Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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Jetzt, sagte sich Anzoleto mit jener Raschheit des Durchschauens und Schließens, welche einigen wundersam organisierten Köpfen von Natur beiwohnt, jetzt bleibt nichts mehr übrig als mich gefürchtet zu machen, wenn ich mir nicht ein bitteres und lächerliches Erwachen von meinem Triumphe bereiten will. Aber was kann ich, solch ein armer Teufel, tun, dass sie, die Fürstin der Hölle in Person, mich fürchten müsse?
Seine Partie war bald ergriffen. Er entwickelte ein System von Bedenklichkeiten, Eifersüchteleien, Bitterkeiten, deren leidenschaftliches, coquettes Spiel die Prima Donna in Erstaunen setzte. Kurz zusammengefasst lautete ihr brünstiges und loses Liebesgeschwätz etwa so:
Anzoleto. – Ich weiß wohl, dass Sie mich nicht lieben, dass Sie mich nie lieben werden: das ist es was mich an Ihrer Seite traurig und befangen macht.
Corilla. – Und wenn ich dich liebte?
Anzoleto. – Dann würde ich völlig in Verzweiflung sein. Das hieße, mich aus dem Himmel nieder stürzen in einen Abgrund: ich müsste Sie verlieren vielleicht in der nächsten Stunde, nachdem ich Sie auf Kosten meines ganzen künftigen Glückes mir gewonnen hätte.
Corilla. – Und warum fürchtest du von mir eine solche Unbeständigkeit?
Anzoleto. – Zuerst, weil mein Verdienst gering ist, und sodann, weil man Ihnen so viel Schlechtes nachsagt.
Corilla. – Wer sagt mir denn Schlechtes nach?
Anzoleto. – Ach, alle Leute; denn alle Leute beten Sie an.
Corilla. – So würdest du, wenn ich Törin genug wäre, dich liebzugewinnen und es dir zu sagen, mich dann zurückstoßen?
Anzoleto. – Ich weiß nicht, ob ich Kraft genug haben würde, zu entfliehen: wenn ich sie aber hätte, wahrhaftig, nie im Leben würde ich Sie wiedersehen.
– Wohlan! rief die Corilla, mich reizt die Neugier eine Probe zu machen … Anzoleto, ich glaube in der Tat, dass ich dich liebe.
– Und ich, ich glaube es nicht, erwiderte er. Ich bleibe; denn ich sehe nur zu gut, dass Sie mich höhnen. Mit diesem Spiele können Sie mich nicht kirren, und noch viel weniger empfindlich machen.
– Du willst dich auf Finessen legen, scheint mir?
– Warum nicht? Ich bin nicht sehr zu fürchten, da ich Ihnen das Mittel biete, mich zu besiegen.
– Welches?
– Mich starr zu machen vor Schrecken und mich in die Flucht zu jagen durch dasselbe Wort im Ernste, das Sie mir jetzt im Spotte zugeworfen.
– Du bist ein abgefeimter Schelm! Ich sehe wohl dass man sich mit dir in Acht nehmen muss. Du bist einer von denen, welche sich nicht begnügen, den Duft der Rose zu atmen, sondern sie pflücken und unter Glas bringen wollen. Ich hätte dich in deinem Alter weder für so keck noch für so eigenwillig gehalten!
– Sind Sie mir deshalb gram?
– Im Gegenteile, du gefällst mir desto mehr. Gute Nacht, Anzoleto, wir sehen uns wieder.
Sie reichte ihm ihre schöne Hand, welche er mit Inbrunst küsste. Ich habe mich nicht übel herausgezogen, sagte er zu sich, während er unter den Galerien am Borde des Canaletto entschlüpfte.
Er glaubte nicht, dass man ihm noch zu dieser Stunde den Verschlag, wo er zu übernachten gewohnt war, öffnen würde und beschloss, sich auf der ersten, besten Türschwelle, auszustrecken, um jenes englischen Schlafes zu genießen, welcher nur den Kindern und den Armen vorbehalten ist. Aber zum ersten Male in seinem Leben fand er keine Fliese reinlich genug für sein Lager. Obschon das Straßenpflaster in Venedig sauberer und weißer ist als in irgend einer anderen Stadt auf Erden, so war doch solch ein ziemlich staubiges Bett nicht eben passend für einen schwarzen Anzug von dem feinsten Tuche und dem elegantesten Schnitte. Und dann der Anstand! Dieselben Schiffer, die am frühen Morgen vorsichtig über die Stiegen schritten, ohne die Lumpen des armen Jungen zu berühren, hätten ihn aus seinem Schlummer ausgeschimpft und die Prachtstücke seines geborgten Luxus vielleicht absichtlich besudelt, welche sie unter ihren Füßen fanden. Was hätten sie von einem Menschen denken sollen, der in seidenen Strümpfen, in feiner Wäsche, in Manchetten und Spitzenhalstuch unter freiem Himmel schlief?
Anzoleto vermisste in diesem Augenblicke recht empfindlich seine gute rotbraune Wollenkappe, die sehr schäbig und abgetragen, aber doch noch immer zwei Finger dick und äußerst dienlich war, um dem ungesunden Morgennebel, der aus der Wassermasse Venedigs aufsteigt, Trotz zu bieten. Es war in den letzten Tagen des Februar, und obwohl die Sonne um diese Jahreszeit unter dem dortigen Himmel schon recht stark leuchtet und wärmt, so sind die Nächte doch noch sehr kalt.
Es fiel ihm ein, sich in eine der Gondeln zu ducken, welche am Ufer lagen: er fand sie aber alle fest verschlossen. Endlich kam er an eine, deren Türe seinem Drucke wich; doch als er eindrang, stieß er an die Füße des Barcarolen, der sich dort zu seiner Nachtruhe zurückgezogen hatte und fiel über ihn hin.
– Beim Leib des Teufels! schrie ihn eine raue Stimme aus dem Innern dieser Höhle an, wer seid ihr? was wollt ihr?
– Bist du’s, Zanetto? erwiderte Anzoleto, da er die Stimme des Gondoliers erkannte, der ihm immer viel Freundlichkeit bewiesen hatte. Lass mich neben dir niederliegen und einen Schlaf unter Dach tun in deinem Hüttchen.
– Wer СКАЧАТЬ