Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 61

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

isbn:

СКАЧАТЬ ein Verlust ist, dann habe ich verloren. – Heute kommen, morgen gehen – wie haben sie doch damals vor fünf Jahren gesungen da drüben in der Herberge? – Hört ihr, was die Wellen rauschen? –‹

      Er summte vor sich hin:

      ›Und als wär's zum letzten Male,

       Fass' ich noch den Glast und Schein

       In die wonnetrunknen Augen,

       In das heiße Herz hinein.

      Füllt mir einen letzten Becher,

       Füllt ihn hoch bis an den Rand –

       Hört ihr, was die Wellen rauschen

       Dort am schaumbedeckten Strand?

      Heute kommen, morgen gehen,

       Ist das harte Losungswort –

       Alles ist ein Spiel der Wellen,

       Und wir treiben eilig fort.

      Drum genieße, was die Stunde

       Dir an reinem Glück beschert!

       Weißt du denn, du Eintagsfliege,

       Ob es jemals wiederkehrt?‹

      »Eccelenza, io sono fertig,« rief der Knecht.

      Noch einen langen Blick that Portner nach Süden: ›O bella Italia, bella, bella Italia!‹

      Dann wandte er sich und ging zu dem uralten Maulbeerbaume, bei dem der Knecht mit den Rossen hielt.

      »Warum schreist du denn wieder so laut und lügst – Eccellenza?« fragte Portner und musterte den Sattelgurt.

      »Weil ich will, daß die welsche Bande heut wie allezeit einen höllischen Respekt hat vor meinem Herrn. – Heiliger Gott, wie sie das Holz wiegen, die Kerle – wiegen, Herr, schaut nur!«

      Die Hufe klangen auf dem steinigen Saumpfade, und zwischen knorrigen Oelbäumen und großblätterigen Feigenbäumen, vorüber an ragenden Felswänden ritt Hansjörg Portner mit seinem Knechte bergan.

      Noch einmal öffnete sich eine weite Fernsicht über graugrüne Haine und gelbschimmernde Weingärten hinaus auf den Spiegel des Sees.

      Portner hielt sein Roß an und sah noch ein letztes Mal auf das gewaltige Bild. Hinter ihm hielt sein Knecht, stellte sich in den Bügeln und riß ein Zweiglein mit dunkelblauen Früchten vom Oelbaume.

      Ein grünlicher Abendhimmel spannte sich flimmernd über der langgestreckten Fläche. Fern im Süden lagen rotbraune Dünste auf dem Gewässer. Und wie im Traume hielt Portner und blickte nach Süden: O bella, bella Italia!

      Da stand auf einmal vor seiner Seele die Heimat. Er sah das arme Flußthal mit seinen fichtenbewachsenen Hügeln, er sah das Herrenhaus mit den grünen Fensterläden, vor seinen Augen sprangen die plumpen Hirsche auf der kurzen Steinbrücke, ragte über den geflickten Strohdächern die graue Burg mit ihrem groben fünfeckigen Turme, dehnte sich unter dem niederen nordischen Himmel der große Garten; und es war ihm, als hörte er den Novembersturm, wie er die letzten Blätter von den kahlen Zweigen raufte, es war ihm, als hörte er die verrostete Wetterfahne knarren auf dem Sitze seiner Väter, es war ihm, als hörte er die Gewässer murmeln unter der Holzbrücke und als pochte aus weiter, weiter Ferne der Hammer von Theuern.

      Ein kühler Luftstrom kam von Norden herunter, das Roß des Knechtes wieherte hell auf, das Roß des Junkers gab Antwort.

      »Mathes, nimmer lang, dann sind wir daheim!« rief Portner, und es war wie leises Jauchzen, was er rief.

      »Und schmecken wieder einmal rechtschaffenes Schmalz!« murrte der Knecht und spuckte verächtlich eine bittere Oelbeere aus dem Munde.

      Die Dämmerung sank mit Macht hernieder, und auf dem Saumpfade erklangen die Steine.

      *

      Hansjörg Portner saß am Herdfeuer in der Herberge zu Nago und las beim Scheine der roten, flackernden Flammen:

      »Besonders freundlicher, lieber Bruder. Dieser ist also der letzte Brief, den ich Dir nach Welschland sende, und ehe der Winter ins Land kommt, bist Du zu Haus.

