Der Weg der verlorenen Träume. Rebecca Michéle
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Название: Der Weg der verlorenen Träume

Автор: Rebecca Michéle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783958131354

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      Er nickte stolz. »Ja, ich glaube ja, auf jeden Fall stehen meine Chancen gut.«

      »Es freut mich für dich.« Hedwig meinte es ehrlich. »Würdest du mich jetzt bitte nach Hause fahren?«

      Albert startete den Motor. Während der Fahrt sprachen sie kein Wort miteinander. Albert fuhr viel langsamer als bei der Herfahrt, der Alkohol beeinträchtigte seine Fahrtüchtigkeit. Immer wieder geriet er auf die falsche Fahrbahn oder gefährlich nahe an den rechten Straßengraben. Glücklicherweise waren mitten in der Nacht keine anderen Fahrzeuge oder Fuhrwerke unterwegs. Hedwig klammerte sich am Sitz fest und betete stumm. Nie zuvor hatte sie den Anblick der ersten Häuser Sensburgs so sehr begrüßt. Die Kirchturmuhr schlug die vierte Stunde, als sie Hedwigs Zuhause erreichen. Albert starrte durch die Windschutzscheibe und machte keine Anstalten, ihr aus dem Wagen zu helfen. Ob und wann sie sich wiedersehen würden, erwähnte er mit keinem Wort.

      »Dann gute Nacht, Albert«, sagte Hedwig leise, hob die Hand, als wolle sie ihn am Ärmel berühren, ließ den Arm aber wieder sinken und öffnete die Tür.

      »Gute Nacht.« Immer noch sah er sie nicht an.

      Hedwig war noch nicht an der Haustür, als der Motor aufheulte und Albert davonbrauste. Müde und erschöpft trat sie in die Diele, da tauchte ihr Vater wie aus dem Nichts vor ihr auf. Seine Ohrfeige kam so schnell, dass Hedwig keine Gelegenheit hatte, dem Schlag auszuweichen.

      »Geh mir aus den Augen«, zischte Mahnstein. »Geh in dein Zimmer und bleib dort, bis ich entschieden habe, was mit dir geschehen soll.«

      Blind vor Tränen des Schmerzes und der Wut stolperte Hedwig die Stiege hinauf, warf sich auf den Bauch und weinte in die Kissen.

      Die Stunden in dem kalten Automobil hatten ihre Spuren hinterlassen. Am nächsten Morgen schleppte sich Hedwig fiebernd und mit laufender Nase durch das Haus, fütterte die Hühner und bereitete das Frühstück zu. Von des Vaters Ohrfeige war ihre linke Gesichtshälfte geschwollen. Als Hermann Mahnstein die Küche betrat, hatte er keinen Blick für Hedwigs Erkältung, sondern herrschte sie an:

      »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst auf deinem Zimmer bleiben? Dein Anblick widert mich an.«

      »Mutter kann heute nicht aufstehen«, krächzte Hedwig heiser. »Irgendwer muss wohl das Frühstück machen.«

      »Du wagst immer noch, mir zu widersprechen, Tochter?« Drohend baute er sich vor Hedwig auf. »Treibst dich wie eine Prostituierte die ganze Nacht mit Männern herum und schämst dich nicht, mir in die Augen zu sehen und auch noch frech zu werden?«

      »Es ist nichts geschehen«, murmelte Hedwig im Versuch, sich zu verteidigen. »Albert und ich sind nur Freunde ...«, wiederholte sie, las aber in der Mimik ihres Vaters, dass er ihr kein Wort glaubte.

      »Eine anständige Frau kommt nicht erst gegen Morgen nach Hause, wenn sie nicht die Nacht in den Armen ihres Liebhabers verbracht hat.«

      »Du scheinst aus Erfahrung zu sprechen.« Bevor Hedwig nachgedacht hatte, waren ihr diese Worte entschlüpft. Die weitere Ohrfeige Mahnsteins nahm sie stoisch entgegen, kein Schmerzenslaut kam über ihre Lippen, obwohl sie meinte, ihr Schädel müsse jeden Moment in zwei Teile zerbrechen.

      »Du durch und durch verdorbenes Stück!«, keuchte Mahnstein mit hochrotem Kopf. Erneut hob er die Hand und wurde nur durch das Eintreten von Karl an einem zweiten Schlag gehindert.

      »Was ist hier los?« Verständnislos sah Karl von Hedwig zu seinem Vater.

