Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ halt!« rief es hinter dem Wagen her.

      »Kerl, fahre, als wenn das Unglück hinter Dir wäre!« rief der Domherr.

      Und so flog der Wagen dahin.

      Bis zu dem preußischen Grenzstädtchen Warburg blieben sie auf der großen chaussierten Straße nach Kassel.

      Sie hätten diese auch weiter bis etwa zwei Meilen vor Kassel verfolgen müssen, um dann immer auf der bequemen Chaussee, aber freilich auf einem bedeutenden Umwege nach Hofgeismar zu gelangen, während ein mehr als doppelt kürzerer, jedoch beschwerlicher Weg dahin durch das Gebirge führte.

      »Wir nehmen diesen geraden Weg«, sagte der Domherr zu seiner Reisegefährtin. »Auf seiner Mitte liegt Ovelgönne, und Ovelgönne ist das Ziel Ihrer Reise. — Johann«, befahl er dann seinem Diener, »Du besorgst sofort für uns eine Bergchaise nach Ovelgönne, eine recht bequeme, mit zwei Pferden. Du selbst fährst mit der Extrapost auf der Chaussee weiter bis Hofgeismar. Du fährst da zu unserm alten Quartier und bestellst sogleich ein Quartier für den General Steinau. Du verstehst Dich besser darauf als ich.«

      Johann ging, die Chaise zu bestellen.

      Der Domherr ging ihm doch noch nach.

      »Johann«, hatte er ihm noch leise zu sagen, »sollte meine Nichte Gisbertine schon da sein, so sagst Du ihr nichts von der Frau und ihrem Kinde da.«

      »Zu Befehl, Hochwürden Gnaden.«

      Wer war denn diese Dame Gisbertine, vor der ihr eigener Onkel, der entschlossene, unabhängige westfälische Edelmann, fortwährend in solcher Furcht lebte, der er Fäuste in der Tasche machte, um sofort wieder, wie weit er auch von ihr entfernt war, schon in seinen Gedanken vor ihr zurückzuschrecken? Von ihrer Rücksichtslosigkeit hatte er gesprochen, eine Zänkische, eine Widerbellerin hatte er sie genannt!

      Johann war schnell den Befehlen des Domherrn nachgekommen.

      Gleichzeitig wurden an dem Reisewagen des Domherrn die Extrapostpferde eingespannt und fand sich die Bergchaise ein, in welcher der Domherr mit der Frau Mahler und ihrem Kinde weiterfahren wollte.

      Die Bergchaise war ein hoher, breiter Kutschenkasten, der nur auf zwei weit auseinander stehenden Rädern ruhte und zwar von zwei Pferden gezogen wurde, aber nicht so, dass die Tiere nebeneinander an der Deichsel, sondern hintereinander in einer Schere zogen. Indem über Abgründen oft schräg genug herabhängen, kann man nur so fahren, und man fahrt noch immer gefährlich genug.

      Der kleine Koffer der Frau Mahler wurde hinten an der Chaise festgeschnallt; der Domherr hob die Frau und das Kind in das Innere, stieg ihnen nach.

      Der Diener Johann wollte sich in sein Coupé hinten am eleganten Reisewagen des Domherrn setzen.

      »Nichts da,« rief der Domherr, »Du setzest Dich in den Wagen.«

      Der alte Diener musste sich in den Wagen setzen.

      Beide Wagen fuhren gemeinschaftlich aus dem Tore des Städtchens Warburg. Gleich draußen, jenseits der Diemelbrücke, trennten sie sich. Die Extrapost fuhr geradeaus, weiter auf der Kasseler Chaussee. Die Bergchaise lenkte links ab in das Diemeltal hinein.

      Die Diemel ist ein wilder Bergfluss. An einem Winkel des jetzt und auch damals schon preußischen Herzogtums Westfalen, im Fürstentum Waldeck, aus hohem Berge sich ergießend, durchströmt sie von Westen nach Osten die Gebirge zuerst jenes Herzogtums Westfalen, dann das gleichfalls preußische Paderborner Land, wird darauf eine kleine Strecke die Grenzscheide zwischen Preußen und Hessen, tritt endlich eine Meile von Hofgeismar ganz nach Kurhessen und setzt in diesem Lande ihren Lauf fort bis Karlshafen, wo sie sich in die Weser ergießt. Von Warburg bis in die Nähe von Hofgeismar läuft sie zwischen besonders hohem Gebirge, das zum Teil die Egge oder das Eggegebirge genannt wird. Die Berge erheben sich zu ihren beiden Seiten meist hoch und schroff und wild, manchmal in einzeln stehenden Kegeln und Kuppen, manchmal in langgestreckten Wänden, treten bald unmittelbar an den Strom heran, dass er in schmalem, rauschendem Bette sich durch sie hindurchzwängen muss, treten dann wieder zu kleineren, finsteren Schluchten zurück und bilden dann und wann weitere, anmutige Täler.

