Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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       Vous êtes tous les deux téné­breux et dis­crets:

       Hom­me, nul n’a son­dé le fond de tes abî­mes,

       O mer, nul ne con­naît tes ri­ches­ses in­ti­mes,

       Tant vous êtes ja­loux de gar­der vos se­crets.

       Bau­de­lai­re

      Erstes Kapitel

      Die Ge­ne­ra­lin von Pa­li­kow und Fräu­lein Mal­wi­ne Bork, ihre lang­jäh­ri­ge Ge­sell­schaf­te­rin und Freun­din, ka­men in das Wohn­zim­mer. Sie woll­ten sich ein we­nig er­ho­len. Die Ge­ne­ra­lin setz­te sich auf das Sofa, das frisch mit ei­nem blan­ken, schwarz und ro­ten Kat­tun be­zo­gen war. Sie war sehr er­hitzt und lös­te die Hau­ben­bän­der un­term Kinn. Das lila Som­mer­kleid knis­ter­te leicht, die wei­ßen Haar­ku­chen an den Schlä­fen wa­ren ver­scho­ben und sie at­me­te stark. Sie schwieg eine Wei­le und schau­te mit den ein we­nig her­vor­ste­hen­den grell­blau­en Au­gen kri­tisch im Zim­mer um­her. Das Zim­mer war weiß ge­tüncht, we­nig schwe­re Mö­bel stan­den an den Wän­den um­her und über die Bret­ter des Fuß­bo­dens war Sand ge­streut, der in der Abend­son­ne glit­zer­te. Es roch hier nach Kalk und See­moos.

      »Hart«, sag­te die Ge­ne­ra­lin und leg­te ihre Hand auf das Sofa.

      Fräu­lein Bork neig­te den Kopf mit dem leicht er­grau­ten Haar auf die lin­ke Schul­ter, blick­te schief durch die Glä­ser ih­res Knei­fers auf die Ge­ne­ra­lin, und das bräun­li­che Ge­sicht, das aus­sah wie das Ge­sicht ei­nes klu­gen äl­te­ren Herrn, lä­chel­te ein nach­denk­li­ches, ver­zei­hen­des Lä­cheln. »Das Sofa«, sag­te sie, »na­tür­lich, aber man kann es nicht an­ders ver­lan­gen. Für die Ver­hält­nis­se ist es doch sehr gut.«

      »Lie­be Mal­wi­ne«, mein­te die Ge­ne­ra­lin, »Sie ha­ben die An­ge­wohn­heit, al­les ge­gen mich zu ver­tei­di­gen. Ich grei­fe das Sofa gar nicht an, ich sage nur, es ist hart, das wird man doch noch dür­fen.«

      Fräu­lein Bork er­wi­der­te dar­auf nichts, sie lä­chel­te ihr ver­zei­hen­des Lä­cheln und schau­te schief durch ih­ren Knei­fer jetzt zum Fens­ter hin­aus auf den klei­nen Gar­ten, der da­vor lag. Salat und Kohl wuch­sen dort recht küm­mer­lich, Son­nen­blu­men stan­den da mit großen schwar­zen Her­zen und über al­le­dem lag ein leich­ter blon­der Staub­schlei­er. Da­hin­ter der Strand grell oran­ge in der Abend­son­ne, end­lich das Meer un­deut­lich von all dem un­ru­hi­gen Glan­ze, der auf ihm schwamm, von den zwei re­gel­mä­ßi­gen wei­ßen Stri­chen der Bran­dungs­wel­len um­säumt. Und ein Rau­schen kam her­über ein­tö­nig, wie von ei­nem schläf­ri­gen Takt­stock ge­lei­tet.

