Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Читать онлайн книгу Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme - Jodocus Temme страница 69

Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ Becker, der vormalige Kellner in seinem vollen Humor für sich, aber laut genug, dass der General es hören musste, »hm, also wirklich von Pontius zu Pilatus.«

      Der General wandte sich um, zum Zeichen, dass die Audienz zu Ende sei.

      Aber der Lieutenant ging noch nicht.

      »Exzellenz«, sagte er, »vor allen Dingen muss man leben.«

      Der General antwortete ihm nicht.

      »Und um in dieser Welt leben zu können, muss man sich sein Brot verdienen können.«

      Es wurde ihm wieder keine Antwort.

      »Und um etwas verdienen zu können, muss man etwas verstehen.«

      Der General schwieg.

      »Nun verstehe ich nur zwei Dinge, mit denen ich mir mein Brot verdienen könnte. Ich könnte in einem Büro arbeiten, aber die Regierung will mich trotz jener Versprechungen des Königs nicht anstellen.«

      Er machte noch einmal eine Pause; er erhielt wieder keine Antwort; er fuhr fort:

      »So bleibt mir nur übrig, zu meinem früheren Geschäft zurückzugreifen; ich werde wieder Kellner. Es wird zwar wunderbar aussehen, wenn ich am Billard die Points markiere, die Beine aufsetze, den Herren Kaffee und Fidibus serviere, alles in der Uniform eines preußischen Offiziers und mit einem preußischen Ritterorden auf der Brust; aber vor allem muss man leben.«

      Er wollte gehen.

      Der General hatte sich rasch umgewandt.

      »Haben Exzellenz noch etwas zu befehlen?« sagte auch der Lieutenant, der wieder Kellner werden wollte.

      Der General hatte noch etwas zu befehlen; sehr kurz und trocken sprach er:

      »Zu Ihrem früheren Metier können Sie zurückkehren; das verwehrt Ihnen niemand. Sollten Sie aber dabei Ihre Uniform oder Ihren Orden tragen, so werden Sie als ein Ehrloser kassiert.«

      »Weil ich ehrlich leben will?« sagte der Offizier. »Aber fürchten Sie nichts, Exzellenz. Mir steht der preußische Offizier höher, als man ihn hier scheint schätzen zu können.«

      »Rauben Sie mir meine Zeit nicht länger«, sagte der General.

      Aber da hatte der Landwehrlieutenant doch noch eine Bemerkung für den hochstehenden General.

      »Exzellenz, es war gerade vor einem Jahre, als wir im heißen Kampfe bei Belle-Alliance standen, viele Tausende von Landwehrmännern, die freiwillig Haus und Hof, Beruf und alles verlassen hatten, um für König und Vaterland zu siegen oder zu sterben. Wir siegten. Wir werden dafür heute wie Bettler behandelt.«

      Er ging.

      Unten auf der Straße traf er den Obristlieutenant.

      Sie teilten einander die Unterredungen mit, die jeder von ihnen mit dem General gehabt hatte.

      »Das ist unser Lohn!«

      »Das ist der Lohn der Welt!«

      »Was wird weiter aus diesem schönen Institute der Landwehr werden?«

      »Aber was wird aus uns werden?« sagte der Lieutenant Becker.

      »Begleiten Sie mich einstweilen nach Ovelgönne.«

      »In die Gegend wollte ich ohnehin«, sagte der Lieutenant. »Meine Braut ist auf der Dahlheimer Sägemühle. Ich muss mit ihr überlegen.«

      »Und das muss ich mit der meinigen in Ovelgönne.«

      Ein paar Stunden später fuhr der General von Taubenheim zu dem Palais des Königs.

      »Die Verschwörung liegt klar auf der Hand«, sprach er im Fahren zu sich. »Schon jetzt. Kaum dass der Thron wieder fest aufgerichtet ist, soll er schon wieder eingerissen werden! Und mit welcher Frechheit diese Verschwörer auftreten! Wie sicher sie ihrer Sache sind, wie weit und tief ihre Verbindungen gehen müssen! Da kann der König nicht früh und nicht eindringlich genug gewarnt werden. Wie sehr Recht hatte dieser Herr von Schilden!«

      Damit hatte der General für das, was er vorhatte, sich mit seinem Gewissen abgefunden.

