Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke
Автор: Eduard von Keyserling
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962814601
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»Ja, ja«, meinte Doralice. Es wunderte sie selbst, wie gering die Gewissensbisse waren über das Unrecht, das sie ihrem Manne antat, ja, es war fast nur so wie damals, wenn sie Miss Plummers hinterging. »Und er ahnt es«, sagte Hans, »er bewacht uns, man begegnet ihm überall, hast du es bemerkt? Seine Stiefel knarren nicht mehr, wir müssen ihm zuvorkommen.«
Allein der Graf kam ihnen zuvor. Es war ein grauer Nebeltag, Doralice stand im großen Saal am Fenster und schaute zu, wie der Wind die Krone des alten Birnbaums hin- und herbog und die gelben Blätter von den Zweigen riss und sie in toller Jagd durch die Luft wirbelte. Es sah ordentlich aus, als freuten sich diese hellgelben kleinen Blätter, von dem Baume loszukommen, so ausgelassen schwirrten sie dahin. Doralice hörte ihren Gemahl in das Zimmer kommen. Er machte einige kleine knarrende Schritte, rückte den Sessel am Kamin, setzte sich, nahm ein Schüreisen, um, wie er es liebte, im Kaminfeuer herumzustochern. Als er mit einem »ma chère« zu sprechen begann, wandte sie sich um und es fiel ihr auf, dass er krank aussah, dass seine Nase besonders bleich und spitz war. Er schaute nicht auf, sondern blickte auf das Kaminfeuer, in dem er stocherte. »Ma chère«, sagte er, »ich habe deine Geduld bewundert, aber lassen wir es genug sein, ich habe mit Herrn Grill eben vereinbart, dass er uns heute verlässt. Mit dem Bilde wird es ja doch nichts und von dir ist es zu viel verlangt, dich noch der Langeweile dieser Sitzungen und dieser – Gesellschaft zu unterziehen. So werden wir wieder entre nous sein. Recht angenehm, was?«
Doralice war bis in die Mitte des Zimmers gekommen, da stand sie in ihrem schieferfarbenen Wollenkleide, die Arme niederhängend, in der ganzen Gestalt eine Gespanntheit, als wollte sie einen Sprung tun, in den Augen das blanke Flackern der Menschen, die vor einem Sprunge von einem leichten Schwindel ergriffen werden.
»Wenn Hans Grill geht, gehe ich auch«, sagte sie und im Bemühen ruhig zu sein, klang ihre Stimme ihr selbst fremd.
»Wie? Was? Ich verstehe nicht, ma chère.« Das Schüreisen fiel klirrend aus seiner Hand und Doralice sah wohl, dass er sie gut verstand, dass er längst verstanden haben musste. Um seine Augen zogen sich viele Fältchen zusammen und die Bartkommas auf seiner Oberlippe zitterten wunderlich.
»Ich meine«, fuhr Doralice fort, »dass ich nicht mehr deine Frau bin, dass ich nicht mehr deine Frau sein darf, dass ich mit Hans Grill gehe, dass, dass …« Sie hielt inne, Schrecken und Verwunderung über den Anblick des Mannes dort im Sessel ließen sie nicht weiter sprechen. Er knickte in sich zusammen und sein Gesicht verzog sich, wurde klein und runzlig. War das Schmerz? War das Zorn? Es hätte auch ein unheimlich scherzhaftes Gesichterschneiden sein können. Mit großen angstvollen Augen starrte Doralice ihn an. Da schüttelte er sich, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, richtete sich stramm auf. »Allons, allons«, murmelte er. Er erhob sich und ging mit steifen, zitternden Beinen an das Fenster und schaute hinaus. Doralice wartete angstvoll, aber auch sehr neugierig, was nun kommen würde. Endlich wandte sich der Graf zu ihr um, das Gesicht aschfarben, aber ruhig. Er zog seine Uhr aus der Westentasche, wurde etwas ungeduldig, weil die Kapsel nicht gleich aufspringen wollte, schaute dann aufmerksam auf das Zifferblatt und sagte mit seiner diskreten, höflichen Stimme: »Fünf Uhr dreißig geht der Zug.« Er sah auch nicht auf, als Doralice jetzt langsam aus dem Zimmer ging.
»Mein Herz schlug dabei sehr stark«, hatte später Doralice zu Hans Grill gesagt, »ich hörte es schlagen, es schien mir das Lauteste im Zimmer. Ich weiß nicht, was es war, vielleicht war es plötzlich eine sehr starke Freude.«
»Natürlich, natürlich«, meinte Hans Grill, »was sollte es denn anderes gewesen sein.«
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