Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ sagte der Knabe im Traume und wandte sich, daß der volle Mondschein auf seinem Antlitze leuchtete.

      Da stand er neben dem alten Loißl auf der Schloßbrücke zu Amberg im hellen Mondlichte. Totenstill war's in der Gasse, und über der Brücke drüben vor dem Thore saß die Wache und schlief.

      »Daß sie den Kadaver noch immer liegen lassen auf der Brücke da,« sagte Hansjörg und betrachtete mitleidig das tote Roß des Pfalzgrafen.

      Loißl aber lachte in sich hinein: »Ist ja gar kein Kadaver! Thut nur so. Gelt, Bräunel?«

      Schwerfällig hob der Braune den Kopf und sah den Alten an mit großen verdrehten Augen.

      »Auf, Bräunel, auf!« lockte der Hüttenkapfer, und mit einem Sprunge erhob sich das Tier.

      Hansjörg schlug die Hände zusammen vor Staunen, und der tote Gaul stand da im hellen Mondlichte und blies weißen Rauch aus seinen Nüstern.

      Und ehe Hansjörg sich bedachte, saß er auf dem staubbedeckten Rücken und hielt sich an der langen Mähne; hinter ihm aber saß der Knecht und schlang die Arme fest um seinen Leib.

      »Ist ja doch alles nur Spuk, Spuk – da schaut, Junker, da hebt er sich von der Erde, da schaut, unter uns wie klein das Thor – Teufelsroß . . .!«

      In der silbernschimmernden Luft schwamm und ruderte das tote Roß des Pfalzgrafen und trug den Greis und den Jüngling über das nordgauische Land. Tief unten dehnten sich die Wälder und Felder, die Dörfer und Städte, tief unten liefen die weißen Straßen, und wie gläserne Adern blitzten die Bäche und Flüsse.

      Hansjörg fühlte sein Herz klopfen; er spähte in die Tiefe und fürchtete sich. Fester und fester umklammerten ihn die Arme des Greises, und es flüsterte an seinem Ohre: »Da drunten, Junker, schaut nur, wie das golden funkelt im Flusse da drunten und sich dreht und goldene Tropfen um sich streut – und dort und dort und da draußen – – schaut nur, so hab' ich's mein Lebtag, all mein Lebtag noch nicht gesehen! Hundert und hundert und tausend und tausend goldene Räder drehen sich in den Gewässern und laufen hinunter – nein, Junker, nicht nur in den Gewässern, nein, schaut nur, auf allen den Straßen und auf allen den Steigen rollen die feurigen Räder, tausend und tausend, Millionen feurige Räder. – Haltet Euch fest an der Mähne! Hört Ihr denn nichts? Es ist, als praßle Feuer durch Heu und Stroh, und das Klagen, Junker, horcht nur, das Klagen! Und jetzt, Junker, jetzt rollen die feurigen Räder in die Dörfer und Flecken und Städte, und jetzt, jetzt, Junker, schlagen die Flammen aus den Dächern, und das ganze Land, schaut nur, das ganze Land brennt, und die Stoppeln brennen auf den Feldern, und es brennen an den Tannen die Zapfen. Spüret Ihr's nicht, wie sich der Braune hebt, hoch in alle Höhen? – Haltet Euch fest! – – Das ist ja gar nimmer das kleine, nordgauische Land, Junker, nein! Da rinnen starke Ströme, und draußen blinkt das Meer, und überall rollen die brennenden Räder. Junker, mir dünkt, das ganze deutsche Vaterland steht in Flammen und Rauch. Und ich sag's ja, jedesmal und jedesmal, jedesmal und jedesmal, wenn die goldigen Tropfen rinnen von den goldigen Schaufeln hinter dem Hammer zu Theuern, dann kommt's. Junker, schaut nur, schaut nur, das Brennen, das höllische Brennen! – Ist alles teuflischer Spuk, Junker. Horcht, wie sie schreien und heulen und schießen da drunten, und, merket Ihr's nicht, wie der Rauch die Augen beißt? –«

      Eine rote Dunstmasse verhüllte den Mond, und auf der Dorfstraße zu Theuern klapperte wie gestern der alte Hüttenkapfer neben dem Junker:

      »Und ich sag' Euch, Herr, wenn alle die Toten aus dem schrecklichen Feuer kämen, das ganze Thal würde voll von ihren geschwärzten Gerippen, dünkt mir, das ganze Thal. – Hört Ihr das Heulen nicht? – – Gieb mir, mein Sohn, dein Herz und laß deinen Augen meine Wege wohlgefallen!«

      Hansjörg Portner stöhnte auf seinem Lager, und hoch über der kleinen Burg und dem totenstillen Lande zog der Mond seine friedlichen Bahnen.