      »Das musst du deine verderbte Schwester fragen.«

      Mit zwei Fingern hob Karl Hedwigs Kinn, betrachtete ihre geschwollene Wange und flüsterte: »Was ist gestern Abend bei dem Ball geschehen?«

      »Nichts, für das ich mich schämen muss, im Gegenteil«, antwortete Hedwig fest. »Die Gräfin von Duwensee hat mir angeboten, eine komplette Garderobe für sie zu schneidern.«

      »Du sollst für die Gräfin nähen?« Sofort änderte sich Mahnsteins Gesichtsausdruck. »Ist das wahr? Die feinen Herrschaften bezahlen bestimmt sehr gut.«

      Er denkt sofort an den schnöden Mammon, den ein solcher Auftrag mir einbringen kann, dachte Hedwig bitter.

      »Dazu muss ich aber auf Duwensee wohnen«, sagte sie und wollte gerade hinzufügen, dass sie entschlossen war, den Auftrag abzulehnen.

      »Das käme mir sehr gelegen«, sagte Mahnstein. »Es wäre gut, wenn du das Haus hier verlässt, bevor dein schändliches Verhalten in der Stadt die Runde macht.«

      »Wer kümmert sich dann um Mutter und um Siggi?«, fragte Hedwig mühsam. Ihr Hals schwoll immer mehr zu, durch die verstopfte Nase bekam sie kaum noch Luft.

      »Wir haben es geschafft, als du in Allenstein warst«, antwortete Mahnstein kühl. »Es wird sich eine Lösung finden lassen. Wann wirst du nach Duwensee fahren?«

      Er kann es nicht erwarten, mich loszuwerden, dachte Hedwig und merkte, wie ihre Augen feucht wurden. Hastig wischte sie sich mit dem Handrücken über die Lider und antwortete: »Am nächsten Montag, Vater.«

      »Dann sieh zu, dass du gesund wirst, Tochter. Ich glaube nicht, dass die Gräfin eine schniefende und hustende Schneiderin haben möchte.«

      In aller Seelenruhe schenkte sich Mahnstein von dem bereitstehenden Kaffee ein, griff nach einer Scheibe Brot und bestrich sie dick mit Butter. Karl zuckte mit den Schultern und griff ebenfalls nach der Kanne. Nach und nach erschienen die restlichen Geschwister, und Hedwig richtete ein Tablett, um das Frühstück ihrer Mutter ans Bett zu bringen.

      Nur Luise, die am Nachmittag ihre Familie für eine Stunde besuchte, bemerkte, wie krank Hedwig war und auch deren geschwollene Wange. Wortlos nahm sie ihre Schwester in die Arme, und Hedwig vertraute sich Luise an, erzählte von dem Angebot der Gräfin und auch, warum sie dieses erst ausschlagen wollte.

      »Die Leute dort sind anders als wir, Luise. Gestern Abend hatte ich den Eindruck, als hätten sie noch niemals etwas von Sitte und Anstand gehört.«

      »Ich höre aus deinen Worten heraus, dass Albert von Dombrowski dich enttäuscht hat«, fuhr Luise fort. »Liebst du ihn?«

      Hedwig zögerte, zuckte dann mit den Schultern und antwortete: »Nein, ich glaube nicht, dass es Liebe ist. Ich dachte, ich wäre in ihn verliebt, sein gestriges Verhalten hat mir aber gezeigt, dass Albert kein Mann ist, auf den man setzen sollte. Die Frau, die er eines Tages zum Altar führt, wird keinen Ehemann, sondern ein großes Kind bekommen.«

      Erleichtert lachte Luise auf.

      »Ich fürchtete schon, Albert hätte dir das Herz gebrochen, Schwesterchen. Du sagtest, die Frau Gräfin wäre nicht wie ihr Sohn«, wechselte Luise das Thema, »und wenn dieser ohnehin fort ist, wärst du dumm, einen solchen Auftrag abzulehnen.«

      »Was ist mit Mutter und unserem kleinen Bruder?«

      Sanft streichelte Luise Hedwigs Hand und sagte zuversichtlich: »Du weißt, Vater und ich sind selten einer Meinung, aber dieses Mal hat er recht. Während deiner Ausbildung in Allenstein hat die Familie auch alles ohne deine Hilfe bewältigt, jetzt wirst du ja nur kurze Zeit fort sein und an den Wochenenden nach Hause kommen können. Nun koche ich dir einen heißen Kamillentee mit Honig und steck dich ins Bett, damit du bis Montag wieder gesund bist.«

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