Schweizer Tobak. Albert T. Fischer
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Название: Schweizer Tobak

Автор: Albert T. Fischer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783907301005

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СКАЧАТЬ er schrie, gab ihm Stine von ihrem sogenannten Kräutersud. Allmählich wurde Emma etwas neugierig, womit die Grossmutter ihren Urenkel beruhigte. Sie nahm von Kräutern und dem Sud eine Probe und lief damit zum Apotheker. Der war entsetzt. Die Inhalte waren mehr als fragwürdig. Da sei Mohn dabei, der hier wachse, giftiges Zeug. Bestimmt wurde der Bub dadurch in seiner Entwicklung bereits behindert.

      Es kam zu einem ersten nachhaltigen Streit zwischen Stine und ihrer Enkelin. Melch sass mit in der Küche und sicherte so den Ausgang der Auseinandersetzung. Als alles raus war, nannte er Stine eine alte Hexe, eine Giftmischerin, früher hätte man solche verbrannt. Die Stine war entsetzt und bekreuzigte sich.

      Da nun Stine nach wie vor Woche für Woche mit dem Handwagen Tabakblätter holte, sie in der Stube allein ausrippte und Freitag für Freitag ablieferte, begann Emma aufzublühen. Im Sommer erwartete sie ihr zweites Kind, den Moritz. Und in den drei Jahren danach kamen noch zwei, Michael und der jüngste, Alois.

      Während diese drei ehelichen Söhne prächtig gediehen, blieb Lukas ein Kümmerling. Was ihn auszeichnete, war seine stets gute Laune und sein unstillbarer Appetit. Als ob er nachholen wollte, was er als Säugling versäumt hatte, ass er, was ihm in die Hände fiel. Emma musste schon bald alles wegschliessen, was in der Küche herumstand. Er machte sich selbst hinter die für die Schweine gedämpften Kartoffeln oder hinter den Krug mit dem Sauerrahm her.

      Mit sieben ging Lukas zur Schule. Er war ein fetter kleiner Junge mit auffallend kleinem Kopf, kleinen Händen, kurzen Beinen und kleinen Füssen. Nach einer Woche schickte ihn der Dorflehrer nach Hause, er solle in einem Jahr wieder kommen.

      So blieb ihm ein weiteres Jahr, um die Hühner zu jagen, auf den Wiesen erfolglos Schmetterlingen nachzurennen und seiner Mutter kleine Sträusse zu pflücken.

      Emma hatte sich mit dem etwas dümmlichen Lukas, wie Melch ihn nannte, abgefunden. Sie liebe ihn, wie er halt sei, erklärte sie, wenn jemand es wissen wollte. Manchmal weinte sie bei so dummen Fragen.

      Es gab nur einen Ärger, den sie dem Jungen nie verzieh. Er blieb Bettnässer. Beinahe jede Nacht liess er sein Wasser fahren. Sie tauschte sich darüber mit allen möglichen Leuten aus und versuchte alle Ratschläge nacheinander umzusetzen. Nichts half.

      Als der Bub mit acht nochmals einen Einstieg in die Schule versuchte, behielt ihn der Lehrer zwar, aber der Pfarrer fand, Lukas würde nie richtig beichten lernen und demnach in Sünde leben müssen. Er fände dies unhaltbar und empfahl, den Kleinen in ein katholisches Heim zu geben, wo er vielleicht auch ein wenig schreiben und lesen lernen könnte, aber ganz bestimmt ein richtiges Kind Gottes werden würde.

      Emma wollte ihren Buben nicht hergeben und Melch scheute die Kosten. Nur der Göpf machte sich für die Lösung stark und meinte, er würde für die Kosten aufkommen. Nach Ostern 1923, er war gerade zehn Jahre alt, schloss sich die Tür zwischen Emma und Lukas, den Melchior beinahe von Anfang an Lucky nannte.

      An Pfingsten reiste Emma mit Melch an die Reuss zu dem alten umgebauten Kloster. Blass, traurig und sichtbar leichter geworden sah Lukas aus. Er sei erkältet gewesen, sagte die Nonne, die ihn betreute. Sie lud die beiden Gäste zur nachmittäglichen Vesper ein, dort würde Lukas mitsingen, lächelte die gute Schwester Cäcilie. Danach gab es im Refektorium zusammen mit anderen Besuchern Tee und etwas Konfekt. Um vier war die Besuchszeit vorbei. Emma und Melch mussten gehen. Erst auf der Heimfahrt wurde Emma bewusst, dass sie ihren Lukas nicht fünf Minuten für sich allein gehabt hatte.

      Der Sommer kam und damit die strengste Zeit auf dem Hof. Es gab keine Besuche mehr an der Reuss. Für Weihnachten setzte Emma durch, dass Lukas nach Hause kommen durfte.

