Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ ab gleich dürren Blättern im Herbste, wenn ihre Pflicht gethan und ihre Zeit aus war. Viele von den Mädchen aber haben wie Martha unser Blut mit seinen guten und bösen Eigenschaften in fremde Geschlechter getragen, und wenn dort das Gute vorherrschte, dann ging ihre gute Mitgift auf, wenn aber das Böse stärker war, dann schlug wohl auch ihre böse Mitgift durch; denn es folgt so vieles auf Erden dem Unfreien, Argen, es folgt, wie unsere Altvordern sagten, »der böseren Hand«.

      An den Zweigen aber, die aus den drei Ästen trieben, konnte man noch lange die Sinnesart jener drei jungen Männer erkennen.

      Von dem Ältesten ging ein schaffensfreudiges Geschlecht aus. Er selbst vermochte sein kleines Pachtgut nach wenigen Jahren zu kaufen, baute sich in der abgelegenen Gegend ein festes Haus mit Wall und Graben, rings herum fiel der dunkle Wald, Saatfeld an Saatfeld breitete sich aus in dem großen, fruchtbaren, bergumschlossenen Thale, und auf ächzenden Wägen schickte er sein Korn in die Welt.

      Weithin im Lande sprach man von dem reichen Herrn, man sprach von ihm im nächsten Städtlein, man sprach von ihm auf allen Straßen, auf denen seine Güter fuhren, man sprach zuletzt auch am Hofe des Kurfürsten von ihm, und die Räte des Kurfürsten traten zusammen.

      Und bald brachte der Postreiter in das entlegene Waldthal ein großes Diplom auf Pergament, und in dieser Urkunde stand zu lesen, daß der Landesvater des Gutsherrn Fleiß, Biederkeit und Ehrbarkeit angesehen habe und ihn deshalb von nun an für einen Edelmann und seine vier Ahnen im Grabe für Edelgeborene erkläre. In der Mitte des Pergaments aber war ein Wappen gemalt, an seidenen Schnüren hing das Staatssiegel herab – und der Neugeadelte, der einst die Rückkehr in die Heimat seiner Väter und in die alte, glanzvolle Stellung seines Geschlechtes verschmäht hatte, – der durfte fortan drei Buchstaben vor seinen alten Namen schreiben.

      Als aber auch seine Stunde kam, da standen vier Söhne an seinem Sterbebett, und jedem von ihnen konnte er ein großes Erbe geben und starb im Frieden. –

      Von diesen vier Söhnen ging das Geschlecht aus, das bald das angesehenste in der Waldgegend wurde, das im Munde des Volks bald nur schlechthin den Namen »die Herren vom Walde« führte. –

      Andere Wege machte Georg und seine Nachkommen. Als ein armer Offizier war er vom Vater gegangen, hatte bald darauf ein blühendes Weib heimgeführt, hatte sich in ein großes Unternehmen eingelassen und war zuletzt im Unglück gestorben. Viel hatte man sich von diesem seinem Unglück erzählt in unserem Geschlechte. Es hatte einen tiefen Eindruck auf alle gemacht.

      Seine Nachkommen aber nahmen auch den Degen und wurden Soldaten wie der Vater. Sie gingen in fremde Dienste nach dem Norden des Reiches, brachten es dort zu hohen Ehren, und es kam durch ihre eigene Tüchtigkeit und durch ihre glücklichen Heiraten in angesehene Geschlechter dahin, daß auch dieser Zweig wieder in Schlösser einzog, ja sogar von dem Fürsten des Landes die Erlaubnis erhielt, das alte Wappen und die alten Auszeichnungen aufs neue zu führen. –

      Von dem jüngsten Sohne des alten Mannes aber, von jenem Friedrich, stammt das Geschlecht meines Vaters. Es hat wieder ganz andere Wege gemacht, als die Nachkommen der beiden älteren Brüder, es ist niemals in Schlössern zu wohnen gekommen, es hat niemals Überfluß an irdischen Gütern gehabt, und wenn auch in manchem seiner Glieder das alte Kriegerblut wieder durchgebrochen ist, so hat es doch zu allen Zeiten mehr mit der Feder geleistet als mit dem Schwert, es hat niemals sein altes Wappen und seine alten Titel vor der Welt zur Geltung gebracht, sich niemals neue Titel erworben, aber seine Söhne haben als Staatsbeamte, als Geistliche, als Professoren ehrenvolle Plätze unter ihren Mitmenschen eingenommen, und wenn auch keiner von ihnen Wälder gerodet, Schlösser gebaut, Regimenter gegen den Feind geführt hat, so haben sie doch im stillen ebensoviel geleistet als ihre reichen Vettern im Walde und ihre stolzen Vettern im Ausland. Denn es besteht einmal die Einrichtung auf dieser Erde, daß nicht einem jeden Stamm gegeben ist, Schlösser zu bauen, Wälder zu roden und Regimenter zu führen. Und wenn ich's recht bedenke, so freue ich mich darüber, daß wir niemals in Schlössern gewohnt haben; denn die Schlösser haben weite Thore, und es flutet viel durch diese Thore, was an den Thüren kleiner Häuser vorübergeht.

