Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen - August Sperl страница 47

Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

isbn:

СКАЧАТЬ der langsam und nachdenklich heraufkam und Frau Katharina an der Wand lehnen sah. »Mutter!« bat er leise und dringend und zog an der Hand, die das Antlitz bedeckte.

      »Still, Hansjörg, still, daß es keiner hört! Der Vater ist so krank und traurig, da hab' ich heimlich ein bissel weinen müssen. Aber jetzt ist's schon wieder vorbei. Komm, hole deinen Mantel, und in der Küche laß dir die Laterne geben und den Fallenspeck. Hansjörg, komm, ich muß in die Waffenkammer gehen.«

      Und Mutter und Sohn traten aus dem Schlosse unter den funkelnden Sternenhimmel.

      Das uralte Steinhaus hinter der Kirche stand finster da und schaute mit seinen engen Guckfenstern, dem hohen Ziegeldache und dem dicken, fünfeckigen Turme trotzig über die Strohdächer des Dorfes. Mutter und Sohn betraten die Zugbrücke, die über dem tiefen Graben lag, und ihre Schritte klangen dumpf und hohl.

      Da blieb der Knabe mitten auf der Brücke stehen und betrachtete sinnend das rundbogige Thor und die große Steinplatte, die hoch darüber zwischen zwei kleinen Fenstern in die dunkle Mauer eingelassen war.

      »Mutter, wie lange der Hirsch wohl in dem Schilde da droben springen mag?«

      »Lange, Hansjörg, das kann kein Mensch ausdenken.«

      »Und wie lange mag wohl das Steinhaus und der Turm stehen, Mutter?«

      »Viel, viel hundert Jahre, und es sind auch noch uralte Briefe vorhanden, die nur der Vater lesen kann. Aber komm, Hansjörg, nimm die Laterne und leuchte mir, daß ich den Schlüssel anstecke! Mich friert.«

      »Mutter, nur noch eines: Wie viele Portnerkindlein mögen sie wohl unter dem Bogen hervor zum Taufen getragen haben, und wie viele Portnersärge mögen wohl schon auf der Schwelle da gestanden sein?«

      Frau Katharina blickte von der Seite her auf ihren Knaben und murmelte etwas. Dann sagte sie laut: »Und wie viele mögen schon in all den hundert und hundert Jahren aus diesen Guckfenstern ins blühende Land und auf die goldenen Felder und auf den glitzernden Rauhreif, wie er heute war, hinausgesehen und sich ihres Lebens gefreut haben? – Doch komm, Hansjörg!«

      »Mutter,« fragte der Knabe in tiefem Sinnen und leuchtete mit der Laterne, während Frau Katharina den großen Schlüssel ansteckte, »Mutter, kann sich denn einer seines Lebens freuen?«

      »Aber, Hansjörg, freilich!« rief sie und stieß das Thor auf. »Die Vöglein freuen sich auch und jubilieren im grünen Walde.«

      »Und hernach fallen die Blätter, und es wird Winter, und sie müssen hungern.«

      Frau Katharina sagte nichts und schüttelte nur immer den Kopf, während sie die starke Thüre schloß und sorgsam den Holzriegel umlegte.

      »Mutter,« begann der Knabe wieder im dumpfigen Hausflure, »ich bin noch so klein, und bis ich groß werde, ist der Herr Vater und seid Ihr schon lange tot. Und wer hilft mir dann, wenn mich der Bastian schlägt? Und in Amberg ist auch ein großes Sterben, Mutter; vorhin hat's der Vetter Hans Andre zum Vetter Münzer gesagt!«

      »Er schlägt dich, Hansjörg, er untersteht sich?«

      »Liebe Mutter, nicht oft, nur zuweilen, dann ist er wieder ganz gut. Und Ihr habt ja doch schon so viel Kummer mit ihm. Ich wollt' ihn gewiß nicht anklagen, es ist mir nur gerade so in den Sinn gekommen. Und sagt's nur ja dem Vater nicht!«

      »Na, warte!« murmelte Frau Katharina und stieß eine Thüre auf. »Da setze die Laterne her – so! – Du dummes Buberl« – sie beugte sich herab, nahm seinen Kopf zwischen die Hände und küßte ihn – »machst dir Gedanken über lauter dumme Sachen. Könnt's einer glauben, daß du kaum erst zehn Jährlein bist? Du dummes Buberl wirst einmal schwer durchs Leben gehen! – Aber da schau, der Vater hat recht gehabt – alles durcheinander geworfen! Na, warte, dem Bastian will ich –!«

      »Mutter, was war das? Habt Ihr's gehört?« schrie der Knabe. »Da wieder! Schaut nur, dort am Fenster die feurigen Augen!«

