Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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– Und ihr meint wirklich, dass ich sie nicht entdecken werde?
– Leider! entdecken werdet ihr sie, wenn ihr es euch vorsetztet: aber ich werde mein Möglichstes tun, um zu verhüten, dass ihr sie uns entreißet.
– Wohlan, Meister, halb seid ihr schon besiegt: denn euere geheimnisvolle Göttin habe ich gesehen, habe ich erraten, habe ich erkannt.
– So? sagte der Maestro mit einer zweifelnden und zurückhaltenden Miene, seid ihr euerer Sache auch gewiss?
– Meine Augen und mein Herz haben sie mir verraten, und um euch zu überzeugen, will ich euch ihr Bild entwerfen. Sie ist groß gewachsen: sie ist, glaub’ ich, die größte von allen euern Schülerinnen; sie ist weiß wie der Schnee von Friaul und rosenwangig wie der Morgenhimmel eines heiteren Tages. Sie hat Haare von Gold, Augen von Azur, eine liebliche Körperfülle und am Finger trägt sie einen kleinen Rubin, der meine Hand streifend mich in Flammen gesetzt hat wie ein magischer Funke.
– Bravo, rief Porpora, spöttisch lächelnd. In diesem Falle habe ich euch nichts zu verheimlichen. Euere Schönheit ist – die Clorinde. Geht doch hin und macht ihr euere verlockenden Anträge. Bietet ihr Gold, Diamanten, Putz. Ihr werdet sie ohne Mühe für euere Truppe gewinnen, und sie wird euch auch wohl die Corilla ersetzen können. Denn euer heutiges Theaterpublikum zieht ja ein paar schöne Schultern einer schönen Stimme, und ein paar herausfordernde Augen einem gebildeten Geiste vor.
– Sollte ich mich getäuscht haben, lieber Meister? fragte der Graf ein wenig irre geworden: wäre die Clorinde nichts weiter als eine gemeine Schönheit?
– Und wenn nun meine Sirene, meine Göttin, mein Erzengel, wie ihr sie zu nennen beliebt, nichts weniger als schön wäre? versetzte der Maestro boshaft.
– Wenn sie missgestaltet wäre, so will ich euch bitten, sie mir niemals zu zeigen; denn mein schöner Traum wäre zu grausam zerstört. Wäre sie aber bloß hässlich, so wäre ich imstande, sie immer noch anzubeten; nur für das Theater würde ich sie dann nicht engagieren, denn Talent ohne Schönheit ist nicht selten für ein Weib ein Unglück, ein Kampf, eine Marter. Wonach seht ihr, Maestro, und weshalb bleibt ihr stehen?
– Hier ist der Platz, wo die Gondeln halten, und es ist keine da. Aber ihr, Graf, worauf heftet ihr euere Blicke?
– Ich sehe nur, ob nicht der Bengel da, der auf den Stufen der Anlände neben einem kleinen, ziemlich hässlichen Mädchen sitzt, mein Schützling Anzoleto ist, wahrhaftig der aufgeweckteste und hübscheste von allen unseren Gassenbuben. Seht ihn euch an, lieber Meister; das ist etwas für euch so gut wie für mich. Dieser Junge hat die schönste Tenorstimme, die in Venedig zu finden ist, und eine verzweifelte Liebe zur Musik und ganz unglaubliche Fähigkeiten. Ich wollte euch schon lange von ihm erzählen und euch bitten, ihm Stunden zu geben. Dieser ist es, auf den ich wahrhaftig die Hoffnung meines Theaters baue und er wird mich, denke ich, in einigen Jahren für das was ich auf ihn wende, reich belohnen. Heda, Zoto! komm her, mein Kind, ich will dich dem berühmten Meister Porpora vorstellen.
Anzoleto’s nackte Füße spielten im Wasser, während er damit beschäftigt war, Muscheln von jener zierlichen Ar, die der Venetianer poetisch fiori de mare nennt, vermittelst einer großen Nadel zu durchbohren. Als ihn der Graf rief, sprang er auf. Er trug nichts auf dem Leibe als ein recht abgenutztes Beinkleid und ein ziemlich feines, aber sehr zerrissenes Hemd, welches seine weißen und gleich denen eines antiken Bacchusknaben modelierten Schultern durchblicken ließ. Seine Schönheit war in der Tat diejenige, mit welcher der griechische Künstler einen jungen Faun ausgestattet haben würde, und seine Gesichtsbildung zeigte das an jenen Schöpfungen der heidnischen Plastik so häufig uns begegnende, ganz eigentümliche Gemisch von träumerischer Schwermut und spöttischer Unbesorgtheit. Sein krauses aber weiches Haar, hellblond und von der Sonne nur ein wenig gebräunt, umgab in tausend dichten, kurzen Ringellöckchen seinen Alabasterhals. Alle seine Züge waren vollkommen schön; aber etwas allzu Keckes lag in dem durchdringenden Blick seiner pechschwarzen Augen, was dem Professor nicht gefiel. Er warf alle seine Muscheln in den Schoß des Mädchens welches neben ihm saß, und während dieses, ohne sich stören zu lassen, fortfuhr sie mit kleinen Goldperlen gemischt aufzureihen, trat er zu Zustiniani, dem er nach Landessitte die Hand küsste.
– In der Tat ein hübscher Junge, sagte der Professor, ihm die Backe klopfend; aber er scheint sich mit Spielen zu belustigen, die doch zu kindisch für sein Alter sind; denn er ist wohl ein achtzehn Jahre alt, nicht so?
– Neunzehn, Sior Profesor! entgegnete Anzoleto in seinem venetianischen Dialekte; wenn ich mich aber mit den Muscheln belustige, so tu’ ich das nur um der kleinen Consuelo zu helfen, welche Halsketten macht.
– Consuelo, sagte der Meister, indem er mit dem Grafen und Anzoleto zu seiner Schülerin trat, ich hätte nicht gedacht, dass du so putzsüchtig wärest.
– O nein, ich mache das nicht für mich, Herr Professor! entgegnete Consuelo, indem sie sich nur halb erhob, aus Vorsicht, damit die Muscheln, die sie in der Schürze hatte, nicht ins Wasser fielen; ich mache das zum Handel, und um Reis und Mais einzukaufen.
– Sie ist arm, und sie ernährt ihre Mutter, sagte Porpora. Höre, Consuelo, wenn ihr in Verlegenheit seid, deine Mutter und du, so musst du zu mir kommen, aber zu betteln verbiete ich dir, hörst du wohl?
– O Sie brauchen ihr das nicht zu verbieten, Sior Profesor, fiel ihm Anzoleto lebhaft in die Rede, sie würde es auch von selbst nicht tun, und ich, ich würde es nicht leiden.
– Du! du hast ja auch nichts, sagte der Graf.
– Nichts, als Ihre Wohltaten, gnädigster Herr! aber wir teilen, die Kleine und ich.
– Sie ist also eine Verwandte; von dir?
– Nein, eine Fremde, es ist Consuelo.
– Consuelo? Wunderlicher Name! sagte der Graf.
– Ein schöner Name, Ew. Gnaden, fiel Anzoleto ein; er bedeutet Trost.
– Gut; sie ist, wie es scheint, deine Freundin?
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