Gesammelte Werke. George Sand
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Название: Gesammelte Werke

Автор: George Sand

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816148

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СКАЧАТЬ Ein rech­tes Wun­der, wenn die Con­sue­lo Fort­schrit­te macht, sag­te Zu­li­et­ta. Sie ist so arm. Sie hat an wei­ter nichts zu den­ken als wie sie nur ge­schwind et­was ler­ne, um ihr Brot zu ver­die­nen.

      – Ihre Mut­ter soll eine Zi­geu­ne­rin ge­we­sen sein, setz­te Mi­che­li­na hin­zu, und die Klei­ne hör’ ich, hat auf Gas­sen und Land­stra­ßen ge­sun­gen, ehe sie hier­her kam. Eine schö­ne Stim­me hat sie, das kann man nicht be­strei­ten; aber sie hat nicht ein Fünk­chen Geist, das arme Ding. Sie lernt aus­wen­dig, sie folgt skla­visch den An­wei­sun­gen des Pro­fes­sors, und dann tut ihre gute Lun­ge das Üb­ri­ge.

      – Mag ihre Lun­ge noch so gut sein, und hät­te sie noch so viel Geist oben­ein, sag­te die schö­ne Clo­rin­da, so möch­te ich doch nicht mit ihr tau­schen, wenn ich mei­ne Ge­stalt für die ih­ri­ge hin­ge­ben müss­te.

      – Da wür­dest Du auch nicht so gar viel ver­lie­ren, ent­geg­ne­te die Co­stan­za, wel­che nie­mals große Lust hat­te, Clo­rin­dens Schön­heit an­zu­er­ken­nen.

      – Nein! schön ist sie nicht, sag­te eine an­de­re, sie ist gelb wie eine Os­ter­ker­ze und ihre großen Au­gen sind so nichts­sa­gend, auch ist sie im­mer so schlecht an­ge­zo­gen: ge­wiss, ganz gars­tig ist sie. – Ar­mes Mäd­chen! o, es ist ein recht großes Un­glück für sie, das al­les. Kein Ver­mö­gen, kei­ne Rei­ze!

      So en­de­te Con­sue­lo’s Lob; durch die­ses Be­dau­ern hiel­ten sich die an­de­ren für die Be­wun­de­rung schad­los, wel­che ih­nen der Ge­sang des Mäd­chens ab­ge­nö­tigt hat­te.

      2.

      Es trug sich die­ses in Ve­ne­dig zu, vor etwa hun­dert Jah­ren und zwar in der Kir­che der Men­di­can­ti, als eben der be­rühm­te Mae­stro Por­po­ra da­selbst die Pro­ben der großen Ve­s­per­mu­sik be­schloss, wel­che er zu Ma­riä Him­mel­fahrt nächs­ten Sonn­tag aus­zu­füh­ren hat­te. Die jun­gen Cho­ris­tin­nen, die so wa­cker von ihm aus­ge­schol­ten wur­den, wa­ren Frei­schü­le­rin­nen je­ner Scuo­la, wel­che die Re­pu­blik un­ter­hielt, um jun­ge Mäd­chen dar­in aus­zu­bil­den und spä­ter aus­zu­stat­ten – soit pour le ma­ria­ge, soit pour le cloître, sagt Jean Jac­ques Rous­seau, der ih­ren herr­li­chen Ge­sang ge­ra­de auch um jene Zeit und in der­sel­ben Kir­che be­wun­dert hat. Ge­wiss er­in­nerst du dich, lie­ber Le­ser! sei­ner Schil­de­rung und der rei­zen­den Epi­so­de im 7. Bu­che der Con­fes­si­ons. Ich wer­de mich wohl hü­ten, die­se Paar Sei­ten, die ent­zückend sind, dir hier ab­zu­schrei­ben, denn die mei­ni­gen wür­dest du da­nach nicht wie­der in die Hand neh­men mö­gen; und ich an dei­ner Stel­le, lie­ber Le­ser, wür­de es eben so ma­chen. Ich will nun hof­fen, dass du die Con­fes­si­ons nicht ge­ra­de bei der Hand hast, und in mei­ner Ge­schich­te fort­fah­ren.