      »Wer­den sie auch heu­te Abend alle satt wer­den?« be­gann die Ge­ne­ra­lin wie­der. »Die Rei­se macht hung­rig.« – »Ich den­ke«, er­wi­der­te Fräu­lein Bork, »da sind die Fi­sche, die Kar­tof­feln, die Erd­bee­ren, und We­dig hat sein Beefs­teak.«

      »So, so«, mein­te die Ge­ne­ra­lin, »üb­ri­gens der Jun­ge wird es im Le­ben nicht leicht ha­ben, wenn er im­mer sein Beefs­teak ha­ben muss.«

      Fräu­lein Bork zuck­te mit den Ach­seln und sag­te ent­schul­di­gend: »Er ist so zart.« Aber das är­ger­te die Ge­ne­ra­lin: »Ge­wiss, ich gön­ne ihm sein Beefs­teak, Sie brau­chen ihn nicht zu ver­tei­di­gen. Nur fin­de ich, lie­be Mal­wi­ne, dass Sie kei­nen rech­ten Sinn ha­ben für das, was man all­ge­mei­ne Be­mer­kun­gen nennt.« Dann schwie­gen die bei­den Da­men wie­der.

      Drau­ßen von der Holz­ve­ran­da tön­te Lärm her­über, Teller­ge­klap­per und hohe Stim­men. Er­nes­ti­ne deck­te dort den Tisch für das Abendes­sen und stritt da­bei mit We­dig. Auch Lolo und Nini wa­ren er­schie­nen, sie lehn­ten an der Holz­brüs­tung der Ve­ran­da schmal und schlank in ih­ren blau­en Som­mer­klei­dern. Der See­wind fuhr ih­nen in das leich­te rote Haar und ließ es hübsch um die Ge­sich­ter mit den fast krank­haft fei­nen Zü­gen flat­tern. Die Mäd­chen zo­gen ein we­nig die Au­gen­brau­en zu­sam­men und schau­ten mit den blan­ken braun­ro­ten Au­gen un­ver­wandt auf das Meer und öff­ne­ten die Lip­pen, als woll­ten sie lä­cheln, aber das große be­weg­te Leuch­ten vor ih­nen mach­te sie schwin­de­lig. Auch We­dig hat­te sich nun zu ih­nen ge­sellt und schau­te auch schwei­gend hin­aus. Das kränk­li­che Kna­ben­ge­sicht ver­zog sich, als täte all die­ses Licht ihm weh.

      »So«, sag­te die Ge­ne­ra­lin drin­nen zu Fräu­lein Bork, »das war ein an­ge­neh­mer stil­ler Au­gen­blick. Ich höre, mei­ne Toch­ter kommt die Trep­pe her­un­ter, nun kann es wie­der los­ge­hen.«

      Frau von Butt­lär hat­te ein we­nig ge­schla­fen, trug ih­ren Mor­gen­rock und hüll­te sich frös­telnd in ein wol­le­nes Tuch. Sie moch­te frü­her das hüb­sche überz­ar­te Ge­sicht ih­rer Töch­ter ge­habt ha­ben, jetzt wa­ren die Wan­gen ein­ge­fal­len und die Haut leicht ver­gilbt. Auf­ge­braucht von Mut­ter­schaft und Haus­frau­en­tum war sie sich ih­res Rech­tes be­wusst, kränk­lich zu sein und nicht mehr viel auf ihr Äu­ße­res zu ge­ben.

      Man setz­te sich auf der Ve­ran­da zur Abend­mahl­zeit nie­der an den Tisch, über den das rote Abend­licht hin­flu­te­te und der See­wind an dem Tisch­tuch und den Ser­vi­et­ten zerr­te. Das mach­te die Ge­sell­schaft schweig­sam, so das Meer vor sich, war es, als sei man nicht al­lein, nicht un­ter sich.

      »Ich habe mir das Meer grö­ßer ge­dacht«, er­klär­te We­dig end­lich.

      »Na­tür­lich, mein Sohn«, mein­te die Ge­ne­ra­lin. »Du willst wohl für dich ein Ex­tra-Meer.«

      Frau von Butt­lär lä­chel­te ge­rührt und sag­te lei­se: »Er hat so viel Fan­ta­sie.« Fräu­lein Bork sah We­dig schief durch ih­ren Knei­fer an und mein­te: »An die Fan­ta­sie des Kin­des reicht selbst das Welt­meer nicht hin­an.«