Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ einmal fielen Feinde ins Reich und der König rief seine Ritter zu Hilfe. Alles zog in den Krieg, auch der Graf machte sich auf mit seinen Leuten, wie es seine Pflicht war, und die halbfertige Burg da oben blieb einsam und verlassen. Er ist nie mehr zurückgekehrt, die Feinde hatten ihn in einer blutigen Schlacht getötet; auf die Mauern aber, auf denen wir sitzen, fiel durch lange Jahrhunderte der Regen und der Schnee, die Sonne brannte auf sie hernieder, und der scharfe Frost zerbröckelte die harten Mauern bis auf diese kleinen Reste. Kannst du dir den Grafen vorstellen, Georg?«

      »O ja Vater, wie der bei uns zu Hause mit dem blauen Zwicker und mit den gelben Hosen, der mir alle Mittag begegnet und mich immer in den Backen kneipt!«

      Der Vater lachte laut auf; ich aber schwieg beschämt; denn ich hatte wieder das Gefühl, etwas sehr Dummes gesagt zu haben.

      »Nein, Georg, so gewiß nicht. Denke dir etwa einen großen, stolzen Mann, und denke dir, der habe einen schönen Helm auf dem Haupte, einen glänzenden Harnisch am Leibe und sitze auf einem kräftigen Pferde – dann wird's richtiger sein. Hast du das alles vor Augen?«

      »Ja,« sagte ich leise und dachte mir meinen Vater auf dem Pferde.

      »Jetzt schau wieder hin über die Wälder, Georg, zu dem Lande, das so glänzend daliegt.«

      »Ja, Vater.«

      »In diesem Lande gibt es Städte mit hohen Häusern und Dörfer mit strohgedeckten Hütten, und fast auf jedem Hügel steht eine alte Burg oder eine Ruine. Vor vielen Jahren nun, vor Hunderten von Jahren, als die alten Burgen noch viel neuer waren, als es noch viel weniger Trümmer gab auf den Hügeln, da wohnten dort vornehme Herren gleich dem Grafen, von dem ich dir vorhin erzählte, sie wohnten dort wie ihre Väter und Großväter und hofften, daß dereinst auch ihre Kinder und Kindeskinder dort nach ihnen wohnen würden. Aber da kam ein schwerer Krieg in das schöne Land, einer der entsetzlichsten Kriege, die es gibt, ein Religionskrieg.«

      »Was ist ein Religionskrieg?«

      »Die Leute wurden uneins darüber, wie man dem lieben Gott am besten diene, und zuletzt wurde ihr Streit so arg, daß sie zu den Waffen griffen. Da wurde Feuer in die Städte geworfen, viele Burgen wurden zerstört und liegen seitdem in Trümmern gleich den Trümmern, auf denen wir sitzen, unzählige Menschen wurden getötet, und die Flüsse des Landes färbten sich rot vom Blute der Erschlagenen. Sehr viele Menschen aber, die Gott auf die alte Weise verehren wollten, wurden von ihren stärkeren Gegnern aus ihrer Heimat vertrieben. Es wurden Bürger aus den Städten vertrieben, und sie mußten mit ihren Frauen und Kindern fliehen, es wurden Bauern aus den Dörfern vertrieben, es wurden Edelleute aus den hohen Burgen vertrieben. Hörst du, Georg?«

      »Ja,« sagte ich und hielt den Atem an.

      »Dann höre weiter. Auf einer von den Burgen wohnte ein Mann, der gehörte auch zu denen, die den Willen ihrer Feinde nicht thun wollten, und so mußte er in die Fremde ziehen. Er verließ mit den Seinen die alte Burg, zog mit ihnen traurig aus dem schönen Land, kam in die Wälder, die vor uns liegen, wanderte viele Tage lang, bis er endlich da drüben am Thore eines Städtleins anklopfte und bat, man möchte ihn doch einlassen und möchte ihm eine Wohnung geben. Man gewährte ihm seine Bitte, und der Edelmann wohnte noch manche Jahre in der fremden Stadt, wo er auch endlich gestorben ist. Sein Sohn aber ist nie mehr in die Burg seines Vaters zurückgekehrt. Er hatte Nachkommen, und diese hatten wieder Nachkommen, und so breiteten sich mit der Zeit die Leute, deren Urväter einst auf stolzer Burg gelebt hatten, in der Stadt und in dem fremden Lande aus und dachten nur ganz selten noch an ihre alte Heimat, an das schöne, glänzende Böhmen und an die traurige Begebenheit, die ihre Vorfahren damals vertrieben hatte.«

      »Kannst du dir denken, wie der Mann, von dem ich dir dies erzählte, geheißen hat, und wie seine Enkel und die Enkel seiner Enkel?«

