Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Mau sah Mietwagen, Kutschen, Geschäftswagen, Fuhrwerke ohne Zahl, eine Postkutsche, einen Straßensäuberungswagen mit der Aufschrift »Gemeindebezirk St. Pancras«, einen riesigen Bauholzwagen mit roh aussehenden Gesellen beladen. Der Geschäftskarren einer Brauerei rasselte vorüber; seine beiden Räder waren mit frischem Blut bespritzt.
»Aus dem Weg!«, riefen die Stimmen. »Aus dem Weg!«
»Ewig—keit! Ewig—keit!«, hallte es von der Straße wieder.
Traurige, abgemagerte Frauen schleppten sich weiter, gut gekleidet, mit Kindern, die weinten und immer stolperten; ihre zarten Kleider erstickten in Staub und ihre müden Gesichter waren von Tränen entstellt. Viele von ihnen waren von teils hilfreichen, teils mürrischen und rohen Männern begleitet. Seite an Seite mit ihnen drängte sich mit roher Gewalt ein Haufen Londoner Straßenauswurfs vorwärts, in schwarze Lumpen gekleidet, mit lauter Stimme unflätige Reden im Munde führend. Dann sah man stämmige Arbeiter, die kraftvoll vorwärtsdrängten, elend aussehende, ungekämmte Burschen, offenbar Ladenschwengel oder Tagschreiber, nach ihrer Kleidung zu schließen, die gelegentliche Raufereien veranstalteten; mein Bruder bemerkte noch einen verwundeten Soldaten, ferner Leute, die wie die Gepäckträger der Bahnhöfe gekleidet waren, und ein trostlos aussehendes Geschöpf in einem Nachthemd, über das ein Rock geworfen war.
Aber so verschieden auch ihre Zusammensetzung war, gewisse Züge hatte diese Menge gemein. Angst und Schmerz brüteten auf den Gesichtern, und Angst hinter ihnen. Ein Lärm auf der Straße, ein Streit um einen Wagenplatz, waren genügend, um diese ganze Schar zur Beschleunigung ihrer Schritte anzuspornen; selbst ein Mann, der so elend und gebrochen war, dass seine Knie unter ihm wankten, wurde für einen Augenblick zu erneuter Tätigkeit aufgestachelt. Hitze und Durst hatten bei dieser Menge schon ihr Werk getan. Die Haut war trocken, die Lippen waren schwarz und aufgesprungen. Alle waren sie durstig und ermattet; ihre Füße wund. Und unter den verschiedenartigen Schreien hörte man Gezänk, Vorwürfe und Gestöhne aus Ermattung und Schwäche. Die Stimmen der meisten waren schon heiser und schwach. Es war immer das alte Lied mit dem alten Kehrreim:
»Platz! Platz! Die Marsleute kommen!«
Nur wenige rasteten aus oder trennten sich von der Flut. Der Feldweg mündete ziemlich abschüssig in einer engen Öffnung in die Hauptstraße und machte den trügerischen Eindruck, als käme er aus Richtung London. Dennoch drängte ein geringer Bruchteil der Leute in die Mündung hinein; Schwächlinge pufften sich mit den Ellbogen aus dem Strome heraus; doch ruhten sie zum größten Teil nur einen Augenblick aus, um wieder in ihn einzutauchen. Ein wenig abseits vom Feldweg lag von zwei Freunden betraut ein Mann; eines seiner Beine war bloß, mit ein paar blutigen Lumpen umwickelt. Er war glücklich genug, Freunde zu besitzen.
Ein altes Männchen mit einem kriegerisch aussehenden Schnurrbart, mit einem fadenscheinigen, schwarzen Gehrock bekleidet, hinkte aus dem Haufen, zog seine Stiefel aus — seine Socken waren mit Blut befleckt — schüttelte einen Kieselstein heraus und humpelte weiter. Ein kleines Mädchen von acht oder neun Jahren, ganz allein, warf sich neben die Hecke dicht neben meinen Bruder und weinte bitterlich.
»Ich kann nicht weiter! Ich kann nicht weiter!«
Mein Bruder erwachte aus der Erstarrung seines Staunens; er hob sie auf, sprach ein paar freundliche Worte zu ihr und trug sie zu Fräulein Elphinstone. Sobald mein Bruder sie berührte, wurde sie ganz still, wie erschreckt.
»Ellen!«, schrie eine Frau im Haufen, mit Tränen in der Stimme. »Ellen!« Und das Kind machte sich von meinem Bruder los und schoss, nach ihrer Mutter rufend, davon.
»Sie kommen«, sagte ein Mann zu Pferd, der den Feldweg entlang ritt.
»Aus dem Weg da!«, brüllte ein Kutscher und richtete sich hoch auf; und mein Bruder sah einen geschlossenen Wagen in den Feldweg hereinfahren.
Die Leute drängten, einer den anderen pressend, zurück, um dem Pferd auszuweichen. Mein Bruder schob das Pony und den Wagen an die Hecke zurück, und der Mann fuhr vorbei, um an der Wegbiegung zu halten. Es war eine Kutsche, mit einer Deichsel für zwei Pferde, aber nur eines war in den Strängen.
Mein Bruder sah undeutlich durch den Staub hindurch, wie zwei Männer einen Gegenstand auf einer weißen Tragbahre heraushoben und ihn behutsam auf das Gras zwischen die Ligusterhecken legten.
Einer der Männer eilte auf meinen Bruder zu.
»Wo bekommt man hier etwas Wasser?«, fragte er. »Er geht rasch seinem Ende entgegen und leidet heftigen Durst. Es ist Lord Garrick.«
»Lord Garrick!«, rief mein Bruder, »Der Präsident des obersten Gerichtes?«
»Das Wasser!«, rief der andere.
»Vielleicht finden Sie in einem dieser Häuser eine Wasserleitung«, sagte mein Bruder. »Wir haben kein Wasser. Und ich darf meine Begleiterinnen nicht verlassen.«
Der Mann drängte sich durch die Menge gegen das Tor des Eckhauses zu.
»Vorwärts!«, riefen die Leute, ihn zur Seite schiebend. »Sie kommen! Vorwärts!«
Jetzt wurde die Aufmerksamkeit meines Bruders durch einen bärtigen Mann mit einem adlerartigen Gesicht abgelenkt, der eine kleine Handtasche trug, die gerade platzte, als meines Bruders Augen auf sie fielen, und eine Masse Sovereignstücke2 entleerte, die in einzelne Münzen zu zerfallen schien, als sie den Boden berührten. Sie rollten hierhin und dorthin unter die vorwärtsdrängenden Füße von Menschen und Pferden. Der Mann blieb stehen und stierte stumpfsinnig auf den Goldhaufen; die Deichsel eines Mietwagens traf seine Schulter und warf ihn nieder. Er stieß einen Schrei aus und kroch zur Seite; das Rad eines Karrens ging hart an ihm vorbei!
»Platz da!«, rief die Menge um ihm herum. »Macht СКАЧАТЬ