Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 49

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ zwischen den Zähnen die Leiter empor. Droben spreizte er die Beine, lehnte sich mit den Knieen an die letzte Sprosse und begann zu malen. Und es währte nicht lange, da war die Jahrzahl fertig und glitzerte schwarz, tiefschwarz im Sonnenscheine.

      »Sechzehnhundertneunzehn,« murmelte Portner.

      »Kommst mit herauf?« fragte Sauerzapf. »Meine Mutter hat nie was dagegen, wenn sie mich in deiner Gesellschaft sieht,« setzte er spöttisch hinzu. »›Dieser Portner,‹ pflegt sie seufzend zu sagen, ›ist doch ein durch und durch gediegener Mensch.‹ – Und dann legt sich immer auch gewissermaßen ein Abglanz auf meine nichtswürdige Person.«

      »Ja,« sagte Portner zerstreut und spähte unverwandt die breite Straße hinab zum letzten Hause unter dem Herzogschlosse;»denn jetzt hab' ich gar keine Lust, heimzugehen.«

      »Bei deiner Muhme ist Besuch,« warf der andre hin. »Vor euerm Hause stehen drei gesattelte Gäule.«

      »Gerade deshalb will ich jetzt nicht heim, Sauerzapf. Mein Oheim Hans Andre sitzt bei der Muhme. Ich kenne doch den Eisenschimmel.«

      »Der edle Burghüter!« lachte der andre. »Darf ich dir vielleicht ein Lederkoller mit Stahlplatten aus meines Vaters Waffenkammer anbieten?«

      Hansjörg lächelte.

      »Nur in Eisen und Stahl tritt ihm ein Kluger entgegen;

       Denn ein gräßliches Loch schwätzt er ihm sonst in den Bauch!«

      deklamierte Sauerzapf.

      »An allzuschwerem Blute leidet auch dieser Portner nicht,« sagte Hansjörg und schritt über die Schwelle.

      »Exceptio firmat regulam,« wiederholte der andre mit Nachdruck.

      In der großen Wohnstube der verwitweten Frau Anna Elisabeth von Kemnat pfiffen aus allen Ecken gefangene Vögel, und die alte Dame, die hochaufgerichtet und steif in ihrem Stuhle saß, horchte auf die langen und breiten Geschichten, die der edle Burghüter von Rieden, Hans Andre Portner, erzählte.

      »Und bei alledem, was für geschwinde Zeitläufte sind's, in denen wir leben, Frau Muhme. Ihr müßt's ja doch wissen! Wird unser durchlauchtiger Herr Kurfürst Friedericus der Fünfte die böhmische Krone annehmen oder wird er sie ausschlagen? Ho, potz schlapperment, um Vergebung, Frau Muhme, warum sollt' er sie ausschlagen? Käm' einer zu mir und thät s' mir anbieten – was thät' ich mich lang besinnen? Wer früh sattelt, kann früh reiten – so wollt' ich sagen und ritte gen Böheim.«

      »Wer gern tanzt, dem ist gut pfeifen,« kam's von den spöttisch gekräuselten Lippen der alten Frau.

      »Und wer nichts wagt, gewinnt nichts,« antwortete Portner. »Warum ist denn der Durchlauchtige vor etlichen Wochen so lang in Amberg beim Herrn Statthalter gewesen? Und warum sind die Boten geritten aus Böhmen heraus und nach Böhmen hinein Tag um Tag, bis er gewählt war, der Durchlauchtige? Und wer kann wissen, wie's weitergeht? Krieg wird's, Frau Muhme. Aber die Pfalz und Böhmen werden siegen. Es geht ein Wort vom Statthalter in Amberg um, das er zum Durchlauchtigen soll gesprochen haben: ›Euer Liebden setzen sich nur in den Stuhl! Wer will dieselben so bald wieder heraustreiben?‹ Und potz Blitz, sie werden ihn nimmer heraustreiben, den pfälzischen Leuen. Das muß ein guter Landsaß glauben. – Aber daß diese Vormundschaft in Theuern in solchen Zeitläuften erst recht kein Zuckeressen ist, könnt Ihr Euch denken, Frau Muhme,« fuhr er fort und nippte von dem Weine, der in köstlichem Krystallglase vor ihm auf dem Tische funkelte. »Alles geht den Krebsgang da draußen – und wem wird die Schuld zuerst und zuletzt in die Schuhe geschoben? Mir und dem Scharffenberger! Wem denn sonst? Ihr wißt ja, wie die Verwaltung bestellt ist in Theuern!«

      »Woher sollte ich Dinge wissen, die ich nicht zu wissen begehre, weil sie mich nichts angehen?« fragte die alte Dame kühl und regte sich nicht.

