Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ tiefste Stille herrschte neben jener Ordnung und Sauberkeit darin. Es war gegen fünf Uhr nachmittags, als die Chaise hineinfuhr. In den Feldern und Weiden waren nur wenige Menschen beschäftigt; die Saat war ja überall bestellt und die Zeit der Ernte noch nicht da. Nur hinten an den Holzablagen sah man fleißiges Treiben und hinten aus den Bergen und Wäldern tönten die Schläge der Axt und das Schrillen der Sage herüber. Die Waldvögel sangen lustig darein.

      Das waren die einzigen Laute, die man vernahm.

      In das alles schien so klar und hell die Sonne des Sommernachmittags hinein.

      Auch in das Innere der Frau Mahler hatte sich eine feierliche Stimmung gelegt. Sie sollte ja hier bleiben, in diesem sehr einsamen Tal, in dieser Stille der Natur und des Lebens, aber auch in dieser so sicher geordneten Geschäftigkeit.

      Der Domherr unterbrach ihr diese Stimmung, oder er unterbrach sie auch wohl nicht.

      »Meine Karoline ist hier Herrin!« sagte er.

      Und er sprach die Worte wieder mit fester und klarer Stimme, er sprach sie stolz, indem er stolz mit der Hand durch das Tal zeigte.

      Sie kamen an dem Herrenhause an.

      Es war ihnen unterwegs niemand begegnet. Auch vor dem Hause waren keine Leute.

      Der Domherr sah nach einem der schmalen Fenster in den hohen grauen Mauern hinaus. Es stand offen; man sah schneeweiße Vorhänge hindurch, auf dem Gesimse blanke Blumentöpfe mit blühenden Hyazinthen, Rosen und Nelken.

      Die Augen des Domherrn suchten etwas anderes.

      »Sie ist nicht da!« sagte er. »Sollte sie nicht zu Hause sein?«

      Die Chaise hielt vor dem Hause, an einem der dicken runden Türme, der in der Mitte der Vorderfronte stand.

      Durch ihn gelangte man in das Haus. Das Eingangstor war roh wie der Turm, aber eng; ein Wagen konnte nicht hindurchfahren.

      Der Domherr sprang aus der Chaise.

      Man hatte im Innern des Hauses die Ankunft des Wagens gehört.

      In der Tür erschien eine alte Frau.

      Sie erkannt den Domherrn.

      »Herr des Himmels! Euer Gnaden!« rief sie.

      Ihre Augen leuchteten.

      »Ist die Mamsell zu Hause?« fragte der Domherr.

      »Die wird sich freuen!« jubelte die Frau. »Die hat sich um Euer Gnaden gebangt. Sie waren im vorigen Sommer nicht gekommen, auch keine Nachricht von Ihnen. Wir wussten nicht, ob Sie lebten oder tot waren. Die arme Mamsell weiß es noch nicht —«

      »Ist die Mamsell zu Hause, Alte?« wiederholte der Domherr.

      »Sie ist ausgefahren.«

      »Wohin?«

      Er erhielt keine Antwort.

      Die alte Frau hatte die fremde Frau gesehen, das Kind. Sie stand erstaunt, fast betroffen. Man sah ihr an, wie sie sich fragte: Wie kommt der alte Herr zu der Frau mit dem Kinde? Und was soll sie hier? Was soll die Mamsell mit ihr, nach der er so hastig, so dringend fragt?

      »Alte, wohin ist die Mamsell Karoline?« rief der Domherr.

      Karoline, seine Karoline, die hier Herrin war, seine vortreffliche Karoline mit dem edlen Herzen war die Mamsell, nach der er fragte, einfach eine Mamsell!

      Die alte Frau antwortete ihm:

      »Sie ist nach Niederhelmern gefahren, Euer Gnaden. Bei dem Bauer Henke ist es nicht recht.«

      »Und da hilft sie wohl?«

      »Es geht den Leuten nicht gut.«

      »Ja, ja«, sagte der Domherr, und seine Augen leuchteten, »wo es jemand nicht gut geht, da muss das brave Mädchen dabei sein, um zu helfen.«

      »So ist es, Euer Gnaden«, bestätigte die Alte.

      »Und wann wollte sie zurückkommen?« fragte der Domherr.

      »Das kann noch eine Stunde oder anderthalbe dauern. Niederhelmern ist drei Viertelstunden von hier. Sie ist erst vor kaum einer Viertelstunde weggefahren, und sie wollte, wenn sie noch Zeit hätte, auf dem Rückwege im Walde nach der neuen Eichenpflanzung sehen.«

      »So sehe ich sie heute nicht mehr«, sagte der Domherr. »Ich habe noch stark zwei Stunden bis Hofgeismar zu fahren; ich muss bei Zeiten da sein, wenn Dame Gisbertine nicht — Alte Christine, ich habe Euch Besuch mitgebracht.«

      »Was Euer Gnaden mitbringen, ist immer gut«, sagte die alte Christine.

      »Ja, ja. Und eine Freundin für die Mamsell.«

      Er wandte sich zum Wagen.

      »Darf ich bitten, auszusteigen, liebe Frau Mahler?«

      Er sprach mit jener vollen ehrerbietigen Höflichkeit, mit der er in Paderborn die Frau aus dem Wagen gehoben und in das Posthaus geführt hatte. So war er ihr auch hier wieder beim Aussteigen behilflich.

      Die alte Christine stand nicht mehr betroffen. Sie kam dem Domherrn fast zuvor.

      »Wollen die gnädige Frau mir nicht das Kind geben?« bat sie.

      »Gnädige Frau will sie hier nicht sein«, sagte der Domherr. »Das Kind kannst Du nehmen, Alte. Und nun führe uns in das Stübchen der Mamsell.«

      Die Alte nahm das Kind und trug es in das Haus.

      Der Domherr und die Frau Mahler folgten ihr.

      Das Innere des Hauses war wohl nicht minder sonderbar eingerichtet, wie das Aussehen des Äußern war, und doch entsprach es diesem nicht. Durch das enge Eingangstor trat man sofort in eine Vorhalle. Sie war weit, niedrig, grau. Es herrschte kaum ein Halbdunkel darin; sie empfing ihr Licht nur durch zwei der schmalen Fenster, die zur Seite der Tür oben neben deren Gesimse angebracht waren. Die grauen Wände waren völlig kahl. Es befand sich nur noch eine einzige niedrige Tür darin, der Eingangstür gegenüber. Rechts im Hintergrunde war eine Treppe, die in die oberen Teile des Hauses führte. Sie war von Stein, breit, bequem.

      Die alte Frau erstieg sie. Der Domherr und die Frau Mahler folgten. Man kam in einen schmalen, ziemlich hellen Gang. Die zweite Tür des Ganges wurde von der alten Frau geöffnet.

      Sie traten in das Gemach, in das sie führte.

      Es war ein kleines Stübchen, dasselbe, durch dessen offenes Fenster man von außen die schneeweißen Vorhänge, die zierlichen Blumentöpfe mit den blühenden Rosen und den andern Blumen des Sommers gesehen hatte. Es herrschte eine wunderbare Einfachheit darin; nur wenige Möbel von derbem Eichenholz; aber sie mussten schon seit Hunderten von Jahren gestanden haben, das Holz war dunkelbraun vor Alter. Sie hatten vielleicht auch schon seit mehr als hundert Jahren in dem Stübchen gestanden und auf der nämlichen Stelle, auf der man sie heute noch sah; jedes einzelne Stück passte gerade dahin; man konnte es sich auf keinem СКАЧАТЬ