Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ die Summa des Evangeliums und gleichsam Gottes Quittung und Handschrift. An diesen Brief hat Gott angehängt seine zwei Siegel, die Taufe und das Abendmahl. Wir aber können trotzen auf solchen Brief und solche Siegel und für uns und unsre gläubigen Erben gewiß sein, daß wir in ewige Zeit nicht wieder an unsre Schuld sollen gemahnt werden.«

      Hansjörg Portner sah auf die Gemeinde, und es schlugen nur noch einzelne Worte an sein Ohr: »bewahren – nicht rauben – auch keine andre Urkunde aufdringen lassen mit eingesetzten falschen Bürgen –«. Und er überschlug in seinen Gedanken, wer wohl von all den hundert und hundert um des Glaubens willen das Vaterland an den Schuhsohlen mit sich nehmen würde? Und während der Prädikant seine Abschiedsrede mit »Amen« schloß, murmelte Portner vor sich hin: ›Keiner!‹

      ›Keiner!‹ murmelte er, als er über den Kirchenplatz dem Herrenhause zuging und die demütigen Grüße der Häusler und Hammerknechte mit freundlichem Nicken erwiderte. Und warum keiner? Weil sie zum Gehorsam geboren waren, zum blinden Gehorsam. Er stand stille und sann: Wer hatte sie denn zu Knechten gemacht, Hansjörg Portner von und zu Theuern? Sein Blick fiel auf den finsteren, alten Bau, der über die Strohdächer der Hütten emporragte. Thorheit, die Portner waren von jeher gut gewesen mit den kleinen Leuten! Ja, was heißt gut? Sie hatten die Leute im besten Falle mit Güte geknechtet. Jetzt waren sie Knechte, und jetzt würden sie handeln, wie sie's gelernt hatten – knechtisch. Aber seltsam, warum erschien ihm denn die Kniebeuge, die er selber vorhatte, auf einmal so knechtisch, so verächtlich?

      Abend war's, und in der alten Wohnstube des Herrenhauses brannte das Licht. Hansjörg Portner spielte mit dem Bruder Schach; Frau Anna Felicitas verhandelte flüsternd mit zwei Mägdlein, Kindern des Prädikanten.

      »Ich lasse der Frau Mutter vielmals danken für das Büchlein,« sagte sie. »Aber nun setzt euch noch ein wenig zu uns her!«

      »Wir müssen gleich wieder heim, hat die Frau Mutter befohlen,« antwortete das größere Kind.

      »Dann will ich euch nicht abhalten. Aber sieh, Martha, hier habe ich schöne Aepfel, halte dein Schürzlein auf!«

      Sie legte die Aepfel sorgsam in die Schürze des Kindes, während Klein-Lisbeth mit wichtiger Miene sagte: »Du, Frau Portnerin, weißt du schon? Ich weiß was!«

      »Was denn, Lisbeth?«

      »Du, Frau Portnerin, wir kommen fort!«

      Da sagte Martha: »Viel schönen Dank, Frau Portner. Ach was, Liese! Weißt du, Frau Portner, du mußt's ihr nit übelnehmen, sie ist noch 'n bissel klein. Weißt d', Frau Portner, es wär' ja ganz lustig, daß wir fortkommen, aber weißt d', unsre Frau Mutter weint so viel, und der Herr Vater macht so 'n ernstes Gesicht, und weißt d', Frau Portnerin, da ist's nit lustig, daß wir fortkommen.«

      Frau Anna Felicitas erwiderte nichts. Sie hob das dreijährige Lieselein auf den Arm und herzte es, derweil sie mit der freien Hand den Scheitel der Sechsjährigen streichelte. Dann setzte sie das Kind behutsam auf den Boden und öffnete die Thüre. Und es klang wie Schluchzen, als sie sagte: »Nun geht brav heim, und grüßt auch den Herrn Vater und die Frau Mutter vielmals!«

      Ernsthaft nahm Klein-Martha das Schwesterlein an der Hand und ging hinaus. Die Portnerin geleitete sie an die Stiege. Die Thüre der Wohnstube stand offen.

      Hansjörg Portner achtete nicht mehr auf das Spiel. Er hatte die Faust aufs Knie gestemmt und lauschte den Schrittlein der Kinder.

