Schweizer Tobak. Albert T. Fischer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schweizer Tobak - Albert T. Fischer страница 3

Название: Schweizer Tobak

Автор: Albert T. Fischer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783907301005

isbn:

СКАЧАТЬ später wurde es für ihn zum Ersatz für etwas, das er zu seinem Leidwesen letztlich nie als Heimat erfahren konnte.

      In seinen Texten, die er später in seinem Leben schrieb, liess er den Namen dann und wann wieder aufleben. Aus ihnen ist dieses Buch entstanden.

       Kreuzach

      Kreuzach hatte keine industrielle Vergangenheit. Wohl möglich, dass einst in mancher Stube ein Webstuhl stand oder Garn gesponnen wurde. Vielleicht kamen Agenten ins Dorf, um die Arbeiten abzuholen und Material und neue Aufträge zu bringen, doch mehr war da nicht. Die verschlafene Bauernecke lag zudem abseits der grossen Landstrasse. So ist es erstaunlich, dass es in dieser ländlichen Idylle katholisch-konservativer Traditionen, jenseits von Bach und Grenze reformierter Aufgeschlossenheit, überhaupt zur Gründung einer Firma kam.

      Das gelang vermutlich durch den unscheinbaren Anfang und die gescheite Bescheidenheit des immerhin reformierten Gründers Louis Brand und seiner für die damalige Zeit erstaunlich aufgeschlossenen und schaffensfreudigen Frau Jeanne. Selbst Jahre nach diesem Anfang konnte niemand ahnen, dass hier ein Kleinstbetrieb zu einem weltweit aktiven Unternehmen wachsen könnte. Louis Brand schuf dazu die Basis. Die Produktion begann in seinem Wohnhaus und ausgebaut wurde nur mit verdientem Geld, aber dann konsequent und weitsichtig. Die Leute im Dorf konnten sich daran gewöhnen und erkannten auch sehr schnell handfeste Vorteile.

      Bis weit ins 20. Jahrhundert waren die wenigen Häuser mit ihren um 300 Einwohnern, viele davon Kleinbauern, die sich um eine alte Kirche scharten, als dörfliche Einheit klar erkennbar. Weitere Güter und Gütchen verteilten sich auf dem ziemlich ausgedehnten Gebiet der Gemeinde mit ihren Flurnamen wie Dürrbühl, Bachrain, Bärenzopf und so weiter. Jeder kannte jeden und nichts geschah, das nicht sofort von allen registriert, bewertet, kommentiert und angenommen, hin und wieder begrüsst, abgelehnt oder gar mit bösen Worten geschmäht wurde. In der vorindustriellen Vergangenheit hatten die Erbteilungen unter Geschwistern die Güter ständig mehr zersplittert und das einst vermutlich prosperierende Bauerndorf in eine Siedlung mehr oder weniger ärmlicher und weit zerstreuter Klein- und Kleinstgüter verwandelt.

      Für die Leute war vor allem Bargeld ein sehr rares Gut. Der eigentliche Nutzen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft lag in der Selbstversorgung mit Milch, Kartoffeln, Gemüse und Obst. Wollten sich die oft kinderreichen Familien damit durch den Winter füttern, blieb kaum etwas, das sich verkaufen liess und für Marktfahrten war die Stadt ohnehin zu weit entfernt. Für manche reichten die einzelnen kleinen Wiesen kaum zur Haltung einer Kuh. Viele besassen lediglich eine, zwei oder gar drei Ziegen.

      Zwar waren sich auch die ärmsten Bauern zu gut, um selbst in einer Fabrik zu arbeiten, hingegen muteten sie solches ohne weiteres ihren Frauen, Töchtern und ihren für die Landwirtschaft überzähligen Söhnen zu, für herzlich wenig, aber immerhin bares Geld bei trübem Licht und in schlechter Luft von sechs Uhr frühs bis sieben Uhr abends den Rücken über Tabakblättern und Zigarrenwickeln zu krümmen.

      Viele der Arbeitenden kamen aus den Nachbardörfern und Kreuzach blieb einstweilen ein Dorf kinderreicher, im Übrigen mehrheitlich ärmlicher Bauernfamilien. Ein Hof mit zehn Kühen, ein paar Säuen und einem Pferd galt bereits als ansehnlicher Betrieb, davon gab es drei oder vier. Die übrigen fast zwei Dutzend Klein- und Kleinstbauern begannen immer häufiger, ihre Kinder so früh wie möglich mit Heimarbeit zu beschäftigen und nach den Schuljahren in die Fabrik zu schicken.

      Was der zugewanderte Louis Brand mit seiner Frau und wenigen Arbeiterinnen in seinem Wohnhaus begann, wurde innert weniger Jahre zu einer ansehnlichen Fabrik mit bald vielen Dutzend Mitarbeitenden, vorwiegend Frauen und deutlich weniger Männern.