      Frau Katharina zitterte. Doch sie faßte sich rasch und rief: »Dummes Buberl, ist ja nur ein armseliger Nachtvogel! Fürchtet sich just grade so wie du. Komm, laß uns nach den Fallen sehen!«

      Des Knaben Zähne schlugen aufeinander. Gehorsam aber bückte er sich und hob die Klappen und steckte die Köder an die Haken. Hierhin und dorthin leuchtete die Mutter mit der Laterne, und das unsichere, rötliche Licht huschte über die Streithämmer, die Stecher und Eisenhüte an den Wänden, über die Roßdecken und Sättel und Zäume und über die beiden schwarzen Stahlrüstungen, die gleich großen, gewappneten Männern in einer finsteren Ecke auf ihren Gestellen Wache hielten und riesige Schatten warfen.

      Frau Katharina hatte die Laterne auf den Boden gesetzt, hob herabgefallene Decken auf und legte sie über die Gerüste. Dann ging sie hinter zu den Geharnischten und rückte an ihnen.

      »Mutter, kommt! Mutter, kommt doch!« drängte der Knabe.

      »Mein Hansjörg wird sich wohl nicht fürchten?« kam's zurück. »Bub, da schau her! Das Herz muß dir klopfen, aber nicht vor Angst! In diesen Harnischen sind sie alle geritten, dein Vater, dein Ahn, dein Urahn, dein Guckahn, alle Portner, so weit man's weiß. Und wenn heute der Kurfürst ruft, so wird alles von den Gestellen genommen und blank geputzt, und der Herr Vater –« Sie stockte.

      »Mutter, der Herr Vater kann doch jetzt nicht reiten, der ist ja krank. Mutter, kommt!« drängte der Knabe.

      Sie gingen der Thüre zu. Nur einen ganz kleinen Lichtkreis zeichnete die Laterne vor ihnen auf die Dielen, und in Finsternis versank die dumpfige Rüstkammer. Sie schlossen die Thüre hinter sich. Ihre Schritte hallten in dem gewölbten Hausflure. Frau Katharina hob den Riegel, die Angeln knarrten, die Schlüssel rasselten, und kalt und finster wie vordem ragte das öde, uralte Steinhaus über den Strohdächern des Dorfes.

      »Mutter,« begann der Knabe, legte die Hand in ihren Arm und schmiegte sich an ihre Seite, »Mutter, ich habe doch vorgestern abend dem dann haben sie wieder die Hämmer geschwungen. Ich aber hab' die Botschaft ausgerichtet und bin eilig zum Vater gelaufen. Und um die Feierabendzeit bin ich wieder zum Hammer gegangen und hab' dem alten Loißl aufgepaßt, hab' ihn gebeten, er solle mir von den Zwergen erzählen, Zwargeln hab' ich sie genannt wie er. Da hat er mich an der Hand genommen und hat mich lange angeschaut. ›Junkerlein,‹ hat er gesagt, ›wenn ich da wollt' alles erzählen, so könnt' ich erzählen diese Nacht und den andern Tag und in die zweite Nacht, und das meiste könntest du gar nicht verstehen.‹ Da hab' ich ihn gebeten, daß er mir doch erzähle. Und er hat mir's versprochen. Deshalb bin ich dann gestern nach Feierabend zu ihm gegangen, wißt Ihr, Mutter.«

      »Und der alte Loißl hat dich furchtsam gemacht, dummes Buberl!« sagte die Mutter.

      »O nein, Mutter,« beteuerte der Knabe und atmete tief auf. »Vor den Zwergen braucht sich keiner zu fürchten, hat der Loißl gesagt, viel eher vor den Menschen als vor den Zwergen. – Wißt Ihr,« fuhr er eifrig fort, »die Zwerge sind ehedem gar mächtig gewesen im Lande, haben feste Häuser und Städte gehabt, bis sie von den Menschen vertrieben wurden. Denkt nur, vertrieben aus ihren Häusern und Städten, die armen Zwerge! Seitdem wohnen sie nun in den Wäldern und Höhlen – Mutter, der Loißl glaubt, in unsern Wäldern wohnen auch Zwerge. Aber er glaubt, die alten Portner können nichts dafür; denn die waren immer barmherzig mit den kleinen Leuten, sagt der Loißl. Und, Mutter, die Zwerge schmieden goldene und silberne Kelche und Kettlein und Spangen und sind Vater und Mutter und Kinder wie wir. Und wenn ein Zwerg stirbt, Mutter, dann wird er mit seinen Sonntagskleidern angethan und in einen gläsernen Sarg gelegt und bekommt sein Hämmerlein in die Hand; die СКАЧАТЬ