Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ niemals seit Menschengedenken. Und das haben wir nächst unserm Herrgott niemand anderm zu danken als dem Zantner, dem Ehrenmanne. Er freilich läßt sich nichts gelten, der sonderbare Kauz, aber auch unsern Herrgott nichts. Lacht, wenn ich ihn lob' und unserm Herrgott dankbar bin, daß unser Stammgut aus dem schweren Schuldenstande herauskommt. Meint, wenn man einen Obstbaum gut dünge, so müsse er Früchte geben, und unser Herrgott kümmere sich nichts um den Baum und nichts um die Aepfel, gehe alles nach bestimmten Gesetzen; und wenn man mit getreuen Knechten von früh bis Nacht arbeite, so müsse das Werk in Aufnahme kommen. Hab' ich ihm entgegengehalten: Wo der Herr nicht das Haus bauet, da arbeiten umsonst, die daran bauen. Hat er mich angefahren: Glaubst du, der Herrgott hat den Krieg in dieses und jenes deutsche Land geschickt einzig und allein zu dem End' und Ziel, daß dein Waffenhammer in Flor und Esse komme? Hab' ich geschwiegen, weil ich nichts zu sagen wußte. Zu sagen wäre schon dies und das darauf, hat hernach meine Anna Feli gemeint, als ich's ihr erzählte. Aber der Zantner ist solch ein grundgelehrter Herr, daß unsereinem, der ja nur ein schlichter Landsaß und Hammerherr ist, das Wort im Schlunde stecken bleibt.

      »Hat übrigens viel Hauskreuz gehabt in den letzten Jahren, der Zantner: Ist ihm aus der großen Kinderschar sein ältester Sohn als ein Sechzehnjähriger vom Pferde gestürzt und auf dem Flecke tot geblieben, und ein vierzehnjähriges Mägdlein kurz nachher an einer hitzigen Krankheit verstorben. Seitdem ist er gar sonderbar geworden, der Zantner, stellt sich hart und spöttisch gegen die Leute, ist aber nicht hart, nein, das wissen wir alle, die mit ihm zu schaffen haben. Sagt die Anna Feli, daß keiner einen Harnisch anlege, der nicht irgend etwas Weiches zu verwahren habe. Uns ist er Rat und That immerfort.

      »Ja, Hansjörg, gottlob, es geht aufwärts in Theuern. Der Bastian ist nun ganz hinausgezahlt, und so verbleibt uns drei Brüdern das Gut. Vom Wolfheinz kann ich Neues nicht vermelden, nur daß er noch immer als Rittmeister in Diensten des Königs von Dänemark steht, aber schon seit sechs Monaten nimmer geschrieben hat. Dem ist doch von Anfang an ein unsteter Sinn eigen gewesen.

      »Wie lob' ich mir dagegen mein friedlich Haushalten! Und auch der liebe Bruder, obwohl er etliche Jahre her seine Fortuna in Welschland gesucht hat, ist, so schätze ich, froh, den Hals seines Rosses wieder nach Theuern wenden zu können.

      »O, das liebe, alte Theuern, wie geht all mein Sinnen und Trachten darauf, daß es in Aufnahme komme je mehr und mehr! Und der Bruder wird auch seine Freude haben daran, wenngleich an der Vils keine Lebensbäume wachsen, von denen er in seinem letzten Schreiben so schön erzählt hat, und im Garten hinter dem Herrenhause keine gelben Zitronen. Aber mit fröhlichen Augen und lachendem Herzen kann man hier sehen die lieben Feldfrüchte und die Anger und Auen voll von Schafen und Rindern. Erhalt' uns Gott den Frieden in diesem Fürstentume mitten im großen Krieg, nachdem die Kriegsfurie in andre Länder gezogen ist!

      »Von Bastian sehen und hören wir nicht viel; er hält sich ferne von uns. Das will mir oft beschwerlich fallen, da mein Spruch ist: Gottes Freund und niemands Feind. Kann nichts dafür. Der Vetter Hans Andre besucht uns des öftern, seitdem wir ihm von der Schuld viertausend Gulden abgetragen haben. Weiß nicht, ob er's ganz aufrichtig meint. Die Anna Feli traut ihm nicht.

      »Ja, die Anna Feli, Hansjörg, die hat viel mit Dir zu schaffen, obwohl sie Dich noch gar nicht kennen thut. Ist aber eine alte Geschichte, lieber Bruder: Wenn zwei im warmen Nest sitzen und ist ihnen so wohl zu Mute, dann denken sie mit besonderm Erbarmen an die traurigen Schnapphähne, die es nach ihrem unfürgreiflichen Erachten nicht so gut haben. Und so sagt denn auch die Anna Feli oft zu mir: ›Heiraten muß er!« – Wer denn? – Nun, der Junker Hansjörg Portner von und zu Theuern. – Und wir wüßten Dir auch eine, falls Du nicht, was Gott verhüten wolle, solch eine Welsche mit Dir bringst hinten auf Deinem Rößlein. Wen denn? Ja, das behalten wir für uns. Eines Ehrenmannes und biederen Junkers und einer frommen Mutter Kind; hebt ihr Name mit R an und endet – nun, vielleicht endet er einmal mit ›Portnerin von und zu Theuern‹. Und schön ist sie, Hansjörg, mein Bruder, schön wie Salomos Schönste unter den Weibern im Hohen Liede. Viellieber Hansjörg, reite, was Du reiten kannst, schaff Deinem Rößlein Flügel und reite, reite über Berg und Thal, bis Du ihn pochen hörst, den Hammer zu Theuern! Anna Feli läßt Dich grüßen, wie Dich grüßt

      Dein Bruder Jörg.

