Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 44

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ nur die Tauben gurrten unter den Strohdächern, und zuweilen ertönte das gedämpfte Schreien eines Wiegenkindes hinter kleinen, bleigefaßten Guckfenstern. Kein Mensch ließ sich blicken zwischen den Häusern, und auch die Kettenhunde lagen still in ihren warmen Hütten.

      Und noch stiller als im Dorfe war es nahe der alten Kirche, wo, seitab von den letzten Strohdächern, thalwärts zwischen reifstarrenden Linden ziegelgedeckte Türmchen und Erker und helle Fenster hervorlugten und über den Baumwipfeln weißer Rauch zum blauen Himmel emporwirbelte. Da scharrte kein gackerndes Huhn, da gurrte keine Taube, da schrie kein Wiegenkind. Im Rauhreife glitzerte die breite steinerne Brücke des flachen, ausgetrockneten Grabens, und die plump gemeißelten Hirsche, die zur Rechten und Linken auf den Brüstungen sprangen und steinerne Wappenschilde hielten, die hatten weißglitzernde Köpfe und Geweihe. Und auf dem weiten, kiesbestreuten Platze vor dem zierlichen Herrenhause stolzierte schweigend ein großer Pfau mit seinen Hennen, fremdartig anzusehen im winterlichen, deutschen Waldthale, fremdartig wie der nackte, rauhreifbedeckte Sandsteingott, der den wasserlosen Röhrenbrunnen inmitten des Platzes krönte. –

      Das Thor des Herrenhauses war verschlossen, aber durch die Butzenscheiben des Stiegenturmes leuchtete die Sonne golden auf die sandbestreute, breite Wendeltreppe, die zum ersten Gaden führte, und von den alten Hellebarden, die da kreuzweise an den Kalkwänden hingen, von den runden Eisenhauben und den großmächtigen Hirschgeweihen ging ein mattes Leuchten und Schimmern aus.

      Feierliche Stille herrschte in dem Hause. Frau, Kinder und Gesinde waren drüben in der Kirche. Nur der kranke Edelmann saß droben in der Wohnstube und schrieb.

      Im Kachelofen knisterte das Feuer, auf den Wandbrettern über den schwerbeschlagenen Eichenthüren blinkten die Messingbecken, die Lichthalter, die zinnernen Teller und die bauchigen Kännlein mit ihren eingegrabenen Wappen. Der großblätterige Epheu, der über dem braunen Tafelwerke an der weißen Kalkwand zwischen glotzenden Hirschköpfen und zierlichen Rehgewichten gezogen war und fast die ganze weite Stube umrankte, hatte viele neue Schößlinge, und in den tiefen Fenstern standen blühende Rosenstöcke. Zuweilen schwirrte eine Brummfliege schwerfällig durch die warme Luft und stieß hart an eine blaugrünglänzende Butzenscheibe, dann und wann hob der Jagdhund am Ofen den Kopf und sah zu seinem Herrn hinüber und steckte den Kopf wieder zwischen die Pfoten – und langsam knirschte die Schreibfeder über das große Papier.

      Nun wischte der Edelmann bedächtig den Gänsekiel am Tintenlumpen aus, nahm die Streubüchse, ließ das Pulver kunstvoll in einer Spirale auf die nassen Buchstaben rieseln und lehnte sich tiefaufatmend zurück.

      Seine schmalen, weißen Hände bargen sich zitternd kreuzweise in den weiten Pelzärmeln, und wie Frösteln lief es über seine Glieder. Unmutig erhob er sich und ging mühsam an den großen Ofen. Der Hund spitzte die Ohren, pochte mit dem wedelnden Schweife kräftig an die Holzbank und sah unverwandt zu seinem Herrn empor. Der aber beachtete ihn nicht, setzte sich auf die Bank und grübelte vor sich hin. Kurze Zeit. Dann erhob er sich abermals, ging zurück und ließ sich wieder in den Lehnstuhl sinken, nahm das beschriebene Blatt von der Steintafel und las, erst leise und rasch, dann halblaut und langsam:

      »– – Da nun aber ich, Quirin Portner von und zu Theuern, wohl zu Herzen und Gedanken gezogen, daß je zu Zeiten nach eines Menschen tödlichem Abgange um dessen irdische Güter sich allerlei Zank und Irrungen erheben, so habe ich mir vorgenommen, ein Testament zu machen. Und wie ich festiglich glaube und vertraue, mein Erlöser werde mich und alle Gläubigen allein durch sein Verdienst aus lauter Gnade und Barmherzigkeit in sein ewiges Himmelreich aufnehmen, so befehle ich, meinen Leib nach christlicher Gewohnheit, jedoch ohne sonderlich unnötig Gepränge zu Theuern in der Kirche neben meinen lieben Eltern und Voreltern zu bestatten, und gebe meinen Willen dahin kund, daß nach solcher Bestattung den Armen im Dorfe Theuern und andern guten Leuten fünf Eimer Bier verabreicht und dazu sechs Viertel Weizen ausgebacken werden sollen. Eine Leichenrede aber verbitte ich mir, denn es wird nirgends mehr gelogen als an offenen Gräbern.

