Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ Hand und erhob sich.

      Als der Dritte seiner Söhne vor ihm kniete, da konnte man sehen, daß er des Vaters Ebenbild war. Der sprach zu ihm: »Ich segne dich, Friedrich. Vergiß niemals, daß du ein Diener des Worts bist, und lasse dir nie dünken, daß du sein Herr seiest; dein heiliges Amt ist, Menschen zum Lichte emporzuführen – denke immer daran, daß auch du im Finstern tappest, sowie die Leuchte in deinen Händen verlischt.«

      Nun wandte der Vater das Haupt und sah in das schöne Antlitz an seiner Seite, das von Thränen überströmt war. Dann sagte er:

      »Weine nur immerhin, mein gutes Kind, wenn es dir dadurch leichter im Herzen wird. Lebe wohl, meine Martha; du warst das Licht meines Alters, und ich segne dich, wie ich deine Brüder segne. Ihr aber, meine Söhne, waret immer gut gegen Martha, und sie war immer gut gegen euch. Jetzt übergebe ich euch die Martha; schützt sie als eure Schwester, so lange sie dieses Schutzes bedarf. Reichet ihr die Hände, wenn ihr das alles erfüllen wollt.«

      Da traten die Söhne herzu und nahmen die Hand des Mädchens, das sein Haupt auf den Schoß des Vaters gelegt hatte. Der alte Mann strich mit den zitternden Händen immer wieder über ihr lichtes Haar, und sie weinte bitterlich. –

      »Meine Söhne,« sagte nun der alte Mann, »die Zeit ist gar kurz, und ich habe noch wichtige Dinge mit euch zu besprechen. Martha, schließe das Pult auf und gib mir den Brief mit dem großen Siegel, der neulich gekommen ist.«

      Martha erhob sich, schloß das Pult auf und brachte dem Vater einen großen Brief mit einem erbrochenen Siegel. Der gab ihn seinem jüngsten Sohn und sagte: »Lies ihn, Friedrich, deinen Brüdern und deiner Schwester vor; denn er geht euch an. Er ist, wie du siehst, in lateinischer Sprache abgefaßt, und so wirst du ihn am besten sehr langsam lesen und gleich übersetzen, damit auch deine Schwester den Inhalt kennen lerne.«

      Und Friedrich las:

      »Edelgeborener Freiherr von Kerdern, ehrwürdiger Herr Pfarrer! Nach langwierigen Bemühungen ist es mir gelungen, Sie ausfindig zu machen, und jetzt will ich eine heilige Pflicht erfüllen. Sie haben die Ihnen zustehenden Adelsprädikate fallen lassen und führen nur den einfachen Geschlechtsnamen. So habe ich erst nach vielen Mühseligkeiten und ziemlichem Kostenaufwande alles ausfindig gemacht und trage Ihnen nunmehr folgendes an:

      Im Jahre 1430 haben, wie Ihnen wohl bekannt ist, die Hussiten Ihren Vorfahren Hans von seinen Gütern verjagt, weil er deutschen Herkommens war und sich unbeugsam weigerte, seinen katholischen Glauben abzulegen. Die eingezogenen Güter aber bestanden einerseits aus königlichen Lehen, anderseits aus Eigengütern. Die königlichen Lehen verfielen und wurden an Fremde verliehen, die Eigengüter aber kamen an einen Agnaten, der es verstanden hatte, sich in die Zeit zu schicken, und ohnedem durch seine Mutter czechischen Ursprungs war.

      Dieser – mein Vorfahr – hat nun kurz vor seinem im Jahre 1471 erfolgten Tode ein Testament gemacht, in dem er sich mit harten Worten der Schwachheit und noch schlimmerer Dinge beschuldigte und seinen Sohn beschwor, auf irgend eine Weise den Nachkommen des Vertriebenen wieder zu ihren Gütern zu verhelfen. Ob dieser sein Sohn bestrebt war, den Willen des Vaters zu thun, kann ich nicht wissen. Aber auch sein Testament enthält den Befehl, nach den Verwandten zu suchen, die er trotz vieler Mühe nicht habe finden können. »Der größte Teil unserer Güter,« heißt es dort, »gehört dem verjagten Geschlechte, und meine Erben sind verpflichtet, ihn sofort zurückzuerstatten, sowie sich jemand von ihnen zeigt.« Das war im Jahre 1530, und seit dieser Zeit, also seit 190 Jahren, ist diese Bestimmung in allen Testamenten meiner Vorfahren enthalten.

      Schwere Unglücksfälle in meinem Geschlechte haben mich mit ernstem Winke an die alte Schuld gemahnt. Ich teile Ihnen mit, daß ich nach dem frühzeitigen Hintritt meiner zwei Söhne der Letzte meines Stammes bin. Unser Besitz ist derzeit ein sehr großer in Böhmen und Ungarn; denn zu jenen alten Gütern sind allmählich noch bedeutende Erwerbungen gekommen. Diese werden nach meinem Tode an meine Töchter übergehen, die alten Güter aber sollen nach meinem festen Willen noch zu meinen Lebzeiten in Ihre Hände gelangen, oder – in die Hand der Gesellschaft Jesu.