      Datum Theuern, den 1. Oktober 1627.«

      Zum letzten Male.

       Inhaltsverzeichnis

      Ein Jahr war vergangen.

      Die Glocken von Theuern riefen hinaus in den klaren Septembermorgen. Dichtgedrängt saßen die Leute in der alten Kirche, dichtgedrängt standen sie vor der offenen Thüre auf dem kleinen Friedhofe zwischen den hohen Mauern. Es war zum letzten Male.

      Totenstille lag auf der Gemeinde, und das Geläute der Glocken klang wie eine Totenklage. Es war ja zum letzten Male.

      »Seltsam Ding, zum letzten Male!« murmelte Hansjörg Portner dem Bruder ins Ohr, der neben ihm saß und heftig nickte und dann in sein Gesangbuch starrte.

      Hansjörg war kühlen Herzens über den weiten Platz geschritten, und das verweinte Gesichtchen seiner Schwägerin hatte er nicht recht verstehen können. ›Wozu braucht einer die kalten Mauern und den Mann am Altar und die Glocken? Gott ist überall. Sklavenvolk!‹ stand auf seinem Antlitze zu lesen, als er die Stufen emporschritt. Aber jetzt? Die kalten Mauern – es waren doch nicht nur kalte Mauern! Und der Altar – es war doch mehr als ein Tischlein zwischen den Mauern! Und die Glocken – ja, die Glocken, die Glocken waren lebendig! Und auf einmal ward ihm zu Mute, als säße nicht er, der stolze Mann, in dem alten Gestühle, sondern ein schwaches, schwermütiges Knäblein, und mit den Augen des Knäbleins sah er um sich. Nein, er schloß die Augen und träumte, und es war, als spännen sich starke Fäden, einer nach dem andern, von seinem Platze zurück in die Jugend und von der alten Wohnstube drüben im Schlößlein herüber zu diesem Gestühle. Er sah den ehrwürdigen Mann, dem er das Dasein verdankte, und er sah die schöne, große, stolze Frau, die seinem Leben die Richtung gegeben, und er sah sich bei ihnen sitzen. Und jetzt öffnete er die Augen und träumte mit offenen Augen weiter, und die Glocken sprachen herein in den bittersüßen Traum.

      Kalte Mauern? Thorheit! Da hingen zwischen den schmalen, spitzbogigen Fenstern dicht aneinander die Totenschilde seines Geschlechtes; da wallte von der Empore die kleine, verschlissene Fahne hernieder, die einer vor zweihundert Jahren den wilden Hussiten abgenommen und zum ewigen Gedächtnis in der Kirche aufgehängt hatte; da standen der Reihe nach, mit großen Klammern befestigt, die alten und uralten Grabsteine; da hingen die dunkeln Bilder, aus denen nur noch hin und wieder ein Antlitz oder ein heiliger Leib helle hervorquollen; da stand neben der niederen, rundbogigen Sakristeithüre der massige Taufstein; da hing an rostiger Kette vom Gewölbe herab, mitten im Schiffe, das Skelett des riesigen Fischkopfes. Es war dem träumenden Manne zu Mute, als müßte er gleich nach der Kirche des Vaters Hand erfassen und sagen: Bitte, Herr Vater, bleibet doch noch einen Augenblick und erzählet mir, ist's denn wirklich wahr, in diesem Rachen ist der Urahn gesteckt? Und der Vater würde ihm über die Locken fahren und flüsternd antworten: Dumm's Buberl, nicht im Rachen ist er gesteckt, aber am Arme hat's ihn gepackt, das Ungeheuer, hart vor dem gelobten Lande, und den Arm hat er auch lassen müssen und hernach der Einarm geheißen sein Leben lang. – Dutzendmal hatte ihm der Vater die grausige Geschichte erzählt, und nie hatte er sich genug davon gehört. – Nein, die Mauern waren nicht kalt, jeder Stein sprach, und am deutlichsten sprach der Stein da drüben, gerade gegenüber dem Portnerschen Gestühle. Unzählig oft hatte der Jüngling, der Mann die Schrift gelesen, heute trat ihm unvermerkt das Wasser in die Augen. Waren's die scharf gemeißelten Buchstaben: »Quirin Portner von und zu Theuern« – »Katharina Portnerin, geborene Kemnaterin« – oder war's der Spruch: »Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn«, der Spruch, auf den die СКАЧАТЬ