      Louis Brand allerdings erlebte den Aufschwung seines Unternehmens nur zu einem geringen Teil. Er starb in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Seine Frau übernahm als eine der ersten geschäftsführenden Frauen des Landes die Leitung der Firma. Jeanne stammte angeblich aus einer Unternehmerfamilie der Seeweite, aufgewachsen in der Tradition der einst blühenden, seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert jedoch absteigenden Stroh- und Textilindustrie. Aus dieser Herkunft bezog sie offenbar ihre Energie und ihren unerschütterlichen Durchhaltewillen, und aus der Nähe zum dörflichen Geist und bäuerlicher Sparsamkeit ihre selbstverständliche Bescheidenheit gegenüber sich selbst und den Sinn für das unmittelbar Nötige.

      Es fehlten ihr zur Führung der Firma weder Wissen noch Können, am allerwenigsten der Wille. Sie hatte von Anfang an mitgearbeitet, beim Einkauf des Tabaks, der Behandlung der anspruchsvollen Deckblätter, dem Entfernen der Rippen, dem Drehen der Wickel und der eigentlichen Fertigung der Zigarren. Ihre Ausbildung reichte auch zur Betreuung der Kunden, dem Schreiben der Fakturen, dem Führen der Buchhaltung und der Entlohnung ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter.

      Louis und Jeanne Brand hatten zwei Söhne, Marcel und Hannes. Beim Tod von Louis waren die Buben erst zehn und zwölf Jahre alt. Ihnen übertrug Jeanne nach Schulschluss jede Art von Arbeit, zu denen sie sie für fähig hielt. Dazu gehörten nicht nur der Umgang mit Tabak, sondern auch Botengänge, das Aufräumen und Putzen von Arbeitsräumen, die Pflege der Werkzeuge und der noch wenigen einfachen Maschinen. Zigarrenmachen war noch für Jahrzehnte weitestgehend Handarbeit. In vielem unterschied sich der Alltag der beiden Buben kaum von dem von Hunderten von Kindern, die in ihren Familien Heimarbeit leisten mussten.

      Allerdings achtete die Mama sorgfältig darauf, die Kinder nicht zu überfordern oder gar in ihren schulischen Leistungen zu behindern. Beide schafften den Zugang zu Sekundarschule und zum erfolgreichem Studium.

      Die tüchtige Frau bewältigte ihre grössten Herausforderungen in der Zeit, in der Clara Wirth im Schmauchtal Inhalte und Fakten für ihre Doktorarbeit über die Heimarbeit in der Tabakindustrie zusammentrug. Die junge Frau war bei den Fabrikherren in der Gegend gewesen, und das waren, wenn man die Inhaber von Kleinstbetrieben dazu zählte, mehr als 100. Nicht ganz zu Unrecht fürchteten sie, durch diese Arbeit in ein schiefes Licht zu geraten.

      Im Gegensatz dazu hatte Mama Brand keine Berührungsängste. Die Doktorandin ging bei ihr ein und aus. Die Unternehmerin hatte nichts zu verbergen. Ihre Löhne liessen jeden Vergleich zu und die Arbeitsbedingungen entsprachen den Gesetzen. Sie bestritt nie, dass diese Härten enthielten, über die gelegentlich zu reden sein würde – «kommt Zeit, kommt Rat», sagte sie jeweils. Sie sah sich in ihren Ansprüchen bescheiden, arbeitete selbst von früh bis spät, hatte ihre Söhne in die gleiche Richtung erzogen und versuchte, ausserordentlicher Not dort zu begegnen, wo sie auftrat.

      Dass die Verhältnisse, in denen ein Grossteil der Arbeitnehmer leben musste, nichts anderes waren als alltägliche Not, konnte sie nicht auf sich selbst zurückführen. Ohne die Arbeit in den Fabriken würde alles bloss schlimmer sein, meinte sie und das sagte sie ohne Arroganz.

      Unermüdlich arbeitete sie für das Gedeihen ihres Unternehmens. Die wachsenden Exporte ins angrenzende Ausland und die vom deutschen Kaiser verhängten Schutzzölle führten zur Gründung einer Fabrik in Deutschland. Diese Aufgabe hatte sie einem aussergewöhnlich geschickten Verkäufer und unermüdlichen Schaffer, Sebastian Schaller, übertragen.

      Der kurz danach ausgebrochene Erste Weltkrieg stellte die Frau vor beinahe unlösbare Probleme. Der Import von Tabak wurde nahezu unmöglich und die Qualität der in der Schweiz kultivierten Sorten liess zu wünschen übrig. Zwar musste sie Einbussen in Kauf nehmen und den Betrieb in der Schweiz reduzieren, aber sie hielt durch und nach dem Krieg wurden ihre Zigarren zu einer der grossen Marken im Land.

      Nach Jahren der Ausbildung übergab sie die Leitung des Unternehmens nach und nach ihren Söhnen. Hannes stand der betrieblichen Arbeit näher und wurde verantwortlich für die Produktion, während der sprachlich begabte und weltgängigere Kaufmann Marcel Einkauf, Verkauf und Verwaltung der Firma führte. Es kam die Zeit, in der Marcel mit seiner Frau und dem kleinen СКАЧАТЬ