      Nach vielen Bemühungen also und nicht zum mindesten durch den Eifer der patres societatis Jesu in Prag, denen aber meine letzten Absichten noch nicht bekannt sind, und durch die Beziehungen, die sie in allen Ländern besitzen, habe ich Sie gefunden, habe mich über Ihre Verhältnisse unterrichtet und die Überzeugung gewonnen, daß Sie meines Geschlechtes sind. Hierauf bat ich den Gesandten des Kaisers am Hofe des Königs von Frankreichs, daß er Ihnen diesen Brief zustelle. Ich glaube nicht, daß Sie, ein Pfarrer, die Güter selbst in Besitz nehmen wollen; denn ich füge eine feste Bedingung bei: Weil ich der katholischen Kirche treu ergeben bin und überdies jener Vertriebene auch ein Katholik war, so ist es mein Wille, daß nur ein Katholik diese Güter antreten soll. Teilen Sie aber mein Anerbieten Ihren Söhnen mit und geben Sie mir innerhalb dreier Monate Antwort. Ich weiß, daß Sie zuweilen Ihren Bekannten von den alten Dokumenten erzählten, die Sie besitzen, und so hoffe ich, daß Sie die sehr notwendigen Zeugnisse Ihrer Abstammung in Händen haben.

      Meine Linie hat von alten Zeiten her einen andern Namen und ein anderes Wappen als die Ihre geführt, ich kann mich aber, wie Sie einsehen werden, vor Ihrer Zusage nicht zu erkennen geben. Ihre Stammburg ist längst zerfallen, und nur wenige Menschen kennen die Ruinen, die keinen Namen mehr haben. Wohlan, ich besitze die Macht, Ihr Geschlecht wieder emporzuheben an den Ort, der ihm zusteht. Aber die Bedingung in dem Punkte der Religion ist eine feste und kann niemals geändert werden. Man hat mir gesagt, daß Sie rechtschaffen sind. Deshalb will ich nicht besonders aussprechen, daß Sie ohne Hinterhalt auf meine Bedingung eingehen müßten. –

      Das auf diesen Brief gedrückte Siegel des Gesandten am französischen Hofe wird Ihnen für die Wahrheit meiner Worte genügenden Beweis geben.«

      Friedrich faltete das Schreiben zusammen und besah sich das Siegel. Dann gab er es seinen Brüdern. Die besahen sich auch Schrift und Siegel, und keiner sagte ein Wort. Es war ganz stille in dem Gemach.

      Da richtete der alte Mann im Ruhesessel das Haupt in die Höhe, schaute seine Söhne nach der Reihe an und fragte: »Was haben wir hier zu thun, Hans?«

      Der kreuzte seine Arme über der Brust und sprach: »Die Güter sind reich und sind gewiß größer als mein kleines Pachtgut, und die Worte in dem Briefe sind sehr glänzend. Ich glaube nicht, daß der Brief ein unwahres Wort enthält. Aber der Kaufpreis ist zu hoch; mir brächte es, so schätze ich, wenig Gewinn, um des Geldes willen unsern lutherischen Glauben abzuschwören und danach ohne Ehre in einem Schlosse zu wohnen. Und so bleibe ich auf meinem Pachthofe.«

      »Und was sagt ihr, Georg und Friedrich?« fragte der Greis.

      Da besann sich der Offizier eine kurze Zeit; dann aber sah er den Vater an und erwiderte ihm mit fester Stimme:

      »Das nämliche wie mein Bruder.«

      »Und ich,« sagte Friedrich, »denke wie meine Brüder.«

      Da faltete der Greis die Hände und schaute lange hinaus über die Strohdächer des Dorfes, über das abendliche Thal, hinüber zu den Waldhügeln, die im Glanze der untergehenden Sonne schwammen. Dann sprach er:

      »Ihr habt gewählt, meine Söhne, ihr habt so gewählt, wie ich es von euch gedacht habe, als ich den Brief gelesen hatte, – nicht anders als ich mir gedacht habe. Und es ist gut so. Es ist mir nicht bekannt, daß noch irgendwo Leute unseres Geschlechtes wohnen, und so haben wir nur für uns zu sorgen. Schreibe daher, Hans, in der nächsten Zeit mit kurzen Worten an den Gesandten und teile ihm unsern Entschluß mit. Jetzt aber bitte ich euch, daß ihr das Werk mit mir vollendet. Tragt mir doch die kleine, braune Truhe aus meinem Schlafgemach, ihr kennt sie, die mit den Eisenbeschlägen.«

      Hans СКАЧАТЬ