Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ etwa 2 – 3 Neugroschen, wenn sie von früh bis zum späten Abend arbeitet. Man glaube nicht, in den großen Städten und für Private würden diese Dinge viel besser bezahlt – ich habe gestickte Namenszüge in Taschentüchern gesehen, welche mit 8–10 Neugroschen oder 1/2 Gulden rheinisch (das Garn nimmt die Stickerin noch dazu) bezahlt wurden. Es war nicht möglich ein solches Tuch unter zwei Tagen anhaltender Arbeit zu vollenden. Ist nun die Stickerin im Zeichnen nicht geübt, so muß sie für das Zeichnen erst noch ein Viertel ihres Verdienstes abgeben. Auch die Arbeiterinnen der großen Städte schätzen sich glücklich, wenn sie für eine Handlung arbeiten können – sie haben dann doch immer zu thun – aber wenn sie von früh 6 bis Abends 9 Uhr mit der geringen Unterbrechung der Mittagszeit arbeiten, können sie etwa 5 – 10 Neugroschen verdienen, mehr gewiß nicht. Vielleicht nur um die Weihnachtszeit, wo die Arbeit drängt und viele dieser Arbeiterinnen ganze Nächte durchwachen, gewiß aber nie vor Mitternacht die Arbeit wegzulegen wagen. Und welche augenanstrengende Arbeit – die noch dazu zur Hälfte unter Licht gethan werden muß – und die, wenn die Arbeiterin allein wohnt, kaum ausreicht Kleidung und Nahrung, Holz und Licht zu verdienen. Es geht eben nur, wenn das Letztere von einer Familie bestritten wird. Dies sind die am besten gestellten Arbeiterinnen. Aber eine gute Nähmaschine kostet noch immer 70 – 80 Thaler und es ist wohl auch bei der Construction derselben nicht anzunehmen, daß der Preis derselben sehr falle und so sind Tausende der armen Näherinnen in der Lage, in welcher die Handspinner den Maschinenspinnern gegenüber einst waren, ja zum Theil noch sind: in der Maschine, die der Menschengeist zur Erlösung der Menschen von geisttödtender Arbeit erfand, erblicken sie ihre Feindin. Die Nähmaschine wird als Feindin der armen Näherinnen betrachtet, sie macht ihnen Concurrenz, denn sie sollen nun auch so billig und so accurat arbeiten, wie es die Maschine thut, und der dann und wann noch gerühmte Vorzug der größern Haltbarkeit der Handarbeit vor der Maschinenarbeit wird nicht sehr gewichtig in die Wagschaale fallen – es ist auch hier derselbe Gang der Dinge zu erwarten, wie bei der Spinnerei: das Vorurtheil wird allmälig überwunden, die Maschinen werden noch verbessert und endlich wird es nur wie eine Sage betrachtet werden, daß man sich allein mit seinen Fingern ohne andere Beihilfe abmühte, ein Kleidungsstück zu fertigen. Und selbst wenn das neue Fabrikat weniger lange hält als das alte: – was thut es? es kostet dafür auch weniger und die daraus gezogenen Consequenzen sind einmal die herrschenden in unsrer industriellen Zeit. Es heißt eben darum mit ihr fortschreiten – was ist es denn für ein Unglück, wenn so und so viel tausend Mädchen durch die Nähmaschinen von ihrem alten Nähtisch vertrieben werden, an dem sie engbrüstig und hektisch werden und Zeit haben zu nichtigen Träumereien oder zum Jammern über ihr Schicksal? Die Hauptsache ist nur eben, daß man, wo ein Arbeitszweig aufhört lohnend zu sein, sich nach einem andern umsieht.

      Und wenn ich das Loos der Näherinnen und ihr Festhalten an einem Erwerbszweig beklage, der eben Niemanden mehr ernährt – was soll ich da z.B. von den Klöpplerinnen im sächsischen Erzgebirge sagen? Hier zählt der Verdienst eines Tages oft nur nach Pfennigen! Ich fand einst eine Klöpplerin an einer äußerst mühevollen schwarzseidnen Spitze arbeiten; sie sagte mir, daß es ihre Augen kaum aushielten, die dünnen dunkeln Seidenfädchen um die blitzenden Nädelchen zu schlingen – Abends sei sie gar nicht im Stande daran zu arbeiten, aber sie schätze sich doch glücklich diese Arbeit zu haben, da die schwarzen Spitzen besser bezahlt würden, denn sie könne den Tag eine halbe Elle arbeiten und so 1 1/2 Neugroschen verdienen, ohne die Abendstunden, wo sie zu einer gröberen Arbeit greife! Der Arbeitgeber gab ihr also 3 Neugroschen für die Elle, die Seide dazu kostete ungefähr eben so viel – und im Handel giebt man für die Elle solcher Spitzen 20 Neugroschen – nun mache man selbst die weitere Anwendung davon! Hättet Ihr diese Mädchen und Frauen des oberen Erzgebirges gesehen! Die Kinder, welche in den dumpfen Stuben aufwachsen, sehen gespenstisch aus, bleich, mit abgemagerten Armen und Beinen und aufgetriebenen Leibern – von der einzigen Nahrung, welche sie haben: der Kartoffel. Der Vater hat sich im Blaufarbenwerk einen frühen Tod geholt oder er zieht mit Rußbutten oder Holzwaaren durch das Land, Weib und Kinder müssen daheim arbeiten, er kann nicht auch für sie mit sorgen! Die kleinen Mädchen müssen klöppeln, sobald sie die Händchen regelrecht regen können – da verkümmern sie am Klöppelkissen, an dem die Mutter schon verkümmerte, daß sie nur schwächlichen Kindern das Leben geben konnte, am Klöppelkissen, an dem die Großmutter erblindete! Denn das unverwandte Sehen auf die feinen Fädchen, Nadeln und Klöppelchen raubt den Augen früh die Sehkraft und die spielende Bewegung der kleinen Klöppel – oft gegen 50–100 – mit den Fingern macht diese fein und zart, die Arme schwach und mager, und untauglich zu jeder andern Beschäftigung. Und da kommen die klugen Leute und sagen: die Frauen können etwas Anderes thun als klöppeln, es sei Wahnsinn, daß sie darauf bestünden. Nein, sie können es nicht, wenn sie einmal von Kindheit auf nichts Andres gethan haben, denn sie haben sich niemals kräftigen können und sind ganz und gar unfähig eine schwerere Arbeit zu verrichten – wenn man sie ihnen auch verschaffen könnte.

