Der Weg der verlorenen Träume. Rebecca Michéle
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Weg der verlorenen Träume - Rebecca Michéle страница 18

Название: Der Weg der verlorenen Träume

Автор: Rebecca Michéle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958131354

isbn:

СКАЧАТЬ suchen.«

      Albert konnte Hedwig nicht widersprechen, auch wenn er ihr gern Mut gemacht hätte.

      Als einzige Frau ihrer Ausbildungsgruppe hatte Hedwig sich auch für die Prüfung zur Herrenschneidermeisterin an­gemeldet.

      Hedwig war Albert dankbar, dass er sich extra freigenommen hatte, um ihr in dieser für sie entscheidenden Stunde moralisch beizustehen. Wenn sie durchfiel, wäre das Wasser auf die Mühlen ihres Vaters, allein deswegen wollte sie es schaffen.

      Es verging eine weitere bange halbe Stunde, bis eine ältere Frau das Zimmer betrat und sagte: »Fräulein Hedwig Mahnstein, die Prüfungskommission erwartet Sie jetzt. Bitte folgen Sie mir.«

      Es dauerte keine fünfzehn Minuten, dann kehrte Hedwig zurück.

      An ihrer ausdruckslosen Miene konnte Albert nichts ablesen, und Hedwig sank auf eine Bank, legte ein Schriftstück neben sich und schlug die Hände vor das Gesicht.

      »Was ist?«, rief Albert nervös. »Hast du das Ergebnis?« Hedwigs Schultern zuckten, ein leises Schluchzen drang durch ihre Finger. Er setzte sich neben sie und legte seinen Arm um sie. »Ach, Hedi, das tut mir aufrichtig leid, es ist doch nicht so schlimm. Du machst die Prüfung in einem Jahr einfach nochmal, und immerhin bist du Damenschneidermeisterin, das kann dir niemand mehr nehmen.«

      Hedwig hob den Kopf, Tränen liefen über ihre Wangen. Mit dem Daumen strich Albert sie fort, aber jetzt lachte Hedwig und reichte Albert das Schreiben.

      Gespannt las er die Zeilen, sprang dann auf und rief: »Du hast bestanden! Sogar mit Auszeichnung! Meine Güte, warum weinst du dann?«

      »Das ist nur die Anspannung«, erwiderte Hedwig, »und weil ich glücklich bin! So schrecklich glücklich! Sie haben gesagt, keiner der Männer habe auch nur annähernd eine so gute Arbeit abgegeben.«

      »Damen- und Herrenschneidermeisterin Fräulein Hedwig Mahnstein«, las Albert laut von dem Dokument ab und zeichnete mit den Händen ein Rechteck in die Luft. »Ich sehe das Schild deutlich vor mir: eine schwarze Schrift auf glänzendem Metall.«

      »Es wird wohl noch dauern, bis ich mir eine eigene Werkstatt einrichten kann«, wandte Hedwig ein.

      »Trotzdem – das muss gefeiert werden! Heute Abend führe ich dich ganz groß aus.«

      »Ach, Albert, das ist doch viel zu teuer ...«

      »Papperlapapp, heute spielt Geld keine Rolle«, wischte Albert ihren Einwand beiseite. »Ich bin sehr stolz auf dich, und alle sollen es sehen!«

      Seine Worte hüllten Hedwig wie in einen warmen Umhang ein. Sie gab sich einen Ruck und nahm Alberts Einladung an. Es war wirklich ein Anlass, um einmal über die Stränge zu schlagen.

      Im Hause Mahnstein wurde die Nachricht, dass Hedwig trotz ihrer jungen Jahre gleich zwei Meistertitel erlangt hatte, mit gemischten Reaktionen aufgenommen.

      »Herzlichen Glückwunsch!« Luise fiel der Schwester um den Hals, als sie nach Hause zurückkehrte. »Ich freue mich für dich! Ich wusste immer: Du bist die Intelligenteste von uns allen.«

      »Was willst du jetzt damit anfangen?«, murrte Hermann Mahnstein und musterte seine älteste Tochter skeptisch, Hedwig erkannte dennoch einen Anflug von Bewunderung in seinen Augen. »Die Meisterbriefe kannst du dir einrahmen und von mir aus an die Wand hängen, Hauptsache, du bist jetzt wieder zu Hause und gehst deiner Mutter zur Hand. Es ist viel Arbeit liegengeblieben.«

      »Ach, Hermann, lass Hedwig sich doch erst wieder eingewöhnen«, nahm Auguste Mahnstein ihre Tochter überraschend in Schutz. »Du bist dünn geworden, Mädchen, hast in der Fremde wohl nichts zu essen bekommen.«

