Aufgang. Jahrbuch für Denken, Dichten, Kunst. Heinrich Beck, Barbara Bräutigam, Christian Dries, Silja Graupe, Anna Grear, Klaus Haack, Rüdiger Haas, Micha
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СКАЧАТЬ Sie waren also immer offen für Veränderungen in Ihrem Leben?

      Lanzl: Ja. Das Grundlegende nimmt man natürlich immer mit. Wie führe ich Leute? Wie gehe ich mit Menschen um? Wie strukturiere ich meine Arbeit? Wichtig ist auch Verständnis für Technik und Physik.

      Aufgang: Offenheit ist ein Aspekt dafür, sich verändern zu können. Viele Menschen haben Angst vor Veränderung. Hängen Offenheit und Angst indirekt zusammen? Kennen Sie Lebensangst?

      Lanzl: Nein. Ich kann mich auch nicht erinnern, in der Kindheit Angst gehabt zu haben. Vielleicht waren hier Verhaltensweisen meiner Eltern maßgebend, die uns Kindern gesagt haben: Probiert doch etwas aus! Dieses Experimentieren-Dürfen wurde vom Elternhaus gefördert.

      Aufgang: Und es scheint ein wichtiger Faktor für ein gesundes menschliches Wachstum zu sein.

      Lanzl: Dazu kommt die Erlaubnis, auch Fehler machen zu dürfen.

      Aufgang: So kommen Sie in der Führungsposition dahin zu sagen, ich kann mir Fehler eingestehen und korrigieren.

      Lanzl: Wenn ich den Anspruch hätte, nie Fehler machen zu dürfen, wäre ich blockiert und damit handlungsunfähig. Mittlerweile hat sich in vielen Management-Schulen diese Haltung durchgesetzt: Verschleiere die Fehler nicht! Fehler zu verschleiern kostet sehr viel Geld. Fehler zu machen ist menschlich.

      Aufgang: Sie haben noch einmal die Firma gewechselt und arbeiten als Global Marketing Direktorin wieder in München. Welche Aufgabe haben Sie jetzt?

      Lanzl: Ich bin bei einem amerikanischen Unternehmen für das weltweite Marketing einer Division verantwortlich. Diese Division hat ihren Hauptsitz in Deutschland und stellt Komponenten her, die in der Labor-, Medizin- und Umwelttechnik eingesetzt werden.

      Aufgang: Sie müssen eine Gruppe von Menschen führen. Wie viele Leute sind das?

      Lanzl: Das sind im Moment fünfzehn, vier davon in USA, zwei in China, der Rest ist hier in München.

      Aufgang: Dann fliegen Sie öfters nach USA und China?

      Lanzl: Gott sei Dank ersparen Internet-Konferenzen heute viele der anstrengenden Flüge. Man muss sich natürlich auch persönlich treffen, damit man adäquat führen kann. Der menschliche Aspekt ist sehr wichtig.

      Aufgang: Was würden Sie jetzt angesichts Ihrer langen beruflichen Erfahrung zum Thema Wachstum sagen? Was bedeutet für Sie ein gutes persönliches Wachstum?

      Lanzl: Ich glaube, es ist wichtig, sich immer persönlich und fachlich zur eigenen Zufriedenheit hin zu entwickeln.

      Aufgang: Eine sehr philosophische Antwort. Und was gehört für Sie zu einem guten ökonomischen Wachstum? Kann man es unabhängig vom Faktor Mensch sehen oder muss der Mensch in Analyse und Reflexion immer mit einbezogen werden?

      Lanzl: Das ökonomische Wachstum hat nur dann Bestand, wenn der Mensch einbezogen wird. Es kann zwar kurzfristig auch einmal unabhängig vom Menschen wachsen, aber daraus ergeben sich für mich die sogenannten „bubbles“. Irgendwann bricht eine vom Menschen unabhängige Wachstumsentwicklung ein. Wachstum wird vom Menschen erzeugt. In der Thermodynamik habe ich physikalische Grundregeln kennengelernt, die nach meiner Meinung weit über die Physik hinaus gelten. Eine davon ist: Jedes System strebt zum Gleichgewicht. Wenn ich ein System habe, das ein tolles ökonomisches Wachstum zeigt, aber die Menschen nicht mitnimmt, dann befindet sich das System im Ungleichgewicht. Dieser Zustand ist instabil und wird sich früher oder später ändern. Im schlimmsten Fall mit Gewalt. Eine weitere Regel aus der Thermodynamik lautet: Wenn man Wachstumsfortschritt möchte, muss man Energie in das entsprechende System stecken.

      Aufgang: Frau Lanzl, ich bedanke mich für dieses wunderbare, aus meiner Sicht sehr philosophische Gespräch.

      I. Hauptthema: Facetten des Wachstums

      Rüdiger Haas

      ALDI und das Phänomen des Unpersönlichen

      Eine Betrachtung über die Wurzeln des Wachstums

      Eine der wenigen öffentlichen Beschreibungen des ALDI-Systems stammt aus einem Vortrag von 1953. Karl Albrecht betont darin die zwei wichtigsten Grundsätze des Unternehmens: das kleine Warensortiment und der niedrige Verkaufspreis. Auch mit einem kleinen Sortiment sei ein gutes Geschäft zu machen, weil damit die Unkosten des Betriebs sehr niedrig gehalten werden können. Bei der Kalkulation interessiere nur, wie billig eine Ware verkauft werden kann. Die Intention eines möglichst hohen Verkaufspreises wäre ökonomisch falsch und sei deswegen kein Management-Ziel. Beide Grundsätze seien nicht voneinander zu trennen. Eine Umsatzsteigerung ergebe sich dann, wenn die Werbung stark eingeschränkt ist und die Grundsätze strikt eingehalten werden. Theken und Regale sind einfach konstruiert, auf Dekorationen wird verzichtet. Das Warensortiment umfasste in der Anfangszeit 250 bis 280 Artikel und wurde bei ständiger Kontrolle bewusst klein gehalten. Es werden keine Parallelartikel geführt und bestimmte Waren überhaupt nicht verkauft. Der Grund dafür liege im Ziel einer wachsenden Umsatz- und Verkaufsgeschwindigkeit. Das Verkaufsprogramm soll nur umschlagsfähige Konsumartikel führen. In der Anfangszeit wurde auf eine Vorverpackung generell verzichtet, weil diese oft wesentlich teurer war als die gesamten Personalkosten, was sich wiederum auf die Waren ausgewirkt hätte. Es wurde immer nur der СКАЧАТЬ