Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ darin, Dich so einzurichten, dass Du mit uns zusammen in Hofgeismar ankommst, damit Du, der Du alles da kennst, für uns, die wir völlig unbekannt dort sind, Wohnung und was sonst erforderlich ist, besorgen kannst. Wir reisen heute von Berlin ab und werden am 15. dieses Monats um Mittag in Paderborn sein. An der Post dort wirst Du uns finden. Wir fahren von da zusammen weiter.

      Sollten wir nicht da sein, so haben wir einen andern Weg genommen und werden dann um sieben Uhr abends in Hofgeismar eintreffen, wo wir Dich schon anwesend und ein Quartier, von Dir für uns bestellt, schon vorzufinden hoffen. Adieu, lieber Onkel, auf Wiedersehen.

      Deine Gisbertine.

      N. S. Verzeih’, dass ich so spät, unmittelbar vor unserer Abreise, an Dich schreibe. Ich war vorher zu viel mit Einpacken beschäftigt.«

      Das war der Brief Gisbertinens.

      Der Domherr ärgerte sich doch wieder, als er ihn gelesen hatte.

      »Diese Rücksichtslosigkeit! Als sie mit ihrem Ein packen fertig war, da war es noch Zeit genug, an mich zu schreiben, mich zu ihrem Reisekurier, ihrem Kommissionär zu machen. Ich kann nun Tag und Nacht eilen, mich rädern lassen in diesen alten westfälischen Heiden; auf jeder der vierzig Stationen einen Krontaler Trinkgeld bezahlen, damit sie mit Bequemlichkeit ihre Sachen einpacken konnte. Und von dem Gisbert kein Wort. Und sie hat doch den armen Menschen — o, sie hat kein Herz. Sie kann nur die Leute tyrannisieren. Der arme Steinau! Was er gewollt hat, darauf kam es nicht an. Sie wollte nach Hofgeismar, da musste er mit. Und was will sie in dem kleinen Bade? Sie habe eine Sehnsucht nach mir? Hätte Sie doch noch ein Gewissen? Also auch ein Herz? Herz — Gewissen — ha, was ist denn das eine, was das andere? Lesen wir den zweiten Brief.«

      Er las den zweiten Brief.

      Derselbe lautete folgendermaßen:

      »Lieber Onkel Florens!

      Wir gehen hier ernsten Stunden entgegen; wir stehen unmittelbar vor ihnen…«

      Er unterbrach sich in seinem Lesen.

      Die Sonne war höher, der Tag war heller herauf gestiegen. In der Heide, die anfangs leer gewesen, sah man schon einzelne Menschen. Es waren geringe Bauersleute und Arbeiter aus den vereinzelt am Wege gelegenen kleinen Häusern oder auch den Dörfern, die in weiterer Entfernung aus der Heide hervorblickten. Sie waren mit Hacken, mit Schaufeln, mit Körben und kleinen Handwagen da, zum Stechen und Hauen von Plaggen, die zum Dünger ihrer Gärtchen, zum Heizen, zu anderem gebraucht werden sollten. Männer und Frauen und Kinder waren da; die Frauen hatten die Säuglinge mitgebracht, in den Armen, in den Körben, den kleinen Handwagen. Die ersten, die man an dem kaum erwachten Morgen so sah, waren noch auf dem Wege zu der Arbeit. Eine Strecke weiter waren sie schon am Arbeiten.

      Sie hatten die Arbeit aufgegeben; die Männer lagen lang auf der Erde, neben ihnen die Knaben; sie hatten das Gesicht fest auf den Boden gedrückt; so lagen sie regungslos. Die Frauen standen dabei; sie blickten unverwandt nach den Männern.

      Das sah der Domherr, als er angefangen hatte, den zweiten Brief zu lesen. Er wurde aufmerksam; es kam ihm so sonderbar vor, er unterbrach sich im Lesen.

      »Was haben die Menschen, Schwager?« fragte er den Postillion.

