Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ Martha das kunstvolle Schloß öffnen. Sie that es, und er fuhr in seiner Rede fort:

      »Diese Truhe, meine Kinder, enthält alle die Dokumente, die von jenem böhmischen Herrn gefordert werden. Es sind sowohl Urkunden auf Pergament und Papier, als auch sonstige Nachrichten, die von euch zurückreichen bis zu dem, der um seines Glaubens willen vertrieben worden ist. Alles befindet sich in bester Ordnung, so wie ich es von meinem Vater überkommen habe und wie ich es einst dir, Hans, zu hinterlassen gedachte.

      »Nun aber ist es besser, wenn ich dir diese Dinge nicht hinterlasse; denn ehedem waren in der Truhe nichts als unschuldige Pergamente und Papiere, die uns alte Geschichten von unsern Vorfahren zu erzählen vermochten. Jetzt aber sind es keine unschuldigen Dokumente mehr, weil aus ihnen für die Zukunft schwere Versuchungen entstehen können.

      »Es geht eine alte Sage in unserm Geschlechte, daß die Jesuiten vor Zeiten einen der Unsern bethört hätten; niemand konnte mir etwas Genaues darüber mitteilen, nicht mein Vater, nicht mein Großvater. Nur das wußten sie, daß dieser Eine von den Unsern hernach in großes Unglück geraten ist.

      »Auch hier haben diese Menschen wieder die Hände in der Sache, und das ist's, was mich sehr ängstigt. Ihr seht aus dem seltsamen Briefe, daß sie uns und unsere Geschicke wohl kennen, daß sie Verbindungen haben, die bis in meine nächste Umgebung reichen. Ihr habt euch ja ohne Zögern entschieden, was uns auf dieses lockende Anerbieten zu thun obliegt – aber mir graut nun dennoch vor den Pergamenten und Papieren in der Truhe; denn sie sind der Steg, auf dem zu euch, zu euern Kindern, ja vielleicht noch zu euern Kindeskindern die Versuchung heranzukommen vermöchte.

      »Deshalb habe ich euch gebeten, das Werk mit mir zu vollenden und als entschlossene Leute diesen Steg hinter euch abzubrechen. Es ist das aber nur eine Bitte; ihr sollt völlig frei entscheiden.«

      Da sagte der Älteste unter den Brüdern:

      »Ich denke, Vater, wir verbrennen diese Dokumente noch jetzt zur Stunde.«

      Und der Jüngste setzte hinzu: »Vater, ich denke auch so.«

      »Und du, Georg?« fragte der Greis. »Sage frei alles, wie du es meinst.«

      Der sprach langsam: »Ja, Vater, mir wird es sehr lieb sein, wenn diese Urkunden verbrannt werden; denn die Güter sind groß, und die Worte in dem Briefe sind glänzend.« – – »Die Güter sind sehr groß,« setzte er leise hinzu.

      Martha stand auf und holte das Feuerzeug. Die Söhne aber trugen den Vater auf dem Ruhesessel behutsam in den Hintergrund des Gemaches und setzten ihn neben dem Ofen vor einem großen Kamin nieder, der noch aus den Zeiten des Klosters stammte und längst nicht mehr benutzt wurde.

      Martha breitete ein Tuch vor den Kamin und kniete darauf. Das Feuerzeug stand neben ihr.

      Der Greis aber nahm das erste Pergament aus der Truhe, entfaltete es und gab es ihr; sie legte es offen in den Kamin. Dann gab er ihr das zweite, an dem viele Siegel hingen, hernach das dritte und so fort, bis ein ziemliches Häufchen beisammenlag. Die Söhne standen hinter dem alten Manne, schauten über seine Schultern in jedes Pergament und sprachen leise über die alten Schriften.

      Jetzt sah man nur noch eine starke Rolle auf dem Boden der Truhe. Der Vater befahl seinen Söhnen, sie herauszunehmen und zu öffnen. Es geschah, und Haus hielt sie mit seinem Bruder Georg ausgespannt in den Händen.

      Ein schöngemalter Stammbaum war auf dem alten, festen Papier zu sehen. Im Vordergrund ruhte ein Ritter in voller Rüstung, und aus seiner Brust wuchs der Baum empor. Im Hintergrunde breitete sich eine Landschaft mit grünen Hügeln und dunklen Wäldern; auf dem höchsten Hügel aber stand eine brennende Burg. An dem mächtigen Stamme hing Schild an Schild, an den Ästen und Zweigen hing auch Schild an Schild, wie Äpfel in den Blättern eines Baumes, und auf jedem waren Namen und Jahreszahlen geschrieben, und der ganze Stammbaum von seinen Wurzeln bis in seine höchsten Äste trug auf diese Weise die Namen derer, die zu dem verjagten Geschlechte des alten Mannes und seiner Kinder gehört hatten. Auf der Rückseite dieses Kunstwerkes aber sah man große und kleine Siegel aufgedrückt, und daneben hatten Amtspersonen zum Zeugnis der Wahrheit ihre eigenhändigen Unterschriften gesetzt.

