Der Weg der verlorenen Träume. Rebecca Michéle
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Название: Der Weg der verlorenen Träume

Автор: Rebecca Michéle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958131354

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СКАЧАТЬ war. Hedwig roch seinen alkoholgeschwängerten Atem. Als er sie nach drei Tänzen nicht gehen lassen wollte, sah sich Hedwig suchend nach Albert um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.

      »Ich brauche eine Pause«, sagte Hedwig und befreite sich aus Alexanders Armen. »Es ist sehr warm hier.«

      »Wenn Sie möchten, gehen wir auf die Terrasse, um frische Luft zu schöpfen«, sagte Alexander prompt.

      »Danke, nein«, antwortete Hedwig entschieden. Auf keinen Fall würde sie mit diesem Mann allein in die Nacht hinausgehen. »Ich muss nach Albert sehen, denn es wird Zeit, dass wir uns verabschieden.«

      »Jetzt schon? Der Abend hat doch gerade erst begonnen.«

      »Wir haben eine weite Fahrt bis nach Sensburg«, antwortete Hedwig.

      »Einen letzten Tanz müssen Sie mir aber noch schenken!«

      Erneut riss Alexander Hedwig in die Arme. Sie fühlte sich wie in Stahlklammern gefangen und bereute, jemals einen Fuß über die Schwelle dieses Hauses gesetzt zu haben. Die Musik wurde nun langsamer, Alex beugte seinen Kopf und entsetzt spürte Hedwig, wie seine Lippen über ihren Hals strichen.

      »Alex, ich glaube, das Fräulein möchte im Moment nicht länger tanzen.« Wie aus dem Nichts war die Gräfin von Duwensee aufgetaucht und wies ihren Sohn wie einen Schuljungen zurecht. »Ich bitte dich, Fräulein Mahnstein loszulassen und dich um die anderen Gäste zu kümmern. Ich möchte ohnehin mit Fräulein Mahnstein über Schnittmuster plaudern.«

      Erleichtert atmete Hedwig auf, als Alexander sie endlich freigab. Die Frau Gräfin war nüchtern, und dankbar folgte Hedwig der eleganten Dame in einen kleinen Raum am Ende des Korridors, in dem sie miteinander allein waren. Die Gräfin schloss die Tür hinter sich und sagte:

      »Ich muss mich für meinen Sohn entschuldigen, Fräulein Mahnstein. Alexander meint, keine Frau könne ihm widerstehen, es ist ihm bisher aber nicht gelungen, eine als neue Herrin auf Duwensee nach Hause zu führen. Seit sein Vater tot ist, entgleitet er immer mehr meinem Einfluss.«

      Hedwig, der diese offenen Worte peinlich waren, nickte nur und fragte: »Möchten Sie wirklich mit mir über meine Arbeit sprechen, Frau Gräfin?«

      »Sicherlich, Fräulein Mahnstein. Wie ich erwähnte, habe ich derzeit keine gute Schneiderin, benötige aber für das kommende Weihnachtsfest eine neue Garderobe. Meinen Sie, Sie können einen solchen Auftrag übernehmen?«

      »Bis Weihnachten?«, wiederholte Hedwig erstaunt. »Das ist nicht mehr viel Zeit. Zwischen Sensburg und hier gibt es keine Zugverbindung, Sie müssten täglich mit dem Wagen in die Stadt kommen ...«

      »Ich dachte daran, dass Sie hier im Haus arbeiten«, fiel die Gräfin Hedwig ins Wort. »Sie können in einem der Gästezimmer wohnen, Kost und Logis erhalten Sie zuzüglich zu Ihrem Lohn.«

      Hedwig schnappte nach Luft und stieß hervor: »Sie wissen doch nicht, ob ich Ihren Ansprüchen gerecht werden kann!«

      »Wir werden es ausprobieren«, antwortete die Gräfin und reichte Hedwig die Hand. »Es ist also abgemacht? Ein Wagen wird Sie am kommenden Montag abholen, dann werden wir gleich die notwendigen Stoffe und alles, was Sie benötigen, bestellen, damit Sie so schnell wie möglich mit der Arbeit beginnen können.« Da die Gräfin merkte, wie Hedwig zögerte, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu: »Mein Sohn wird in den nächsten Wochen nicht anwesend sein, falls Sie seinetwegen Bedenken haben. Seine Geschäfte führen ihn nach Berlin.«

      In Hedwigs Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Konnte sie ein solch großzügiges Angebot ausschlagen? In erster Linie ging es weniger um den Lohn, den dieser Auftrag ihr einbringen würde. Wenn die Gräfin mit ihrer Arbeit zufrieden sein würde, dann könnte das ihr, Hedwig, weitere Aufträge einbringen. Was würden aber ihre Eltern dazu meinen, wenn sie weitere drei Wochen von zu Hause fort sein würde?