      Lukas war verändert. Er hatte vor allem sein Lachen und seine sonst alltägliche Freude verloren. Als Melch ihn am zweiten Weihnachtstag zurückbringen wollte, begann er zu weinen. Er erbrach sein ganzes Essen und bat erbärmlich, bleiben zu dürfen. Also fuhr Melch allein hin, um die Sache zu klären. Der Direktor der Anstalt, ein Geistlicher, zeigte sich entrüstet. Es verstosse gegen jede konsequente Erziehung, wenn ein Kind aus einem Programm gerissen werde, in dem die kleine Seele Gott zugeführt werde.

      Emma zog ihren besten Rock an und besuchte Mama Brand. Diese Frau stand damals noch immer der Brand Zigarrenfabrik vor. Inzwischen hatte sie in Deutschland längst eine Niederlassung gegründet, das Unternehmen auf beiden Seiten des Rheins durch die Kriegsjahre gesteuert und die Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Tabaks gemeistert. Sie hatte allen Widerwärtigkeiten getrotzt und sich allen Vorurteilen gegenüber Frauen als Vorgesetzten erfolgreich gestellt.

      Als Emma Lukas zur Welt gebracht hatte, hatte sich die Mama, wie sie inzwischen genannt wurde, um Emma Sorgen gemacht und war dabei auf Zurückweisung oder mindestens Zurückhaltung gestossen. Emma wollte sich von niemandem helfen lassen, sie brach einfach in Tränen aus. Abschliessend hatte die Mama gesagt: «Kind, wenn du mir etwas zu sagen hast, komm und sag es mir.» Nun ging Emma hin und erzählte ihr von Lukas, ihrem kleinen dummen Buben.

      Sie werde sich der Sache annehmen, das hatte die Mama versprochen.

      Lukas konnte zur Schule gehen, der Dorflehrer übte sich in Geduld und nach Ostern liess ihn der Pfarrer, nach einer umständlich geplapperten Beichte, am weissen Sonntag zur ersten Kommunion. Mama Brand hatte ganze Arbeit geleistet. Obwohl sie reformiert war, also nicht den richtigen Glauben hatte, konnte es sich der geistliche Herr nicht erlauben, ihre Wünsche zu übergehen. Mamas jährlicher Obolus war ihm zu wichtig.

      Lukas lernte ein wenig lesen, mit Karten spielen und dabei auch etwas rechnen. Seine jüngeren Brüder begannen ihn zu überholen, auch ihn dann und wann auszutricksen, aber sie spielten mit ihm und liessen ihn hin und wieder gewinnen – er ahmte sie mehr nach, als dass er von ihnen lernte.

      Inzwischen übernahm er auch, meist eher unwillig, einige Arbeiten auf dem Hof. Er liebte es beispielsweise, den Heurechen über die Wiese zu ziehen und freute sich, wie sich die saubere Grasnarbe hinter ihm leicht neigte. So legte er hin und her eine Bahn neben die andere und sie ergaben ein sauberes Abbild seiner Arbeit.

      Eines Tages sagte Lukas, er wolle in der Fabrik arbeiten. Lukas bekam seine Stelle als Ausripper. Das waren in der Regel vier Handgriffe, bei denen den Tabakblättern die Rippen ausgezogen wurden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten erreichte er eine bemerkenswerte Geschicklichkeit.

      Zu seinem 20. Geburtstag schenkte ihm eine Frau im Dorf den zwilchenen Anzug ihres verstorbenen, nur wenig grösseren und ähnlich massigen Mannes. Zum braunen Kleid gehörten zwei Hosen, ein Gilet, ein Hut, zwei weisse Leinenhemden und ein schwarzer Krawattenknopf. Sie überliess ihm zudem einen Stock mit Elfenbeingriff und, was ihn am meisten freute, die Taschenuhr des Verstorbenen.

      Der Schneider im Dorf machte ein paar Änderungen, kürzte die Hosen und das alles ohne grosse Rechnung. Lukas hatte seiner Mutter von allem nichts erzählt und sich am folgenden Sonntag ohne Ankündigung die neuen Sachen angezogen.

      Er setzte sich am Morgen zum Kaffee im neuen Gewand an den Tisch, zog sich danach Gilet und Jacke an, setzte sich den Hut auf den Kopf, nahm den Stock und zog ins Dorf zur Kirche, zur Messe. Er werde dort für seine Mutter beten. Emma war sehr krank.

      Mit 84 Jahren starb Stine. Sie arbeitete bis in die letzten Wochen, fuhr mit ihrem Wägelchen zur Fabrik und zurück. Sie war eine der letzten Heimarbeiterinnen. Die Betriebe waren zunehmend auf eine gleich bleibend hohe Qualität der Deckblätter angewiesen und diese liess sich in der Fabrik leichter sichern. Auch wurde die inzwischen verdeckte oder geleugnete Ausbeutung der Kinder durch die eigenen Eltern mehr und mehr als Schande gebrandmarkt und die Fabrikherren wollten nicht länger an den Pranger gestellt werden.

      Nach Stines Tod versuchte der von Melchior durch die Jahre immer wieder gedemütigte Göpf СКАЧАТЬ