      Aus Welschland heim.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war im Spätherbste des Jahres 1627.

      Der Gardasee wogte unter dem frischen Wehen der Ora, eine blaue Welle nach der andern klatschte auf den Strand von Torbole.

      Westwärts ragten die hohen, blaudunstigen Berge, nordwärts lag inmitten der Landschaft, hereingeworfen als ein alter, gefurchter, ungeheurer Steinklotz, der langgestreckte Monte Brione. Zu Füßen des hochgebauten Kastells von Nago glänzten und blinkten Torboles weißgetünchte, flachgedeckte Häuser und starrten mit ihren schwarzen Fensterhöhlen auf die dunkelblaue Flut. Ueber die Ufermauern herab wallte teppichgleich der wilde, rotglühende Wein. Wälder von graugrünsilbernen Oliven dehnten sich gegen Morgen längs den schroffansteigenden Felsen.

      Im kleinen Hafen schaukelten sich schwere Barken, und leise schwankten ihre hohen Masten hin und her. Auf dem Ufersande knieten Weiber und Mädchen und schlugen schwatzend und lachend ihre Wäsche. Schräg über die Piazza griffen die Aeste eines uralten Maulbeerbaumes, und in ihrem spärlichen Schatten wogen sie mit ernsthaften Gesichtern das harte Olivenholz.

      Eine große Barke, vollbeladen mit Kaufmannsgütern, Rossen und Menschen, kam unter der Ora aus dem duftigen Süden, leise rauschend brachen sich die Wellen an ihrem Buge, golden glänzte ihr gelbes Segel in den Strahlen der Nachmittagssonne, und ganz vorn an ihrer Spitze stand ein gebräunter, hochgewachsener Mann. Der betrachtete unverwandt das gewaltige Bild.

      »Ist's wohl da draußen wieder deutsch, Herr?« fragte ein Kriegsknecht hinter dem Gebräunten.

      »Noch nicht, Mathes, aber bald,« kam die Antwort zurück.

      »Und wie weit ist's dann noch auf Theuern, Herr?«

      »Hast Heimweh, Mathes?« fragte Hansjörg Portner und wandte sich um nach seinem Knechte.

      »Dicksatt bis an den Hals herauf hab' ich das welsche Wesen, Herr! Und jetzt um die Zeit giebt's zu Haus wohl auch wieder frisch Kraut in Theuern, und nach solchem, Herr, und nach einem saftigen Stück Schweinernem, Herr, hab' ich mächtig Hunger.« Dabei schnalzte er leise mit der Zunge, und Hansjörg Portner lächelte.

      »Und ob deine alte Mutter noch lebt, möchtest halt auch wissen, gelt Mathes?«

      »Schon auch, schon auch, Herr.«

      Langsam fuhr die große Barke in den Hafen von Torbole, die Schiffsleute schrieen, das Segel fiel.

      »Besorge alles, Mathes! Wir reiten ohne Aufenthalt. Ich denke, droben in Nago liegt ein Brief an mich.«

      Portner sprang ans Land.

      »Je geschwinder, desto besser!« murmelte der Knecht. »Da drüben blühen Rosenbüsche, und schreiben heut ja doch den fünfzehnten November. Je geschwinder aus dem welschen Wesen, desto besser, Herr.«

      Hart am Ufer draußen, abseits vom Lärm des Volkes, stand Hansjörg Portner. Rauschend brach sich Welle auf Welle zu seinen Füßen, und in tiefem Sinnen sah er hinaus, zurück über die wallende, glitzernde Fläche des herrlichen Sees bis zu dem Berge, dessen Felswand so schroff abfällt in die Flut, ein duftigblauer Schattenriß.

      Portner kreuzte die Arme und murmelte vor sich hin, derweil die blauweißen Federn auf seinem großen Hute in der luftigen Ora wehten: ›Als Knabe hineingeritten – als Mann heraus. Viel gewonnen – manches verloren. – Verloren? СКАЧАТЬ