      »Gute Nacht, Frau Portnerin!« sagten zwei feine Stimmen. Dann begann die Wanderung über die Treppe: Ein festeres Schrittlein, ein zaghaftes, schleifendes, wieder ein festeres, wieder ein zaghaftes. Die Schrittlein verklangen, und die Portnerin kam zurück.

      Hansjörg Portner sprang auf, ging ans Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit.

      »Die armen Würmlein!« seufzte Frau Anna Felicitas.

      Die Brüder schwiegen.

      Dann, nach langer Zeit, sagte Hansjörg Portner, als spräche er zu sich selbst: »Ein Held ist er!«

      »Wer?« fragte Georg.

      »Wer? Der kleine Prädikant! Wer sonst?«

      Beim Vizedom.

       Inhaltsverzeichnis

      Er war stattlich anzusehen in dem schwarzen, mit silbernen Knöpfen besetzten Atlaswamse, und seine Schwägerin, die mit dem Kindlein aus dem Arme nahe dem warmen Kachelofen saß, meinte lachend: »Wenn du die Beine auch noch so spreizest und auch noch so zornig auf und nieder gehst mit deinen klirrenden Sporen, Hansjörg, und wenn du auch noch so 'n grimmiges Gesicht schneidest, ein hübscher Knabe bist du doch.«

      »Das ist mir einerlei, Frau Schwägerin,« rief Portner, nahm den schwarzen, perlschnurumhangenen Hut vom Tische und blies über die Straußfedern, daß sie sich zitternd sträubten. »Der Herr Vizedom pfeift, und der Landsasse tanzt. Und da soll ich ein lustiges Gesicht schneiden?«

      »Auf unsre Gesichter kommt's nicht an; aber unsern Mann müssen wir stellen, sonst gehen die Zeitläufte ohne uns weiter,« sagte der edle Burghüter von Rieden, der neben Frau Anna Felicitas am Ofen stand. »Bist du bereit?«

      »Ich bin's,« antwortete Hansjörg. »Und meinen Mann stelle ich so gut wie einer; aber gerade weil ich das will, setze ich auch das Gesicht eines Mannes auf, Herr Vetter.«

      »Was will ich denn andres?« rief Hans Andre Portner. »Doch immer und alleweil können wir Landsassen auch nicht im Schmollwinkel sitzen und uns alte Geschichten erzählen!«

      »Von König Friedrichs Ritt nach Amberg, von seinem toten Rosse und von dem Volke, das ›Vivat‹ geschrieen hat,« sagte Hansjörg Portner und bedeckte das Haupt.

      Hans Andre aber meinte mürrisch: »Und wenn du's wissen willst, Hansjörg, für uns Landsassen giebt's jetzt kein andres Mittel – wir müssen dem Vizedom schmeicheln, schmeicheln um jeden Preis, wenn es uns auch nicht also ums Herz ist.«

      »Ich schmeichle niemand,« sagte Hansjörg kurz, ging zur Kammerthüre und pochte: »Georg, komm, es ist Zeit!«

      »Du verstehst das wieder ganz konträr, Hansjörg,« verteidigte sich der edle Burghüter. »Hohe Staatskunst im kleinen, das meine ich, das müssen wir treiben. Meint Ihr nicht auch, Mühmchen?«

      »Von Staatskunst verstehe doch ich nichts,« lachte Frau Anna Felicitas hell auf. »Aber ich denke mir's ganz hübsch, einmal beim Vizedom zu tanzen – das heißt, ich dächt' mir's hübsch, wenn ich nicht was Hübscheres hätte. Gelt, Dorel?«

      »Ewig schade, schönes Mühmchen, daß Ihr nicht mit nach Amberg reitet,« murmelte der edle Burghüter und verneigte sich.

      »Schmeicheln um jeden Preis, wenn es uns auch nicht also ums Herz ist,« sagte die kleine Frau und warf einen lachenden Blick auf Hans Andre.

      »Aber, Frau Muhme!«

      »Nein, nein, Herr Vetter, nur keine Staatskunst zwischen unsern einfachen Wänden! Spart's Euch auf heute abend! Schön hat mich noch keiner gefunden.«

      »Aber Anna Feli!« rief Georg Portner und schloß die Kammerthüre.

      »Ich СКАЧАТЬ