      Dankbar sah Hedwig ihre Mutter an und erwiderte: »Ich habe viel gearbeitet und gelernt, aber fast jede Nacht von deinen köstlichen Sauerklopsen geträumt.«

      »Dann sollst du diese heute Abend bekommen«, rief Auguste, und zu ihrem Mann, der die Lippen öffnete, sagte sie entschieden: »Nichts da, auch wenn heute kein Sonntag ist, bekommt das Kind sein Lieblingsessen!«

      Es kam selten vor, dass sich Hermann seiner Frau fügte. Vielleicht lag es daran, dass Auguste Mahnstein in den letzten Monaten, in denen sie Hedwigs Hilfe hatte entbehren müssen, deutlich gealtert war. Hedwig konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter bei ihrer letzten Begegnung so gebeugt gegangen war, auch waren die Knöchel ihrer Finger geschwollen, und beim Treppensteigen biss Auguste sich auf die Unterlippe, um nicht vor Schmerzen zu stöhnen.

      »Du bist krank, Mutter«, stellte Hedwig fest, als sie miteinander allein waren. »Was sagt der Arzt?«

      »Ach, diese Quacksalber, die haben doch keine Ahnung ...«

      »Mutti, antworte mir bitte: Hast du dich gründlich untersuchen lassen?«

      Auguste seufzte, dann nickte sie und zwang sich zu einem Lächeln.

      »Hedi, ich habe zwölf Kinder geboren, bei Siegfrieds Geburt war ich viel zu alt. Es ist zwar gut gegangen, hat aber Spuren hinterlassen. Ich bin eine alte Frau, in deren Gelenken das Rheuma sitzt, da können kein Doktor und keine Medizin auf der ganzen Welt helfen. Das ist der Lauf der Zeit. Jetzt habe ich aber wieder Hilfe von dir, das macht es einfacher.«

      In Hedwig regte sich schlechtes Gewissen, die Mutter ein ganzes Jahr allein gelassen zu haben. Auguste sah wahrlich krank und abgearbeitet aus – wie konnte sie es da wagen, ihren eigenen Weg gehen zu wollen? Auguste hatte sie schließlich geboren und war immer für sie da gewesen. Vielleicht konnte sie ihren Traum trotzdem verwirklichen, ohne ihr Elternhaus zu verlassen.

      »Ich werde dir zur Hand gehen, so gut es möglich ist«, sagte Hedwig. »Im Zimmer oben werde ich mir eine Werkstatt einrichten, so bin ich immer im Haus, gleichzeitig kann ich mir einen Kundenstamm aufbauen.«

      Auguste seufzte. »Das musst du mit deinem Vater besprechen, ich fürchte, er glaubt, dass du wie zuvor nur kleinere Änderungen machen möchtest. Selbst wenn er seine Zustimmung gibt – wovon willst du Stoffe, Garn oder gar eine Nähmaschine kaufen?«

      Auguste hatte einen wunden Punkt angesprochen, über den Hedwig grübelte, seit sie die Prüfungen bestanden hatte und von einer Selbstständigkeit träumte. Natürlich könnte sie versuchen, sich als Meisterin bei den ansässigen Schneidereien zu bewerben, die wirtschaftliche Situation hatte sich in den letzten Monaten indes rapide verschlechtert. Seit Anfang des Jahres verfiel die Reichsmark immer mehr, was besonders den Mittelstand hart traf. Lohn, der am Abend ausgezahlt wurde, war am nächsten Morgen schon nichts mehr wert. Die Inflation schritt mit rasenden Schritten voran, nur, wer Sachwerte wie Schmuck, Gemälde oder sonstige Kunstwerke besaß, die er eintauschen konnte, kam noch über die Runden. Auch Hermann Mahnstein schwamm regelrecht im Geld, denn längst wurden Grundnahrungsmittel wie Brot, Butter und Milch mit Geldscheinen in Billionenhöhe bezahlt. Im Westen des Deutschen Reiches waren Streiks und Demonstrationen an der Tagesordnung. Niemand konnte es sich leisten, eine Meisterin einzustellen, außerdem wollte Hedwig sich niemandem unterordnen. Sie wollte ihre Kreationen verwirklichen und ihr eigener Herr sein.

      »Zuerst biete ich tatsächlich nur wieder Änderungen gegen Waren an«, antwortete sie nachdenklich. »Die Zeiten werden auch wieder besser und das Geld stabiler. Von dem Lohn kann ich mir dann nach und nach etwas zurücklegen, und in zwei oder drei Jahren eine eigene Nähmaschine kaufen.«

      »Ach, Kind, woher nimmst du nur einen solchen Optimismus?«

      »Jedes СКАЧАТЬ