Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ gehen, trotz der braven Menschen, die sich hier Ihrer angenommen haben. Ich sehe das an allem. Ich habe ein besseres Unterkommen für Sie. Ich bringe Sie zu einer Freundin, zu dem bravsten, edelsten Herzen von der Welt. Bei ihr werden Sie gesunden. An ihrem Herzen auch, das — der alte Postmeister hatte Recht — doch wohl der kränkste Teil an Ihnen, der eigentliche Sitz Ihrer Krankheit ist. Schlagen Sie ein, Madame, folgen Sie mir.«

      Die Frau saß in Tränen da. Sie hatte keine Antwort, keinen Entschluss.

      »Meine Zeit ist kurz gemessen, Madame«, sagte der Domherr. »Entschließen Sie sich, oder besser, überlassen Sie es mir, Ihren Entschluss zu bestimmen. Sie können hier nicht bleiben. Sie sind hier andern Leuten zur Last und folglich sich selber. Darum müssen Sie hier zugrunde gehen, wie ich sagte. Wohin ich Sie führe, da belästigen Sie keinen Menschen, nicht mich, nicht einen andern. Sie werden da wieder aufleben. Summa, Madame, wir sind einig. Machen Sie sich fertig zur Abreise!«

      Die Frau erschrak doch.

      »Jetzt gleich?«

      »Jetzt gleich. Die Pferde warten auf uns.«

      Die Frau hatte sich gesammelt, entschlossen.

      Alles, was der Domherr ihr gesagt hatte, war wahr, richtig. Dem alten Herrn sah man in jedem seiner edlen Züge, hörte man in jedem seiner Worte die Bravheit und Aufrichtigkeit an. Der Postmeister Feldmann, ihr Wohltäter, hatte ihn selbst zu ihr geführt, sollte für ihn einstehen. Er kam und sprach endlich zu ihr im Namen eines Mannes, der der Kamerad, also auch der Freund ihres Gatten war.

      »Zwei Bedingungen noch, mein Herr«, sagte sie.

      »Sprechen Sie sie aus, Madame.«

      »Niemand, auch Ihr Herr Neffe nicht, er am allerwenigsten, darf erfahren, wohin Sie mich bringen.«

      »Zugestanden, Madame.«

      »Sodann, mein Herr, müssen Sie vorher wissen, wer die ist, deren Sie sich annehmen. Ich muss Ihnen erzählen —«

      »Madame«, unterbrach sie der Domherr, »kein Wort sollen Sie mir erzählen, wenigstens hier nicht. Ich habe wahrhaftig keine Zeit. Ich muss um ein Uhr heute Mittag in Paderborn sein, wenn meine Nichte Gisbertine mir nicht die Augen — hm, und wir haben schon zehn Uhr und noch über acht Meilen zu fahren.«

      »Aber ich bin eine Verbrecherin, mein Herr!« rief die Frau.

      Er sah sie an, er blickte ihr tief in die Augen; er sah das Unglück, die Schuld darin.

      »Madame«, sagte er, und der Ton seiner Stimme war auf einmal ein anderer, ein tief ernster, fast ein strenger und doch ein so milder und wohlwollender, »Madame, der Verbrecher bedarf der Sühnung der Aussöhnung mit sich, mit Gott, mit der Welt. Dazu wieder bedarf er großer, kräftiger Erhebung. Sie, Madame, hat das, was Sie getan, verbrochen haben, tief niedergedrückt, ich sehe es Ihnen an. Sie können nur durch fremde Hilfe wieder aufgerichtet werden. Das Herz, dem ich Sie zuführe, wird Sie aufrichten. Ihm vertrauen Sie sich an. Meine vortreffliche Karoline wird dann schon wissen, ob und was ich weiter von Ihnen erfahren muss oder nicht. Und nun kommen Sie.«

      Er stand auf.

      Sie erhob sich mit ihm. Sie war mit sich einig. Sie musste nur noch weinen, jetzt so recht bitterlich.

      Er nahm ihre Hand; er drückte sie herzlich. Sie wollte die seinige küssen.