      »Ich muss darüber nachdenken«, antwortete Hedwig daher vage. »Ich gebe Ihnen am Montag telefonisch Bescheid.«

      »Machen Sie das, Fräulein Mahnstein, aber bitte nicht später, denn wenn Sie ablehnen, muss ich mich nach jemand anderen umsehen.«

      Es war der Gräfin anzusehen, wie überrascht sie war, dass Hedwig nicht unverzüglich auf ihr Angebot einging. Marianne von Kosin ging zur Tür und öffnete sie, das Zeichen, dass ihre Unterhaltung beendet war.

      Hedwig kehrte in den Ballsaal zurück und suchte nach Albert. Die Freude an dem Fest war ihr vergangen, sie wollte ihn bitten, nach Hause zu fahren. Durch den reichlichen Alkoholgenuss war die Stimmung laut und ausgelassen geworden. Sie fand Albert am Klavier sitzend, den Hemdkragen geöffnet, die Haare zerzaust, und er spielte die flotte Melodie eines Charleston, zu dessen Klängen die Gäste tanzten, darunter auch Alexander von Kosin. Eine dunkelhaarige, hübsche junge Frau warf ihre Arme um Alexanders Hals und genierte sich nicht, ihn vor allen Augen mitten auf den Mund zu küssen. Um die beiden herum bildete sich ein Kreis, unter lautem Klatschen und Johlen wurde das Paar angefeuert. Mit ihrem Unterkörper beschrieb die Frau eindeutige Bewegungen, der gierige Glanz in Alexanders Augen ließ keinen Zweifel an seinen Gedanken. Hedwig hatte nun endgültig genug. Ein solches Verhalten hatte sie nie zuvor mit ansehen müssen, und sie fragte sich, wie eine Frau sich derart gehen lassen konnte. Sie war total betrunken und enthemmt, der Alkohol hatte sie nicht mehr Herr ihrer Sinne sein lassen. Aber nicht nur diese Entgleisung, sondern auch das Verhalten fast aller Gäste schockierte Hedwig. War in diesen Kreisen so etwas üblich? Wo waren Anstand, Würde und Moral geblieben? Auguste Mahnstein würde auf der Stelle der Schlag treffen, wenn sie erfahren würde, in welche Kreise Hedwig geraten war.

      Ohne von jemandem beachtet oder gar aufgehalten zu werden, holte Hedwig ihren Mantel aus dem kleinen Raum neben der Halle und eilte aus dem Haus. Draußen atmete sie tief durch. Die Luft schnitt zwar kalt in ihre Lungen und sie fror in ihrem dünnen Kleid, ins Haus wollte sie aber auf keinen Fall zurückkehren. Albert hatte den Wagen nicht abgeschlossen. Hedwig wickelte sich in eine im Fond liegende Wolldecke und kauerte sich auf dem Beifahrersitz zusammen. Für einen Moment überlegte sie, zu Fuß nach Sensburg zu laufen, es siegte aber ihr klarer Verstand. Der Weg war weit, und weder ihre leichten Lederschuhe noch ihr Mantel waren für einen so langen Marsch durch die eiskalte Nacht geeignet. Wenn nötig, würde sie die ganze Nacht im Wagen auf Albert warten, bis er sich bequemte, die zweifelhafte Gesellschaft zu verlassen. Hedwig ärgerte sich, die Einladung angenommen zu haben. In diesem Moment schwor sich Hedwig, niemals auch nur einen Tropfen Alkohol zu trinken, um niemals in eine ähnliche Situation zu geraten. Das Angebot der Gräfin von Duwensee würde sie gleich morgen mittels eines Briefes freundlich, aber bestimmt ablehnen. Auch wenn Marianne von Kosin sehr freundlich zu ihr gewesen war – mit diesen Menschen wollte Hedwig nie wieder etwas zu tun haben.

      Trotz der unbequemen Haltung nickte Hedwig ein, und erwachte, als die Tür der Fahrerseite heftig zugeschlagen wurde.

      »Du hast dich unmöglich benommen!« Albert verbarg seinen Ärger über ihr Verhalten nicht. »Einfach wegzulaufen und dich hier verkriechen.«

      »Ich denke nicht, dass mich jemand vermisst hat«, antwortete Hedwig und zog die Decke enger um sich. Sie fror schrecklich, ihre Füße schienen Eisklumpen zu sein. »Besonders du nicht«, fügte sie leise hinzu.

      »Verdammt, Hedi, dieser Abend war wichtig für mich.« Mit der Faust schlug Albert auf das Lenkrad ein. »Alexander hat mich mit Leuten bekanntgemacht, die Musiker für eine Kapelle für das Ostseebad Cranz suchen. Neben Kost und Logis wird das Engagement gut bezahlt, denn die Kapelle spielt in den ersten Häusern am Platz. Eine solche Chance kann ich mir nicht entgehen lassen, denn ewig will ich nicht als Klimperer in den Lichtspielhäusern versauern.«

      »Dann СКАЧАТЬ