      Ich habe schon die Preise angegeben, welche für einige weibliche Arbeiten bezahlt werden. Ja, wenn sie nur wirklich immer bezahlt würden! – aber auch die armen Näherinnen müssen Credit geben und werden oft spät, zuweilen auch gar nicht bezahlt. Viele der wirklich Reichen haben keinen Begriff davon, was Arbeit ist und daß ein armes junges Mädchen, das nicht gerade zum Betteln gezwungen ist oder wie eine Bettlerin aussieht, ein paar Thaler sehr nothwendig brauchen kann. Die feinen Damen wissen auch oft nicht wie lange an einem Stück genäht werden muß und statt es nach sich selbst zu beurtheilen, was sie doch könnten, sagen sie: Ja, wir arbeiten natürlich lange an so etwas, weil wir nicht darüber bleiben, aber bei denen, die den ganzen Tag nähen, fliegt die Arbeit nur so hin – es ist unglaublich, wie viel sie in einem Tag fertig bringen. Denn das ist auch herkömmlich, daß der Reiche nie von sich auf den Armen schließt, sondern daß er diesen geradezu als ein anderes Wesen, eine andere menschliche Gattung betrachtet, als sich. So kennen sie auch nicht die Sorgen und Bedürfnisse der verschämten Armen – ein paar Thaler oder Gulden sind für den Reichen so wenig und darum wird eine solche Kleinigkeit oft wirklich vergessen. In diesem Vergessen aber liegt selbst der ganze Egoismus, die ganze Unnatur, die ganze Unchristlichkeit bei aller Frömmelei, Unmenschlichkeit bei allen öffentlichen Humanitätsbestrebungen der heutigen Gesellschaft!

      Diejenigen nun, die nicht so reich sind, sich aber doch den Schein des Reichthums (durch Reich – thun) und der Vornehmheit retten wollen, daher arbeiten lassen, was sie nicht bezahlen können, benutzen diesen noblen Gebrauch – ehe sie bezahlen, warten sie ab, bis man sie mahnt, dann sagen sie wegwerfend: »Ach, diese Kleinigkeit hatte ich vergessen!« Natürlich kommen bei solcher Gelegenheit und Gewohnheit die Schüchternsten und Schwächsten am schlechtesten weg – und das werden die armen Arbeiterinnen sein, welche aus Zartgefühl nicht mahnen und die man auch im schlimmsten Falle nicht zu fürchten hat, wie den Kaufmann oder Handwerker, der am Ende mit gerichtlichen Klagen droht, indeß die Arbeiterin nur Thränen zu ihren Fürsprechern hat.

      Glücklich sind diejenigen Mädchen, welche, indem sie von weiblichen Handarbeiten leben, noch einer Familie angehören, so daß sie wohl, was sie verdienen, den Eltern oder Geschwistern mit zum Haushalt geben, aber doch nicht speciell dafür zu sorgen haben. Dann sitzen sie wenigstens in einer warmen Stube und haben ein warmes Mittagsessen. Aber welches Glück ist eine solche Existenz! Eine fleißige Arbeiterin steht früh 5 Uhr auf und setzt sich gegen 6 Uhr an ihren Arbeitstisch – dann steht sie nicht eher auf als um 12 Uhr zum Mittagsessen – in längstens einer halben Stunde ist dies beendigt und sie setzt sich gleich wieder hin – hat sie viel zu thun, so macht kaum die Dämmerung, noch weniger das Abendessen eine Unterbrechung, ein Butterbrot kann bei der Arbeit genossen werden – und darin besteht allein ihre Abendmahlzeit; gegen 10 Uhr, oder – je nachdem die Arbeit treibt – früher oder später, geht sie schlafen. Und so Tag für Tag, Stich für Stich – kein Feierabend, wie ihn andere Arbeiter haben, kaum Sonntags ein Kirchenbesuch, ein Spaziergang. Die Gedanken stumpfen entweder ganz ab oder bleiben an den Sorgen hängen: wo wieder Arbeit herzubekommen, wenn diese fertig? und wird diese auch bezahlt werden? – Aber keine Thräne darf in ihr Auge treten, dann möchte sie zu große Stiche machen – auch kein Blick auf die Straße irren – das ist schon eine Arbeitsversäumniß. Wie gesagt, eine Nähterin, die noch nicht ganz verlassen ist, kann das schon aushalten aus den Ersparungsgründen, die wir vorhin erwähnten СКАЧАТЬ