      »Nein, nein, Madame«, wehrte er ab. »Nehmen Sie Ihr Kind. Packen wir Ihre Sachen ein.«

      Sie nahm ihr Kind. Sie gingen in ihr Stübchen. Sie packte ihre Sachen ein. Es war so Weniges.

      Der Domherr befahl unterdes der Wirtin, einen Träger für den Koffer zu besorgen und hatte dann noch anderes mit der Frau zu verhandeln.

      »Ist Euch die Madame noch Miete oder sonst etwas schuldig?«

      »Nur die Miete für den letzten Monat. Sie war immer so ordentlich und so fleißig.«

      »Aber sie war oft krank, Frau.«

      »Dann arbeitete sie doch, im Bette, wenn sie auch die Finger kaum halten konnte. Es tat einem im Herzen weh, wenn man es sah, wie sie sich quälte. Ich nahm ihr manchmal die Arbeit weg. Sie hätte sich ja so nicht anzustrengen gebraucht; der Herr Feldmann hatte für alles gut gesorgt. Aber sie wollte keinem Menschen etwas schuldig sein.«

      »So, so«, sagte der Domherr. »Hier, Frau, habt Ihr Eure Miete.«

      »Aber, Herr, das ist ja mehr als das Zehnfache von dem, was die Madame mir schuldig ist.«

      »Behaltet es zum Andenken an sie.«

      »O, vergessen werde ich sie in meinem Leben nicht. Sie war so gut und so unglücklich und immer mit allem zufrieden, wenn es auch noch so schlecht war.«

      Die Sachen waren gepackt, der Träger war da. Die junge Frau nahm ihr Kind auf den Arm, von ihrer Wirtin und ihrem Stübchen einen weinenden Abschied. Sie hatte ihre Tränen verbergen wollen vor dem Domherrn oder vor den Leuten auf der Straße, in die sie treten musste.

      »Weinen Sie sich aus, Madame«, sagte der Domherr zu ihr. »Sie waren hier unglücklich, da wird Ihnen der Abschied schwer. Sie hatten in jedem stillen Winkel, in jedem ungewissen Schatten Ihres Stübchens einen stummen, aber mitleidigen Zeugen Ihres Unglücks. Sie sollen sie alle jetzt verlassen, da wird das Herz zu eng und die Augen fließen über.«

      Sie vermochte sich doch zu fassen, die Tränen zu trocknen.

      Mit dem Kinde auf dem Arm verließ sie an der Seite des Domherrn das kleine, ärmliche, einsame Haus.

      In der engen, entlegenen Gasse waren keine Menschen, auch die andern Straßen des nicht sehr lebhaften Landstädtchens waren leer. Aber vor der Post waren viele Menschen versammelt, beinahe wie in Münster; sie standen auch ebenso ängstlich harrend wie dort.

      »Der vermaledeite Postillion hat geplaudert«, sagte der Domherr.

      Es war so. Der Mann hatte von der schrecklichen Kanonade erzählt, die man über dreißig Meilen weit, noch bei Münster, in der Erde gehört habe, von dem Schrecken, der überall die Leute ergriffen, von der Prozession zu der Mutter Gottes, die sie sofort in Telgte veranstaltet hätten. Der bleiche Schrecken ergriff auch die Leute in Warendorf in jedem Hause, in das die Kunde drang, und sie flog wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Auch hier war ja kein Haus, das nicht einen Angehörigen bei der Landwehr dahinten aus dem Kriegsschauplatze hatte. Von der Post war die Nachricht ausgegangen; auf der Post war der Reisende, mit dem sie gekommen war; er war vom Rhein, vielleicht noch weiter her; er musste noch mehr wissen. So war alles dahin geeilt.

      Im Innern des Posthauses standen um den Postmeister die Honoratioren des Städtchens; alle Fenster waren besetzt; sie warteten auf die Rückkehr des Domherrn.

      »Da ist er«, hörte der Domherr sie rufen.

      Da musste er doch fluchen, trotz des geistlichen Domherrnkreuzes.

      »Alle Teufel, was nun?«

      Aber er wusste es.

      Die Pferde waren angespannt, wie er es dem Postmeister aufgetragen hatte. Der alte Diener Johann stand am Wagen.

      »In СКАЧАТЬ