      »Nein.«

      »Höre, mein guter Georg,« sagte der Vater und nahm mich unter dem Kinn, daß ich den Kopf zu ihm emporheben mußte. »Höre es und vergiß es in deinem ganzen Leben nicht wieder: Der unbeugsame Mann, der Gott auf seine Weise anbeten wollte, der hieß Hans Kerdern, und wir tragen heute noch seinen Namen, unsere Urväter sind Kinder und Enkel von ihm gewesen, und da drüben über dem Wald liegt, wir wissen es nicht mehr, auf welchem Hügel, die alte Burg, die uns die Feinde einst vor vielen Jahren entrissen haben. Hör' es, vergiß es nie wieder in deinem ganzen Leben, werde ein tüchtiger Mann und beuge dich niemals vor deinen Feinden, sondern allein vor Gott.«

      Damit stand der Vater auf. Ich saß, und es war mir, als säße ich im Traum. Aber es war ein wundersamer Traum, und ich sah auf einen langen Weg, in ein fremdes Land, in eine ferne Vergangenheit. Noch nie hatte der Vater so ernsthaft mit mir gesprochen, und ich fühlte es, daß er mir sehr Wichtiges gesagt hatte. Ich fühlte es nur – aber es ergriff mich eine Ahnung von so stolzen und doch so unsäglich traurigen Dingen, von denen sonst ein Kind noch nichts weiß; der grüne Wald zerfloß mir vor den Augen, das glänzende Land verschwamm mir im Nebel, ich war so betrübt, daß ich den Kopf in den Händen barg und bitterlich weinte.

      Erschrocken trat der Vater herzu, setzte sich neben mich, legte wieder den Arm um meine Schultern, streichelte meine heiße Stirne und sagte mir beruhigende Worte. Da ließ der heftige Sturm meiner unbewußten Gefühle nach, ich weinte stille an der Brust meines Vaters und sah wie in einem seligen Traume durch den grünen Flor meiner Thränen hinein in das hellglänzende Land. – – –

      Wir saßen noch eine Weile, dann gingen wir von dem kahlen Grat herab auf den Weg, den wir gekommen waren. Ich hatte die Hand des Vaters genommen und ließ sie in den nächsten Stunden nicht mehr los. Jetzt wußte ich doch etwas von seinen Gedanken! – Wir sprachen von gleichgültigen Dingen, von den glänzenden Pilzen am Weg, von den hohen Buchen mit ihren glatten Stämmen, unter denen wir dahinschritten, von den riesigen Farrenkräutern im Moose. Dann schwiegen wir, ich dachte an meine Freunde und malte mir aus, was die wohl zu diesen Geschichten sagen würden. Aber nur kurze Augenblicke – und ich nahm mir fest vor, ihnen kein Wort von allem dem zu verraten, was ich heute gehört hatte.

      Ich war damals ein kleiner Knabe, und es sind viele Jahre vergangen bis heute. Oft kamen mir seitdem die Geschicke der Alten in den Sinn – und oft war mir's dabei, als säße ich auf dem hohen Berg, als schaute ich über den grünen Wald hinein in ein wunderbares Land, wie damals, und es war ein Schleier vor meinen Augen, wie er vor den Augen des weinenden Knaben gewesen war.

      Der kalte Baum.

       Inhaltsverzeichnis

      An diese kleine Begebenheit dachte ich, als wir schweigend hügelauf und hügelab der Stadt zuschritten, in der einst die Väter ihre Zuflucht gefunden hatten.

      Es ist ein armes Land mit großen, schwarzen Wäldern, mit felsigen Hügeln, mit breiten Thälern und mit kärglichen Äckern – aber es ist ein schönes Land, das man wohl liebgewinnen kann; denn die schwarzen Wälder spiegeln sich in stillen, dunkeln Teichen, auf den felsigen Hügeln stehen zerfallene Burgen, in den breiten Thälern fließen klare Gewässer, und zwischen den kärglichen Äckern liegen da und dort alte Siedelungen der Menschen.

      Dieses Land der Hügel und der Weiher ist nur ein Teil des Nordwaldgebirges, das eine große Landfläche bedeckt, öfter zu ansehnlichen Bergen emporsteigt und auf der Morgenseite einen hohen Wall bildet gegen das fremde Böhmen.

      Schön sind die Leute nicht in diesem Lande. Slaven und Deutsche bewohnten es vor Zeiten gemeinsam, die Deutschen waren die Herren, die Slaven die Knechte. Heute haben sich Herren und Knechte längst vermischt, und was aus solchen Mischungen der Rassen erwächst, ist selten СКАЧАТЬ