      Mit den beiden andern Ästen hatte vordem unser Ast noch lange Fühlung behalten. Seit einem halben Jahrhundert jedoch hatte man aufgehört, nach den andern zu sehen, und war unbekümmert um sie seine eigene Straße gezogen. Nur das eine wußte man, daß über die Herren im grünen Wald schwere Wetter gegangen waren, und auch das andere hatte man gehört, daß der Stamm im Norden nur noch auf zwei Augen stehe. Dann aber war auf einmal dieser letzte Mann gekommen. Er war ein alter Offizier von großer Gestalt, er hatte blitzende, blaue Augen und wellige Haare wie alle Männer des Kerderngeschlechts, aber seine Haare waren schneeweiß. Von der Sehnsucht getrieben hatte er die Stätten bereist, an denen seine Väter gewohnt hatten, das Klosterpfarrhaus im Frankenlande hatte er besucht, hatte die Stube mit dem alten Kamin betreten, hatte über das weite Thal zu den Waldhügeln geschaut und war wieder in seine Heimat zurückgekehrt.

      Man unterhielt sich anfangs viel von ihm in unsern Häusern, dann zeigte man nur noch zuweilen seine Karte den Kindern, zuletzt aber vergaß man ihn fast ganz; die Verwandten im Norden wurden wieder zu sagenhaften Leuten, und ruhig ging man seine Alltagswege dahin.

      Und doch wurde gerade in unserem Stamme von jeher gar viel über die alten Geschichten des Geschlechtes gesprochen; ich glaube, daß weder die Herren im Walde mit der neuen Adelskrone, noch die Soldaten auf ihren Schlössern droben im Norden sich je so sehr um die Vergangenheit kümmerten, als diese armen Geistlichen und diese schlichten Professoren. Es mochte das wohl zum Teil an unsern Müttern gelegen sein, die fast alle auch aus alten Familien waren, unsere ehrwürdigen Überlieferungen begierig in sich aufnahmen und sie mit den Geschichten ihrer eigenen Geschlechter an ihre Kinder weitergaben.

      So hat sich viel von wahren und sagenhaften Dingen bei uns erhalten, von der alten, geheimnisvollen Stammburg Kerdern herab bis auf die merkwürdige Geschichte von dem Häuflein verbrannter Pergamente und dem sterbenden alten Manne.

      Unter allen seinen Brüdern und Vettern war es wieder mein Vater, den diese Dinge von seinen Jugendjahren her am meisten beschäftigten.

      In seine Knabenspiele schaute sagenumhüllt, sonnig und doch dunkel die verlassene Burg der Väter – und oft fragte er die Erwachsenen, wo im weiten Böhmen sie denn läge; aber niemand vermochte ihm Antwort darauf zu geben, auf keiner Landkarte konnte er sie finden.

      Da setzte sich allmählig in dem kleinen Kopfe die Idee fest: Wenn ich erst groß bin, dann suche ich die Burg; und wenn sie zerfallen ist, dann baue ich sie wieder auf im grünen Wald und lebe als Ritter darinnen mit glänzendem Harnisch und Helme. Und er sprach von diesen Plänen und verworrenen Bildern auch zu seinen Geschwistern; als sie ihn aber verlachten, da verschloß er sie in sein Herz.

      Und er wurde ein Jüngling, seine Gaben bewirkten, daß ihm die Welt offen stand, und es schien, als winke ihm das irdische Glück. Er aber jagte ihm freudig nach, und – hinter allem, was er dachte und that, hoffte und erreichte, lag eben immer noch die alte Burg, und wie damals der thörichte Knabe, und doch anders, sagte sich jetzt der Jüngling: Wenn ich das irdische Glück erreicht habe, dann mache ich mich auf und wandere hinein in dieses wunderbare Böhmen, gehe von Ort zu Ort und frage, wo mein Kerdern liegt, steige auf alle Berge und streife durch alle Thäler, und wenn es die Jahrhunderte etwa mit Wäldern umsponnen haben, dann will ich die Hirten fragen, ob sie's wissen, ich will die Köhler fragen, ob sie davon gehört haben, ich will die Jäger fragen, ob sie's gesehen haben. Und ist es dann gefunden, vielleicht zerfallen in einem Thale, vielleicht in Trümmern auf einsamer Höhe, dann werbe ich Leute, lasse die alten Mauern und die alten Türme aufs neue emporsteigen aus dem Schutt, aber in großer Pracht, und ziehe wieder ein, wo sie vor vierhundert Jahren verjagt wurden, erhebe mein Geschlecht zum alten Glanz und beschließe meine Tage. So dachte der Jüngling; das Leben aber führte ihn auf einmal andere Wege, es ging von Kampf zu Kampf, von Mühe zu Mühe, von Plage zu Plage; und СКАЧАТЬ