      »O,« fuhr Portner eifrig fort, »eingerichtet ist's ja vortrefflich, dafür haben wir gesorgt, der Scharffenberger und ich. Aber was hilft die Ordnung, wenn einer immer wieder alles in Unordnung bringt?«

      Frau Anna Elisabeth von Kemnat erhob sich und sagte: »Wo nur der Hansjörg heute bleibt? Ich will einmal bei den Sauerzapfischen nach ihm fragen lassen. Entschuldigt mich, Herr Vetter!« Und damit ging sie aus der Thüre.

      Vorsichtig spähte Portner zurück. Dann goß er das große Glas auf einen Zug hinunter, füllte es wieder aus dem Kruge, lehnte sich im Stuhle zurück und leckte seine Lippen.

      »Er wird gleich kommen,« sprach die alte Frau und schloß die Thüre, setzte sich würdevoll in ihren Stuhl und faltete die Hände im Schoße.

      »Das müßt Ihr doch auch noch hören,« sagte Hans Andre eifrig. »Warum haben sie denn so schnell hintereinander sterben müssen, der Quirin und seine Hausfrau? Ein Jammer! Ist mir oft, als hätt' ich gestern erst ihretwegen den Klagmantel umgehabt, und ist schon bald sechs Jahre her. Nicht wahr, sieben Jahre, seit das Sterben war in Amberg und am Flusse hinunter! Jawohl, sieben Jahre. Nun also, was ich sagen wollte, das Gut wird verwaltet und auch das Hammerwerk, und auf die Liesi Fischerin, den alten Drachen, kann man sich ja verlassen. Ihr wißt doch, daß die Liesi Fischerin die Obermagd ist?«

      Frau von Kemnat schwieg und blickte unbeweglich auf ihre Hände.

      »Obermagd,« fuhr Hans Andre fort. »Aber so viel ist außer allem Zweifel, tausend Gulden Interessen verschlingen alle Jahre die Schulden allein, unter sechshundert Gulden kann der Haushalt auch nicht bestellt werden, von den zweihundert Gulden zu schweigen, die auf das Kostgeld und die Kleidung der minderjährigen Kinder gehen. Der Aelteste ist ja wohl aus der Tutela der Vormünder, aber gerade das ist das größte Unglück. Er hat sich aus seines Vaters selig Wohnung begeben, wohnt im alten Bau hinterm Dorfe und hält sich als ein Edelmann, hat einen Diener, lebt in Verschwendung und verächtlichem Müßiggang, Unser Gutachten begehrt er niemals im geringsten, ja, läßt sich bedrohlich gegen uns Vormünder vernehmen.«

      Hans Andre Portner schöpfte Atem, und mit starrem Antlitze forderte ihn Frau Anna Elisabeth von Kemnat zum Trinken auf. Er nippte hastig, dann fuhr er fort:

      »Und Theuern kann's nicht ertragen, daß er seinen Edelmannstand also führt und nichts thut als essen, trinken, spazierenreiten. Er ist ein undankbarer Gast und ein unbändiger Mensch. Und jetzt, denkt Euch nur, verlangt er ohne weiteres das Seinige heraus. Frau Muhme, das Seinige verlangt er heraus! Und natürlich verlangt's auch der Wolfheinz. Das geht aber schnurstracks gegen das väterliche Testament: Die Güter dürfen nicht geteilt werden, ehe die Schulden bezahlt sind. Das alles muß heute abend in Theuern besprochen werden und beraten. Und deshalb hole ich den Hansjörg. – Ihr seid doch andauernd zufrieden mit ihm, Frau Muhme?«

      »Er ist ein junger Edelmann, wie er sein soll,« antwortete Frau von Kemnat mit eisiger Ruhe. »Verlässig, offenherzig gegen seine Freunde und schweigsam – über fremde Angelegenheiten, von denen er Wissenschaft hat, Herr Vetter.«

      »Das war sein Vater selig auch,« beeilte sich Hans Andre zu sagen, »gewiß, gewiß. Aber ein verrückter Kauz war er doch dabei; muß oft lachen, wenn ich an den guten Narren denke –«

      Hans Andre Portner that einen leisen Schrei und zog sein linkes Bein unter den Stuhl. »Um Vergebung,« sagte er und versuchte höflich zu lächeln, aber sein Lächeln ward zum schmerzlichen Grinsen – »um Vergebung, was haben Euch denn meine Leichdörner gethan?«

      Statt aller Antwort wies Frau von Kemnat auf die Thüre hinter dem Burghüter, und als er umsah, stand Hansjörg Portner im Rahmen und schaute totenbleich auf den Vetter.

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