      »Ferner, nachdem Gott mich und meine liebe Hausfrau Katharina, geborene von Kemnat, mit vier Söhnen, nämlich Sebastian Wolf, Wolf Heinrich, Hans Georg und Georg, gesegnet hat, ist mein väterlicher Wille, daß diese gegen ihre Mutter sich allen Gehorsams, aller Liebe und schuldigen Treu befleißigen und auch sich selbst brüderlich lieben, einer dem andern herzlich helfe.«

      Der Junker hielt inne und murmelte: ›Du lieber Gott, was kann einer in seinem Testament nicht alles wünschen und befehlen – und hernach? Wenn du's ihnen nicht ins Herz geschrieben hast, Quirin, der feierliche Spruch im Testamente da wird nicht viel helfen.‹ Er sann und fuhr fort:

      »– – Ist ferner mein Wille, daß Sebastian Wolf seinen Sitz dereinst nehme im alten Schlosse, so kurpfälzisches Lehn ist und von meinen vier Söhnen zu gesamter Hand empfangen werden muß; daß dagegen Wolfheinz im Hammerhause, Hansjörg und Jörg mit meiner lieben Hausfrau im neuen Schlosse wohnen.

      »Das Holz, in die achttausend Tagwerk groß, ist der beste Schatz beim Landsassengute Theuern, und nachdem ich für das Hammerwerk Zeit meines Lebens allzuviel Holz verwendet habe und die Wälder, wofern es recht in Schwung bliebe, sehr abgeösigt würden, so ist mein Wille, daß meine Söhne dereinst das Hammerwerk eingehen lassen.«

      Der kranke Mann legte das Papier auf den Tisch und faltete die Hände. In der Kirche drüben hatte die Orgel zu spielen begonnen, und gedämpft ertönte der Gesang des alten Lutherliedes »Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort« in die stille, festtägliche Stube. Das Haupt des Edelmannes war vorgeneigt, und über sein bleiches Antlitz rollte eine schwere Thräne, als er die letzten Verse mitmurmelte:

      »Steh bei uns in der letzten Not,

       Gleit uns ins Leben aus dem Tod!«

      Aber hastig fuhr er mit dem Pelzärmel über die Wange, nahm das beschriebene Papier, verschloß es in der Tischlade und setzte sich aufrecht in seinen Sessel. Und jetzt wurde wohl drüben die Kirchenthüre geöffnet; denn scharf und schrill ertönte das Orgelspiel.

      Quirin Portner stand auf, trat an ein Fenster und spähte hinaus in den sonnigen Morgen.

      Scharenweise kam das Volk aus der Kirche und sammelte sich auf dem weiten Platze zwischen dem Friedhofe, dem Flusse und der Steinbrücke zum Herrenhause – Bauern und Hammerknechte und Weiber in Gruppen, wie es Gewohnheit war seit alter Zeit.

      Der Edelmann preßte die Stirne an das Glas und seufzte. Die Stufen der Kirche herab stieg seine Hausfrau im pelzbesetzten, damaskatenen Mantel, mit der schwarzen, goldgestickten Haube auf dem Kopfe. Freundlich grüßte sie nach allen Seiten, sprach hier ein altes Mütterlein an, winkte dort einem Kinde und spähte doch immer wieder hinüber zu den Fenstern der Wohnstube und schritt fast jugendlich durch die Menge, die eine breite Gasse machte vor ihr und dem Büblein an ihrer Hand und den drei größeren Knaben. Sein Weib und seine blühenden Kinder kamen da drunten durch den Sonntagmorgensonnenschein, und den kranken Mann da droben in der warmen, behaglichen Stube schüttelte jetzt ein Schauer, daß seine Zähne aufeinander schlugen. Dann aber ging er in die Schlafkammer nebenan, legte den weiten Pelzrock ab, band eine mächtige Radkrause um den Hals, steif gestärkt und blendend weiß, fuhr in das Wams von schwarzem Atlas und strich prüfend über die silbernen Borten. Und als sein Weib und seine Kinder die Stiege heraufkamen, stand er schon wieder am Tische in der großen Wohnstube, lang und hager anzuschauen. Und es ging ein schmerzliches Zucken über Frau Katharinas Angesicht, als sie das gelbe und doch so stolze Haupt des Kranken über der blendend weißen Halskrause erblickte. Doch rasch, mit einem sonnenhellen Lächeln kam sie zu ihrem Eheherrn, ergriff seine Hand, hob sich auf den Fußspitzen und bog ihre Stirne zurück. Und Quirin Portner beugte sich hernieder, herzte sie und küßte sie auf ihre Stirne. Und so standen die beiden und sagten sich wortlos ihre Liebe, als wäre heute ihr Hochzeitmorgen.

      »Frischauf, Bastian, Wolfheinz, was lümmelt ihr am Ofen? Vorwärts, wappnet СКАЧАТЬ