      Der Name Schilden hatte ihm dann einen andern Gedanken zugeführt.

      »Und Hedwig?« sprach er weiter. »Schilden oder Westernitz! Sie überließ mir die Wahl, aber um sie mir nicht zu überlassen. Sie will den Schilden. Aber über die Liebe ist sie zum Glück hinweg. Sie glaubt, Schilden mache eine bessere Karriere. Und sie glaubt das, weil Schilden mehr Verstand, mehr Kenntnisse, sogar mehr Mut als der andere hat. Sie irrt. Die Familienverbindungen, die Konnexionen am Hofe machen es. Und die hat der Graf Westernitz und nicht Schilden. Jener Mangel an Mut freilich — aber nur die Frauen lassen sich von Äußerlichkeiten bestechen. Zudem ist Schilden uns immer gewiss. Er muss sich seine Karriere suchen; da ist er überall abhängig. Der Graf Westernitz kann der Seinigen kaum aus dem Wege gehen.«

      Der General hatte das Vorzimmer des Königs erreicht.

      In dem Vorzimmer des Königs herrschte die tiefste Stille.

      Stille ist überhaupt der Charakter der Paläste und Gemächer der Könige. Darf sie einmal unterbrochen werden, so darf das nur von dem »Herrn« selbst geschehen, und es ist dennoch jedes Mal ein Ereignis.

      Von Friedrich Wilhelm dem Vierten erzählt man sich, dass er bald nach seiner Thronbesteigung eines Tages sehr laut in seinem Zimmer sprach. Die Königin hörte es nebenan, eilte zu ihrem Gemahl und sagte: »Ah, verzeihe, Fritz, ich meinte, der Kronprinz sei dagewesen!«

      Friedrich Wilhelm der Dritte liebte besonders die tiefste Stille um sich her. Man brauchte, um es zu wissen, sich nur das einfache Haus anzusehen, in dem er wohnte.

      Wie ein Bürgerhaus liegt es noch jetzt da, zwischen der Schlossbrücke und den Linden, gegenüber dem schweren und finstern Bau des Zeughauses. Aber so verschlossen und still wie zu den Zeiten Friedrich Wilhelms des Dritten hat es wohl weder vorher noch nachher jemals dagelegen. Unten an dem Portal sah man die beiden unvermeidlichen Schildwachen langsam und leise zwischen ihren Schilderhäusern auf und ab schreiten, und oben in dem Eckfenster nach den Linden hin sah man zuweilen einen großen, stattlichen Mann im einfachen Offiziersüberrock ohne Orden und ohne Epauletten mit seinem blassen und traurig nachdenklichen Gesicht hinter der mattgrünen seidenen Gardine hervorschauen; es war der König. Weiter sah man von der Straße her in dein Hause keinen Menschen und sah und hörte man kein Leben darin. Und so still, wie das Haus von außen aussah, war es in seinem Innern.

      So lebte Friedrich Wilhelm der Dritte vom Jahre 1810, bis er im Jahre 1840 starb, in dem einfachen Hause, und die Berliner nannten es des Königs Palais.

      Das stille Vorzimmer befand sich vor dem Arbeitszimmer des Königs, und in dem Arbeitszimmer war jenes Eckfenster nach den Linden hin mit seinen mattgrünen Vorhängen.

      Es waren nur wenige Personen in dem Vorzimmer, als der General von Taubenheim eintrat. In dem Vorzimmer Friedrich Wilhelms des Dritten gewahrte man selten mehr Menschen als die gewöhnliche Bedienung.

      Der König sah nicht gern jemand bei sich, liebte keine Störung. Zwei Lakaien waren an der Eingangstür; ein Adjutant stand an einer Seitentür; ein General СКАЧАТЬ