      »Meine Frau Eheliebste und ich sitzen oft beisammen und reden von Dir, meine Herzallerliebste ist neugierig wie ein junges Geißlein auf den hochgelehrten Herrn Bruder, der von Bologna den nächsten Weg nach der Heimat über Venedig genommen hat und nun heimkehrt als ein Sieger über Seeräuber, ruhmbedeckt und friededurstig, und ich muß ihr viel erzählen von Dir.

      »Lieber Bruder! Ist mir verwunderlich und beinahe zum Lachen: der kleine Jörg ist ein Ehemann mit Weib und – na, so weit ist's ja noch nicht, aber was nicht ist, kann werden. Nun also, er ist ein Ehemann, und der große Hansjörg, der die Welt gesehen hat, läuft herum als einschichtiger Schnapphahn. Klein ist er zwar auch nimmer, dieser Jörg, aber verwunderlich bleibt's doch, daß er so viel weiter ist als sein Herr Bruder.

      »Warm soll Dir's werden in der Heimat, lieber Bruder. Freilich, es ist vieles anders geworden in dieser Heimat, als es ehedem war, und dem lieben Bruder mag es im Anfang seltsam vorkommen, daß wir in einem eroberten Lande wohnen.

      »Als ein erobert Land wird das Fürstentum der Oberpfalz traktiert, obwohl nun doch schon sechs Jahre seit der Eroberung vergangen sind, und der Herr Vizedom in Amberg führt ein scharfes Regiment. Das Volk auf dem flachen Lande und die Bürger in den Städten haben ihre Waffen müssen abliefern, als wären die Bayern ihres Lebens nimmer sicher, und mucken ja doch gar nicht, die Bürger und Bauern – Du kennst sie ja. Hält sich auch die Ritterschaft ganz ruhig auf ihren Gütern, ausgenommen etliche wenige, die aber außer Lands sind: so der Wildensteiner zu Staufersbuch, der schon Anno 1620 im geheimen gegen den Kaiser geworben hat.

      »Es haben sich aber die Bayern im Lande niedergelassen und eingerichtet, als gedächten sie nie mehr daraus zu weichen. Und glauben auch alle Verständigen, vorab Herr Mendel von Lintach, der den lieben Bruder vielmals grüßen läßt, daß wir das bayrische Regiment behalten werden im Fürstentum der oberen Pfalz. Nun, wie Gott will. Freilich, wenn's nur der Kurfürst allein wäre! Aber so weiß ja die ganze Welt, daß am Kurfürsten die Jesuiten hängen wie die Zapfen am Tannenbaum. Und regen sich auch schon allenthalben in der oberen Pfalz.

      »Es muß heraus, hab's dem freundlich lieben Bruder bisher verschwiegen in meinen Briefen: In den Kirchen auf dem flachen Lande, die nicht wie Theuern, Lintach und die andern unter adeligen Patronen stehen, ist nunmehr durchweg der calvinische Gottesdienst abgeschafft und sind die Prädikanten des Landes verwiesen. Ist ja auch eine Irrlehre, des Calvins Lehre, aber ich sag' doch: Gott sei's geklagt! Denn was den einen, den Calvinisten, geschehen ist, kann den andern, den Lutherischen, auf den Landsassengütern und in den Städten geschehen alle Tage.

      »Freilich, an uns Landsassen wird er ja doch nicht rühren, der Kurfürst, wenn uns gleich alle Privilegien zerrissen sind seit Eroberung des Landes; aber an die Unterthanen kann's gehen, ehe man sich's versieht. Will mir und dem lieben Bruder das Herz nicht schwer machen, auch nicht reden von den Landsassen im Chamischen, die bereits scharf drangsaliert werden. Wenn die Oberpfälzischen vom Adel untereinander eins sind, so wird er's nicht wagen, der Kurfürst. Sind ja doch ein großer Haufe, wir Landsassen.

      »Vieles ist anders geworden in Abwesenheit des Bruders, habe ich eingangs geschrieben. СКАЧАТЬ