      Da befahl der Vater, das untere Drittel des Bogens wegzuschneiden. Sie spannten das große Papier straff aus, und Friedrich führte den Schnitt, der allen ins Herz ging. Es fiel auf den Boden des Gemachs der ruhende Ritter mit dem Falkenschild, es fielen die grünen Hügel der fremden Landschaft samt der brennenden Burg, und es fielen die vier untersten Schilde, auf denen die Namen des Vertriebenen, seines Sohnes, seines Enkels und seines Urenkels zu lesen waren.

      Alle schwiegen. Martha nahm den Streifen und legte ihn unter die Pergamente. Dann schlichtete sie rings umher viele harzige Späne und dürre Scheiter und griff zum Feuerzeug.

      Der Greis ließ das größere Stück des zerschnittenen Stammbaums zusammenrollen und in die Truhe legen. Dann aber bat er Martha, sie möchte ihm doch die zuletzt in den Kamin geworfene Pergamenturkunde, an der drei Siegel hingen, heraufreichen. Sie gehorchte, und er barg das Stück wieder in der leeren Truhe neben dem Stammbaum, indem er sagte: »Das kann als eine Erinnerung bleiben; es ist zwar auch ein altes Kerdern-Dokument, ohne die andern aber hat es keine Beweiskraft. Und nun, mein Kind, entzünde das Ganze in Gottes Namen.«

      Martha schlug Feuer, entzündete am glostenden Zunder einen Schwefelspan und hielt ihn mit den zarten Fingern an den Stammbaumstreifen, der zu unterst lag. Eine kleine Flamme schlug aus dem alten Papier, und der Widerschein erglühte auf ihrem Antlitz. Dann begannen die dürren Späne zu knistern und zu krachen, Funken sprühten, immer weiter leckten die Flammen, aus den Scheitern schlug prasselnd das rote Feuer, und zuletzt ging das feindselige Element an die Pergamente und fraß die vergilbten Zeugnisse mit ihrer geheimnisvollen Schrift und fraß die ehrwürdigen Siegel, daß ihr Wachs zerfloß, und die große Glut spiegelte sich jetzt auch auf dem faltigen Gesichte des alten Mannes, der sich in seinem Stuhle vorgebeugt hatte und sinnend auf die Zerstörung herabschaute.

      Nach einiger Zeit wurde das Feuer kleiner und kleiner, der Haufe sank zusammen, die Flammen sanken herab, und zuletzt lagen schwarzgraue Aschenblätter da, über deren gerollte Flächen eilig die letzten Fünklein hinwegliefen. –

      Jetzt war die Sonne untergegangen, und aus den Stubenecken kam die Dämmerung hervor. Draußen lag eine warme Luft über dem Dorf und über den Feldern und über den Waldhügeln. Pfeifend strichen die Schwalben an den Mauern des Klosters auf und nieder, drunten in den Gassen des Dorfes spielten die Kinder, und ihr Jauchzen klang zuweilen herauf – in der dämmerigen Stube aber war es ganz stille.

      Kinder und Kindeskinder.

       Inhaltsverzeichnis

      Der weißhaarige Mann war der Großvater meines Urgroßvaters, und es ist fast merkwürdig, daß wir die alte Geschichte noch so gut wissen. Aber Friedrich hatte sie Wort für Wort auf die letzten Blätter seiner Bibel geschrieben, danach hatte sie einer dem andern erzählt, und so ist sie mit allen Einzelheiten herabgewandert bis auf unsere Tage.

      Von den drei Söhnen des greisen Pfarrherrn war in drei Ästen eine große Nachkommenschaft erblüht. Auch Martha hatte sich einige Zeit nach des Vaters Tode an einen geliebten Mann verheiratet und einen andern Namen angenommen. Es kann wohl sein, daß auch von ihr noch Urenkel vorhanden sind; aber wir kennen sie nicht.

      Es ging mit unserm Geschlechte jahraus jahrein wie es mit allen andern Geschlechtern auf Erden zu gehen pflegt: die Kindlein wurden geboren, sie wuchsen heran, und ihre Väter und Mütter alterten. Die Knaben СКАЧАТЬ