Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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– Das heißt doch zu sehr gegen die Neueren schmollen, mein lieber Professor, sagte er zu ihm, und euer Schweigen täuscht mich nicht. Ihr wollt vor dieser weltlichen Musik und dieser neuen Gattung, an denen wir uns entzücken, euere Sinne bis aufs Äußerste verschlossen halten. Euer Herz hat sich nun euch zum Trotze geöffnet und eure Ohren haben das Gift der Verführung aufgenommen.
– Wissen Sie, Sior Profesor, sagte im Dialekte die reizende Corilla, indem sie gegen ihren alten Lehrer den Kindesbrauch der Scuola wiederaufnahm, Sie müssen mir einen rechten Gefallen tun …
– Fort von mir, Unselige! rief der Meister halb lachend und halb noch verdrießlich die Liebkosung seiner abtrünnigen Schülerin abwehrend. Was für Gemeinschaft ist noch zwischen dir und mir? Ich kenne dich nicht mehr. Bringe bei anderen dein liebliches Lächeln und dein treuloses Gezwitscher an.
– Er fängt schon an gut zu werden, sagte die Corilla, indem sie mit der einen Hand den Arm des Debütanten ergriff, während sie mit der anderen nicht abließ, die langen Zipfel an des Professors weißer Krawatte zu zerknittern. Komm her, Zoto,2 und beuge dein Knie vor dem geschicktesten Gesanglehrer Italiens. Demütige dich mein Kind und entwaffne seine Strenge. Ein einziges Wort von ihm, welches du erlangen kannst, muss größern Wert in deinen Augen haben als alle Trompeten des Ruhmes.
– Sie sind sehr strenge gegen mich gewesen, Herr Professor, sagte Anzoleto, sich mit einer etwas spöttischen Bescheidenheit verbeugend; indessen ist es seit vier Jahren mein einziger Gedanke, Ihnen die Zurücknahme eines sehr harten Urteilsspruches abzunötigen; und wenn es mir heut Abend nicht geglückt ist, so weiß ich nicht, ob ich den Mut haben werde, wieder vor dem Publikum aufzutreten, beladen wie ich bin mit ihrem Anathema.
– Knabe, sagte der Professor, indem er mit einer Lebhaftigkeit sich erhob und mit einer Kraft der Überzeugung sprach, welche ihn edel und groß erscheinen ließen, während er sonst gekrümmt und ungeschickt aussah, überlasse den Weibern die honigsüßen und treulosen Worte. Niemals erniedrige dich zu der Sprache der Schmeichelei, selbst nicht vor deinem Vorgesetzten, wie viel weniger vor dem, dessen Beifall du in deinem Innern verachtest. Es war eine Zeit, wo du dort unten in deinem Winkel lagst, arm, ungekannt, voll Furcht; deine ganze Zukunft hing an einem Haare, an einem Tone deiner Kehle, an einem augenblicklichen Versagen deiner Mittel, an einer Grille deiner Zuhörer. Ein Ungefähr, ein Kraftaufwand, ein Augenblick haben dich reich, berühmt, unverschämt gemacht. Deine Bahn ist offen, du darfst auf ihr nur laufen, soweit dich deine Kräfte tragen werden. Höre mich an, denn du wirst zum ersten und vielleicht zum letzten male die Wahrheit hören. Du bist auf einem schlechten Wege, du singst schlecht und du gefällst dir in der schlechten Musik. Du kannst nichts, und hast nichts gründliches gelernt, du besitzest nichts als Übung und Fertigkeit. Du setzest dich um nichts in Feuer; du kannst nur girren und zwitschern gleich den niedlichen, koketten Dämchen, denen man ihr Geziere nachsieht, weil sie vom Singen nichts verstehen. Aber du verstehst nicht mit dem Atem umzugehen, du sprichst schlecht aus, hast einen unedlen Ausdruck und einen falschen, gemeinen Styl. Verliere den Mut deswegen nicht; du hast alle diese Fehler, aber du hast das Zeug, sie zu bemeistern: denn du besitzest Eigenschaften, welche man durch Unterricht und Anstrengung nicht erwerben kann; du hast was man durch schlechte Ratschläge und schlechte Muster nicht verliert, du hast das heilige Feuer … du hast Genie! … leider, ein Feuer, welches nichts Großem leuchten wird, ein Genie, welches unfruchtbar bleiben wird … denn, in deinen Augen lese ich es, wie ich es in deiner Brust gespürt habe, du hast nicht den Cultus der Kunst, nicht den Glauben an die großen Meister, nicht die Ehrfurcht vor ihren gewaltigen Schöpfungen; du liebst den Ruhm, und nur den Ruhm und nur um dein selbst willen … Du hättest können … du könntest … aber nein! es ist zu spät! dein Loos wird die Laufbahn eines Meteors sein, gerade so wie die der …
Der Professor setzte ungestüm seinen Hut auf, drehte sich um und ging hinaus, ohne jemanden zu grüßen, ganz darin vertieft, seine abgebrochene Rede innerlich fortzuspinnen.
Alle Welt gab sich zwar Mühe, über die »bizarren« Äußerungen des Professors zu lachen, aber diese hinterließen dennoch für einige Augenblicke einen peinlichen Eindruck und eine gewisse Zweifelhaftigkeit und Verstimmung. Anzoleto war der erste, der sie zu vergessen schien, wiewohl sie sein Wesen in eine solche Erschütterung von Freude, Stolz, Zorn und Eifer gesetzt hatten, dass es für sein ganzes künftiges Leben entscheidend wurde. Er schien für nichts Sinn zu haben, als dass er der Corilla gefalle, und er wusste sie so davon zu überzeugen, dass sie sich bei diesem ersten Zusammentreffen alles Ernstes in ihn verliebte.
Graf Zustiniani war ihretwegen nicht besonders eifersüchtig und vielleicht hatte er seine Gründe, sie nicht sehr zu beengen. Außerdem lag ihm der Ruhm und Glanz seines Theaters mehr am Herzen als irgend etwas auf der Welt, nicht weil er geldbegierig gewesen wäre, sondern weil er wirklich für die sogenannten »schönen Künste« schwärmte. Dieser Ausdruck bezeichnet, wie mich dünkt, einen gewissen niedern Hang, der echt italienisch ist, und also eine so ziemlich geistlose Leidenschaft. Unter dem »Cultus der Kunst« – ein neuerer Ausdruck, der vor hundert Jahren noch nicht üblich war, – ist etwas ganz anderes zu verstehen als das, was man »Geschmack für die schönen Künste« nannte. Der Graf war in der Tat ein »Mann von Geschmack« im damaligen Verstande, ein amateur, nichts weiter. Allein die Befriedigung dieses Geschmackes war die größte Angelegenheit seines Lebens. Er liebte es, sich mit dem Publikum zu beschäftigen und das Publikum mit sich, die Künstler zu besuchen, die Mode zu beherrschen, von seinem Theater, seiner Pracht, seiner Liebenswürdigkeit, seinem verschwenderischen Aufwand reden zu machen. Er hatte, mit einem Worte, die gewöhnliche Passion der vornehmen Herren in der Provinz – zu glänzen. Besitz und Direktion eines Theaters war das beste Mittel, um die ganze Stadt zufrieden und vergnügt zu machen. Noch glücklicher hätte er sich gefühlt, wenn er einmal die gesamte Republik an seiner Tafel hätte bewirten können! Wenn Fremde sich bei dem Professor Porpora nach dem Grafen Zustiniani erkundigten, so pflegte dieser zu antworten: Es ist ein Mann, der gerne СКАЧАТЬ