Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»Ach«, sagte Luis Cervallos leise. »Sie glauben, uns zu verstehen.«
»Jetzt verstehe ich die spanische Inquisition«, sagte John Harned. »Die war sicher noch herrlicher als Stierkämpfe.«
Luis Cervallos lächelte, sagte aber nichts. Er sah Maria Valenzuela an und wusste, dass das Stiergefecht in der Loge gewonnen war. Sie würde nie mehr etwas mit dem Gringo zu tun haben wollen, der solche Worte sprach. Aber weder Luis Cervallos noch ich waren darauf vorbereitet, dass der Tag so enden würde. Ich fürchte, wir verstehen diese Gringos nicht. Wie konnten wir wissen, dass John Harned, dessen Zorn so kalt war, plötzlich verrückt werden würde? Aber verrückt wurde er, wie Sie hören werden. Der Stier galt ihm nichts – das hatte er selbst gesagt. Warum galt ihm denn das Pferd so viel, das kann ich nicht verstehen. John Harned besaß keine Logik, das ist die einzige Erklärung.
»In Quito ist es nicht gebräuchlich, beim Stierkampf Pferde auftreten zu lassen«, sagte Luis Cervallos und sah von seinem Programm auf. »In Spanien hat man sie immer. Aber heute bekommen wir sie auch auf besondere Erlaubnis hin zu sehen. Wenn der nächste Stier auftritt, werden auch Pferde und Pikadore kommen. Sie wissen, die Leute, die zu Pferde sind und Lanzen tragen.«
»Der Stier ist von vornherein zum Tode verurteilt«, sagte John Harned. »Sind das die Pferde auch?«
»Sie tragen Binden vor den Augen, sodass sie den Stier nicht sehen können«, sagte Luis Cervallos. »Ich habe oft gesehen, wenn Pferde getötet wurden. Es ist ein prachtvoller Anblick.«
»Ich habe gesehen, wie der Stier geschlachtet wurde«, sagte John Harned. »Jetzt will ich auch sehen, wie das Pferd geschlachtet wird, damit ich mehr von den Feinheiten dieses Sports verstehe.«
»Es sind alte Pferde«, sagte Luis Cervallos. »Sie taugen sonst zu nichts mehr.«
»Ach so«, sagte John Harned.
Der dritte Stier kam herein, und bald standen ihm Kapeadore und Pikadore gegenüber. Ein Pikador hatte gerade unter uns Posten gefasst.
Ich gebe zu, dass es ein mageres altes Tier war, das er ritt, ein mit räudiger Pferdehaut überzogenes Gerippe.
»Es ist unglaublich, dass das arme Vieh das Gewicht des Reiters tragen kann«, sagte John Harned. »Und was für Waffen hat das Pferd nun, um mit dem Stier kämpfen zu können?«
»Das Pferd kämpft nicht mit dem Stier«, sagte Luis Cervallos.
»Ach«, sagte John Harned, »dann ist das Pferd wohl dazu da, um aufgespießt zu werden.«
»Ganz so ist es nicht«, sagte ich. »Die Lanze des Pikadors soll den Stier davon abhalten, das Pferd aufzuspießen.«
»Dann werden Pferde also selten aufgespießt?« fragte John Harned.
»Nein«, antwortete Luis Cervallos. »In Sevilla habe ich gesehen, wie achtzehn Pferde an einem einzigen Tag aufgespießt wurden, und das Volk rief nach noch mehr Pferden.«
»Waren ihnen allen die Augen verbunden, wie diesem Pferd?« fragte John Harned.
»Ja«, sagte Luis Cervallos.
Dann sprachen sie nicht mehr und beobachteten den Kampf, und John Harned wurde dabei verrückt, und wir wussten es nicht. Der Stier wollte das Pferd nicht angreifen. Und das Pferd blieb stehen, und da es nichts sehen konnte, wusste es nicht, dass die Kapeadore versuchten, den Stier zu einem Angriff zu hetzen. Die Kapeadore neckten den Stier mit ihren Umhängen, und als er angriff, liefen sie auf das Pferd zu und dann in Deckung. Schließlich wurde der Stier wütend und erblickte das Pferd vor sich.
»Das Pferd weiß es nicht, das Pferd weiß es nicht«, flüsterte John Harned vor sich hin, ohne zu merken, dass er seine Gedanken laut aussprach.
Der Stier griff an, und natürlich wusste das Pferd nichts, bis der Pikador mit seiner Lanze fehlstieß und das Pferd von dem Horn des Stiers aufgespießt war. Der Stier war ungewöhnlich stark. Seine Stärke war prachtvoll. Er hob das Pferd empor, und als es dann zu Boden stürzte und auf die Seite fiel, kam der Pikador auf seine Füße zu stehen und flüchtete, während die Kapeadore den Stier fortlockten. Alle wichtigen Organe wurden aus dem Pferd herausgepresst. Dennoch erhob es sich mit schrillem Schmerzensschrei. Der Schrei des Pferdes war es, der John Harned völlig verrückt machte. Ich hörte ihn leise fluchen und tief knurren. Keinen Augenblick ließ er das Pferd aus den Augen, das, immer noch schreiend, fortzulaufen versuchte. Aber nun stürzte es und fiel auf den Rücken und streckte alle vier Beine in die Luft. Dann griff der Stier von neuem an und durchbohrte es immer wieder, bis es tot war.
Jetzt stand John Harned auf. Seine Augen waren nicht mehr kalt wie Stahl. Sie waren wie blaue Flammen. Er sah Maria Valenzuela an, und sie sah ihn an. Der Wahnsinn hatte ihn gepackt. Jetzt, da das Pferd tot war, blickten ihn alle an; und John Harned war ein auffallend großer Mann.
»Setzen Sie sich«, sagte Luis Cervallos, »sonst machen Sie sich lächerlich.«
John Harned antwortete nicht. Er ballte die Faust und schlug zu. Er schlug Luis Cervallos ins Gesicht, dass er wie ein Toter über die Stühle fiel und nicht wieder aufstand. Er sah nichts von dem, was jetzt folgte. Aber ich sah viel. Urcisino Castillo beugte sich über die Logenbrüstung und schlug mit seinem Stuhl John Harned mitten ins Gesicht. Und John Harned schlug ihn mit seiner Faust, dass er fiel und im Fallen General Salazar mitriss. John Harned hatte das, was Sie Berserkerwut nennen, nicht wahr? Die Bestie in ihm war losgelassen und tobte – die uralte Bestie aus den Höhlen und Schlupfwinkeln der Vorzeit.
»Ihr kamt des Stierkampfes wegen«, hörte ich ihn sagen. »Aber bei Gott, ich will euch einen Männerkampf zeigen!«
Und es wurde ein Kampf. Die Soldaten, die als Wachtposten neben der Präsidentenloge standen, sprangen hinzu, aber er entriss einem von ihnen das Gewehr und schlug sie damit auf die Köpfe. Aus der anderen Loge schoss Oberst Jacinto Fierro mit dem Revolver auf ihn. Der erste Schuss tötete einen Soldaten. Der zweite Schuss traf John Harned in die Seite. Da fluchte СКАЧАТЬ