Aufgang. Jahrbuch für Denken, Dichten, Kunst. Heinrich Beck, Barbara Bräutigam, Christian Dries, Silja Graupe, Anna Grear, Klaus Haack, Rüdiger Haas, Micha
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СКАЧАТЬ den Kunden davon dauerhaft zu überzeugen, nirgendwo billiger einkaufen zu können als bei ALDI. Werde dieses Ziel erreicht, nehme der Kunde alles dafür in Kauf.

      Weil die aus der notwendigen Sparsamkeit entstandene Vermeidung von Verschwendung konsequent eingehalten wurde, avancierte ALDI 1980 zum erfolgreichsten Lebensmittel-Einzelhändler aller Zeiten. Bis in die Neunzigerjahre hat sich am Konzept des Unternehmens nichts geändert. Die landläufige Meinung vieler Analysten war, ALDI müsse sein Sortiment irgendwann ausdehnen und andere, bisher nicht praktizierte Prinzipien aufnehmen, um weiteres Wachstum erzeugen und so dem Wettbewerbsdruck standhalten zu können. Aber ALDI verfolgte die eigene Politik, die eigenen Grundsätze konsequent weiter. Die Artikelzahl wurde im Wesentlichen nicht erhöht, obwohl nach Erreichen einer bestimmten Umsatzgröße auch Non-Food-Aktionsartikel und Obst- und Gemüseartikel in das Sortiment aufgenommen wurden. Der Erfolg des Unternehmens ist nach wie vor ungebrochen.

      1. Das ALDI-Konzept

      Auf der Grundlage dieser Prinzipien galten bei Aldi weitere Strukturen, wie das der Geheimhaltung und der konsequenten Dezentralisation. Mit der klugen Politik der Konstruktion einer Familienstiftung verhinderte man zudem die Zerlegung des Unternehmens durch gerichtliche Auseinandersetzungen.

      2. Der ALDI-Unternehmens-Geist

      Wichtig sei hier das Vorbild und Beispiel von Inhaber und Führungskräften, die solche Regeln bei Besprechungen immer wieder thematisierten. Es komme darauf an, dass der Appell an solche Regeln nicht nur mechanisch und unmotiviert geschehe, sondern mit Leidenschaft erfolge. Sei die Unternehmenskultur in sich stimmig, dann sei sie auch effizient; ein aufwendiges Koordinations- und Kontrollsystem könne entfallen. Die dezentrale Führung, die kurz und präzise formulierten Stellenbeschreibungen und das ausgeklügelte Kontrollsystem in Form von Stichproben trügen zur Qualitätssicherung bei. Innerhalb des Kontrollsystems spiele die „Kulturkontrolle“ eine wichtige Rolle. Hier werde geprüft, ob Vorgesetzte Werte wie Glaubwürdigkeit und Übereinstimmung von Reden und Handeln an ihre Mitarbeiter weitergäben. Handeln heiße bei ALDI immer auch Beispiel sein.

      Ein weiteres Grundprinzip ist das der Sparsamkeit. Extremes Kostenbewusstsein vermeidet unnötige Ausgaben auf allen Ebenen. Dies wird z.B. bei der Verwendung der Rückseite von bereits beschriebenem Papier umgesetzt, beim Ausschalten des Lichts, wenn ein Raum genügend hell ist, bei der Optimierung der Lux-Zahlen in den Läden oder bei der Verwendung optimaler Kartongrößen (Efficient Consumer response). Theo Albrechts Büro war einfach ausgestattet. Er fuhr bis zu seiner Entführung 1971 keine Luxuslimousine und hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch keinen Fahrer.

      Bescheidenheit und Sparsamkeit bedingen den freiwilligen Verzicht auf Luxus und Statussymbole, aber auch ein damit verbundenes menschliches Auftreten, das wiederum sparsame und bescheidene Führungskräfte rekrutiert, die diese Werte weitertragen. Deshalb wird von ihnen eine bestimmte Selbstdisziplin erwartet, die für die Umsetzung der Prinzipien Sparsamkeit, Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit und Fairness gegenüber anderen erfordern. Weil es nicht leicht ist, eine solche Lebensweise zu praktizieren, müsse der Führungsnachwuchs aus den eigenen Reihen kommen. Er werde beobachtet und müsse sich über mehrere Jahre hinweg in diesen Tugenden durch verschiedene Abteilungen hindurch beweisen. Ein zum Geschäftsführer Berufener müsse zunächst Filialleiter, dann Lagerleiter, Verkaufsleiter und Bezirksleiter gewesen sein, bevor er seine Verantwortung als Geschäftsführer oder gar Verwaltungsrat wahrnehmen könne. Schon bei der Einstellung werde also darauf geachtet, ob die Persönlichkeit eines Mitarbeiters entsprechende kulturelle Werte verkörpere, denn diese seien wichtiger als ein Harvard-Diplom oder einschlägige Erfahrungen bei McKinsey. Mitarbeiter werden also primär nach diesen kulturellen Persönlichkeitskriterien ausgewählt und eingestellt, erst in zweiter Linie nach ihrer Qualifikation.