Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme
Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238149
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»Nun, Vater«, sagte die junge Dame — als junge Dame wollte und konnte sie gewiss noch immer gelten — »nun, Vater, ich habe offen gegen Dich gesprochen; ich hoffe, Du bist es auch gegen mich.«
»Offen warst Du«, erwiderte der General.
Die Tochter sah den Vater fragend an, was er weiter sprechen werde.
Er sprach weiter:
»Also Schilden oder Westernitz?«
»Ich überließ Dir die Wahl, Vater.«
»Mit Westernitz würdest Du Gräfin. Er ist in der Adjutantur des Königs. Die Generalsepauletten sind ihm sicher.«
»Heiratet man Epauletten, Vater?«
»Warum nicht?«
»Ohne Mut? Ohne Achtung bei der Armee?«
»Mut, Hedwig? Desto gehorsamer wird er als Ehemann sein. Und was die Achtung bei der Armee betrifft, so ist er Adjutant des Königs und wird deshalb bei Hofe geachtet, und da wird sich dann auch die Achtung bei der Armee einfinden.«
»Die Familie hat ihn freilich darum so untergebracht. Aber wenn nun einmal der König erführe, was an ihm, wie er· zu seinen Orden gekommen ist?«
»Wie wollte der König das erfahren, zumal wenn er mein Schwiegersohn wäre?«
»Durch Zufall.«
»An das Ohr der Könige darf sich auch kein Zufall wagen.«
»Genug, Vater, ich kann den Grafen nicht achten.«
»Ei, sieh da! Und der Herr von Schilden hätte Deine Achtung?«
»Er ist ein Mann, der wenigstens durch sich selbst, mit seinen eigenen Kräften sein Ziel verfolgt.«
»Und es auch sicher erreichen wird. Darin hast Du Recht. Er wird ebenso sicher Minister werden wie der Graf Westernitz General. Er ist schon jetzt die rechte Hand seines Chefs. Aber wir haben bei ihm eins vergessen.«
»Das wäre?«
»Ob er Dich will!«
»Er muss!«
»Hm, Hedwig, das können wir von dem Grafen sagen, er weiß, dass ein einziges Wort von mir ihn stürzt. Aber was vermöchte ich gegen Schilden? Er ist die rechte Hand des Polizeiministers, wie ich Dir schon bemerkte, und über den Polizeiminister vermag ich nichts; und gegen ihn? Wir haben die Polizei sehr nötig.«
»Umso mehr alliieren wir uns mit ihr!«
»Das nennst Du mir die Wahl lassen, Hedwig?«
»Ich sagte Dir nur meine Gründe.«
»Du liebst vielleicht Schilden?«
»Lieben? Bah!«
Der General sann einen Augenblick nach.
»Ich werde Schilden zu Dir schicken.«
»Aber instruiert!«
»Instruiert!«
Die Dame verließ zufrieden das Zimmer.
Der General ging nachdenklich in dem Zimmer auf und ab. Das Schicksal seiner Tochter schien ihm doch am Herzen zu liegen.
»Jung ist sie nicht mehr. Vermögen habe ich nicht. Schilden wird seine Karriere machen. Er hat ein Rittergut.«
Der Bediente trat ein und meldete:
»Der Herr Regierungsrat von Schilden!«
»Eintreten!«
Die große, stattliche Gestalt des Regierungsrats von Schilden trat ein.
»Exzellenz hatten befohlen —«
»Gebeten, lieber Herr von Schilden.«
Der Herr von Schilden verbeugte sich tief.
Der General fuhr fort; seine Stimme nahm einen etwas geheimnisvollen, fast feierlichen Ton an.
»Ich habe Wichtiges mit Ihnen zu besprechen, Herr von Schilden. Unsere Unterredung kann lange dauern.«
Zwei Sessel waren einander gegenüber aufgestellt Der General lud mit der Hand den Regierungsrat ein, sich in dem einen niederzulassen; er selbst nahm den andern ein.
Dann sprach er weiter.
»Sie waren an mich empfohlen, Herr von Schilden, als Sie vor einem halben Jahre hierher kamen.«
»Und Exzellenz haben seitdem nicht aufgehört, mich zu Ihrem dankbarsten Diener zu machen.«
»Ich erkannte nur Ihren Wert für den Staat und suchte Sie für diesen richtig zu verwerten. Dankbar könnte mir nur der Staat sein. Sie waren in das Finanzministerium berufen. Ihre Dienste waren auch dort bedeutende. Dem Polizeiministerium mussten Sie noch ersprießlichere leisten. Ich sprach mit Ihnen darüber; dann mit dem Polizeiminister. Die Sache war abgemacht. Sie sind in der kurzen Zeit die Seele des Ministeriums geworden. Ich habe heute eine besondere Mission für Sie.«
»Exzellenz haben stets über mich zu befehlen.«
»Herr von Schilden, der Staat ist in Gefahr. Es bedarf der Verbindung sehr tüchtiger Männer, ihn zu retten. Lassen Sie mich Ihnen unsere Lage schildern. Beraten wir dann den Plan der Rettung. Der preußische Staat ist auf dem Wege, demokratisiert zu werden.
Den Grund legte zuerst Stein. Die unglückliche Idee der Landwehr folgte. Der Staatskanzler, in den Händen von Juden, kann nicht das Zeug bekommen, dem Stein’schen Systeme den Abschied zu geben; er dient ihm vielmehr; er fördert es, wenn auch vielleicht unbewusst.
So gehen wir dem Ruin entgegen. Durch die königliche Verordnung vom 22. Mai vorigen Jahres ist dem Lande eine allgemeine Repräsentation des Volkes versprochen, Kammern, denen sogar das Steuerbewilligungsrecht verliehen werden soll. Am 5. April vorigen Jahres hat man den König vermocht, in einem Zurufe an die Rheinländer das feierliche Versprechen zu erteilen, dass durch eine angemessene Organisation der Landwehr dem Lande die Kosten der Unterhaltung eines größeren stehenden Heeres erspart werden sollen. Das ist, ich wiederhole es, der Ruin des Staates. Zwei Dinge machen Preußen stark, nur sie: seine Armee, sein Adel. Sie werden vernichtet durch die Landwehr, durch Kammern. Und Landwehr und Kammern sollen wir entgegengehen! Von Hardenberg sprach ich schon. Scharnhorst ist tot. Aber die Gneisenau, die Boyen leben noch; eine Masse von Ideologen halten zu ihnen; selbst der alte Blücher.
Friedrich der Große sagte schon: Les anciens militaires finissent par radoter. Der König verhält sich indifferent; er liebt den Frieden, wie nach außen, so im eigenen Lande, am Hofe. Um ihn zu einem entschiedenen Einschreiten zu vermögen, bedarf es eines kräftigen Anstoßes. Einen solchen müssen wir haben. Aber wo ihn finden? Woher ihn nehmen?«
Der General schwieg; er sah den Regierungsrat fragend an.
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