      »Ich weiß es auch nicht, Euer Gnaden.«

      »Es scheint, als wenn sie nach etwas horchten.«

      »Es ist möglich; auf der Heide hört man weit.«

      »Frage sie, Schwager.«

      Der Postillion hielt bei der nächsten Gruppe an.

      Drei Männer lagen auf der Erde, zwei Knaben neben ihnen; zwei Frauen standen dabei, kleine Kinder auf dem Arm. In den Gesichtern der Frauen las man das bleiche Entsetzen.

      »Was gibt’s da, Ihr Leute?« fragte der Postillion.

      »Es wird geschossen«, antwortete eine der Frauen.

      »In der Erde ?«

      »Nein, weit da hinten.«

      Sie zeigten zurück nach Westen.

      Weit da hinten! Und sie waren doch so blass, so voll Entsetzen!

      Auch der Domherr wurde blass.

      Er riss die Wagentür auf und sprang aus dem Wagen.

      »Wo hört man es?« fragte er eine der Frauen.

      »Hier überall«, antwortete einer der Männer. »Legen Sie sich nur in das Heidekraut.«

      »Man fühlt es unter den Füßen«, sagten die Frauen »Die Erde zittert, wo man steht.«

      Es war wohl ihr eigenes Zittern.

      Der Domherr legte sich auf die Erde und drückte das Ohr tief in das Heidekraut.

      Zuerst vernahm er nur ein fernes, unbestimmtes Geräusch; es war wie ein dumpfes Gemurmel, tief unten im Grunde der Erde; es schien immer höher und näher heraufzukommen. Als aber dann sein Ohr sich mehr daran gewöhnt hatte, war es ihm, als wenn er da unten das Toben eines fernen schweren Gewitters hörte. Zuletzt unterschied er ganz deutlich. Es war nicht da unten, es waren nicht die entfesselten Elemente der Natur, die die alte Erde in ihrem Grunde aufwühlen und auseinander reißen wollten. Es war ein wilder Kampf, rollte fort in dem Schoße der dröhnenden Erde, rollte weiter durch die Hügel und Ebenen des wallonischem durch die fruchtbaren Fluren des Jülicher Landes, unter dem breiten Bette des alten Rhein hinweg, rollte weiter und weiter in dem losen, lockern Boden der stillen westfälischen Heiden.

      Es war der Beginn des furchtbaren Kampfes, jener wilden, blutigen, mörderischen Schlachten, die vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Juni des Jahres 1815 von Charleroi bis nach Belle Alliance zwischen den Franzosen auf der einen, den Deutschen und Engländern auf der andern Seite gekämpft wurden und in denen an hunderttausend Menschen tot oder verwundet die blutige Erde bedeckten!

      Am fünfzehnten früh mit Anbruch des Tages war Napoleon plötzlich bei Charleroi gegen die preußische Vorhut losgebrochen; der erste Kampf begann. Das war der Donner der Kanonen, den man in einer Entfernung von mehr als fünfundzwanzig Meilen, unter der dröhnenden Erde fortrollend, in den westfälischen Heiden hörte. Der Kampf war an jenem ersten Tage kein entscheidender. Die Preußen wurden von der Napoleonischen Übermacht bis Fleurus zurückgedrängt, allein der Plan des Kaisers, über Fleurus hinaus vorzudringen und so die Vereinigung der Preußen und Engländer zu verhindern, um sofort auf das Blücher’sche Korps allein sich werfen zu können, scheiterte an dem tapferen Widerstande jener preußischen Vorhut unter Ziethen. Die Nacht gebot Waffenruhe.

      Der folgende Tag, der sechzehnte Juni, war umso blutiger und unglücklicher für die Preußen; es war der Tag der Schlacht von Ligny; er kostete ihnen gegen zwanzigtausend Menschen.

      Am siebzehnten war kein Kampf.

      Am achtzehnten wurde die entscheidende Schlacht bei Waterloo oder Belle Alliance geschlagen; sie vernichtete das französische Heer und das Glück des ersten Napoleon.

      Der Domherr war bleich geworden wie die Frauen, die neben ihm standen.

      »Mord! Brudermord!« rief er. »Und wofür, wofür?«

      Er СКАЧАТЬ