdringliche und trotzdem sehr wirksame Aufmerksamkeit, eine Eigenschaft, die heutzutage immer seltener und damit auch wertvoller wurde. Frau Maria erkannte sofort, wenn ein Gast etwas brauchte.

      Rumpler machte genussvoll den ersten Schluck von seiner Melange, nachdem er, seiner Gewohnheit entsprechend, vorher an seinem Kaffee mit Genuss gerochen hatte, und vertiefte sich dann zum zweiten Mal in die Unterlagen. Er las sehr sorgfältig die Beschreibung von Anita Tolser, las über ihre Lebensumstände, zu denen auch ihre weitgehende Entfremdung von ihrer Familie gehörte, was erklären mochte, dass ihr СКАЧАТЬ