      Sie sind zum großem Teil mit hohen dunklen Laubwäldern bedeckt, die sich von ihrer Spitze bis zum Fuße hinunterziehen; hohe, starre , abenteuerlich geformte Felsenmassen unterbrechen nicht selten den Wald. Von manchen Kuppen schauen einsam und melancholisch die Ruinen alter Ritterburgen herab; gleich bei Warburg stolz der Desenberg, die Stammburg des alten Grafen und Freiherrngeschlechts der Spiegel zum Desenberg.

      Die Diemel entlang, ihrem Laufe folgend, fuhr die Bergchaise mit dem Domherrn von Aschen und seiner Begleiterin. Sie konnte nur langsam, nur im Schritt fahren; der Weg ging steil auf oder abschüssig abwärts, hing manchmal fast über dem Wasser, das über Hunderte von Fußen tief unter ihm rauschte, drängte sich dann wieder an starren Felsen und kantigen Abgründen vorbei.

      Nach ein paar Stunden wurde es eben; er war in ein weiteres Tal eingebogen; in dem Tale waren Weiden, Wiesen, Saatfelder; mitten dazwischen stand ein Haus.

      »Ovelgönne!« sagte der Domherr zu seiner Reisegefährtin. Er sprach das Wort leise und doch beinahe wie feierlich; die Stimme schien ihm zu zittern, versagen zu wollen.

      Dass er seine Reisegefährtin hierher bringen wollte, konnte es nicht sein, etwas anderes musste ihn bewegt, ergriffen haben.

      Die Frau Mahler bemerkte es wohl nicht. Sie war vor ihrem neuen Aufenthalts-, Bestimmungsort; das beschäftigte sie.

      Sie blickte zum Wagen hinaus.

      In der Weide gingen Kühe; in den Wiesen stand das Gras hoch und grün, rote und blaue Blumen blühten dazwischen; auf den Feldern wogte das Korn voll und dicht in der klarsten Sommerpracht.

      Eine kundige, tüchtige Hand musste hier überall walten, ordnen, leiten.

      Das zeigte auch Weiteres. Auf den Bergen, die das Tal auf dieser Seite der Diemel einschlossen, die also zu ihm gehörten, standen die Eichen mächtiger, die Buchen höher, als man sie auf dem ganzen Wege bis dahin gesehen hatte; man sah, wie die Waldung forstmäßig in Schläge eingeteilt war. Unten an seinem Fuße waren geordnete Holzablagen; das geschlagene Holz lag in abgemessenen Haufen aufgeschichtet; riesige Eichenstämme lagen daneben, teils schon behauen, teils noch unbehauen, um später zu der Diemel geschafft zu werden und in dieser als Flößholz bis Karlshafen und von da weiter, die Weser hinunter, in das Meer zu gehen.

      Das Herrenhaus lag an einem Gärtchen, in dem die Apfelbäume noch blühten, die Kirschbäume schon ihre rote Frucht trugen.

      Hinter dem Herrenhause erhoben sich Scheunen, Remisen, Stallungen, andere Nebengebäude.

      Überall herrschte Ordnung und Reinlichkeit.

      Das Herrenhaus selbst endlich war ein altes, wunderliches Gebäude, nicht groß und breit, aber hoch, das Dach spitz, die Mauern fast roh von grauen Feldsteinen aufgeführt, in den vier Ecken und in der Mitte hässliche runde Türme; die Fenster sparsam, schmal, ohne Ordnung und Symmetrie bald hier, bald dort, bald hoch, bald niedrig angebracht.

      Hatte die Pietät das plumpe, hässliche, aber alte und altertümliche Gebäude erhalten? Jedenfalls war es mit Liebe erhalten und mit Sorgfalt, mit jener ganzen Ordnung und Sauberkeit, die man rund umher wahrnahm.

      Das Tal war nicht groß und schloss sich schon nach СКАЧАТЬ