      Nicht alle die­se jun­gen Mäd­chen wa­ren gleich arm, und es ist kein Zwei­fel, dass der äu­ßerst ge­wis­sen­haf­ten Ver­wal­tung un­ge­ach­tet man­che mit ein­schlüpf­ten, für wel­che es weit mehr eine Spe­ku­la­ti­on als ein Be­dürf­nis war, auf Kos­ten der Re­pu­blik ih­ren Un­ter­richt in der Kunst und eine Aus­stat­tung zu er­hal­ten. Da­her er­laub­ten es sich man­che die hei­li­gen Ge­set­ze der Gleich­heit zu ver­ges­sen, un­ter de­ren An­ru­fung es ih­nen ge­lun­gen war, sich auf die­sel­ben Bän­ke mit ih­ren wirk­lich ar­men Schwes­tern zu steh­len. Man­che ent­zo­gen sich dann wohl wie­der der erns­ten Be­stim­mung, wel­che die Re­pu­blik ih­nen zu­ge­dacht hat­te, und ver­zich­te­ten, nach­dem sie den Vor­teil des un­ent­geld­li­chen Un­ter­richts ge­nos­sen hat­ten, auf die Mit­gift, um an­der­wei­tig sich ein glän­zen­de­res Loos zu be­rei­ten. Die Ver­wal­tung hat­te es nicht ver­mei­den kön­nen, zu den Lehr­stun­den bis­wei­len auch die Kin­der ar­mer Künst­ler zu­zu­las­sen, de­nen ihr un­stä­tes Le­ben kei­nen län­ge­ren Auf­ent­halt in Ve­ne­dig ge­stat­te­te. Zu die­ser Klas­se ge­hör­te die klei­ne Con­sue­lo. Sie war in Spa­ni­en ge­bo­ren und von dort nach Ita­li­en ge­kom­men, ich weiß nicht ob über St. Pe­ters­burg oder Con­stan­ti­no­pel, Me­xi­ko, Archan­gel oder auf ei­nem Wege, noch di­rek­ter, nach Zi­geu­ner­art, als die ge­nann­ten.

      Zi­geu­ne­rin war sie nur durch Le­bens­wei­se und nach dem Re­de­ge­brauch, von Ab­kunft war sie we­der ir­gend­wie Gi­ta­na, noch Hin­du, noch Is­rae­li­tin; sie war von rei­nem spa­ni­schem Blu­te, von mau­ri­schem Ur­sprung ohne Zwei­fel, denn sie war so ziem­lich braun und ihr gan­zes We­sen war von ei­ner Ruhe, wie sol­che nicht den um­her­schwei­fen­den Stäm­men ei­gen ist. Ich will hier­mit von die­sen Stäm­men nichts Übles ge­sagt ha­ben. Hät­te ich mir Con­sue­lo’s Ge­stalt er­dacht, so weiß ich nicht, ob ich sie nicht von Is­rael hät­te aus­ge­hen las­sen: so aber war sie von der Rip­pe Is­ma­els ent­stammt, ihr gan­zes We­sen ver­riet das. Ich habe sie nicht ge­se­hen, denn hun­dert Jah­re bin ich noch nicht alt, aber man hat es mir ver­si­chert, und ich wüss­te nicht, was sich da­wi­der sa­gen lie­ße. Je­ner Wech­sel von fie­bri­schem Un­ge­stüm und stump­fer Ab­span­nung, wel­cher die Zin­ga­rel­le be­zeich­net, war ihr fremd. Sie hat­te nichts von der ge­schmei­di­gen Neu­gier und der un­er­müd­li­chen Zu­dring­lich­keit ei­ner bet­teln­den Eb­brea. Sie war so still wie das Was­ser der La­gu­nen und zu­gleich so ämsig wie die leich­ten Gon­deln, wel­che die Flä­che des­sel­ben un­abläs­sig durch­fur­chen.

      Da sie schnell wuchs und da sich ihre Mut­ter in großer Dürf­tig­keit be­fand, so trug sie Klei­der, wel­che ihr im­mer um ein Jahr zu kurz wa­ren: ih­ren lan­gen vier­zehn­jäh­ri­gen Bei­nen gab dies eine sol­che Art von wil­der Gra­zie und Dreis­tig­keit des Schrei­tens, dass es zu­gleich lus­tig und trau­rig an­zu­se­hen war. Ihr Fuß ließ nicht er­ken­nen, ob er klein sei, so plump war er be­klei­det. Ihr Wuchs da­ge­gen, um­spannt von dem zu eng ge­wor­de­nen und an al­len Näh­ten durch­bro­che­nen Leib­chen, zeig­te sich schlank und bieg­sam wie eine Pal­me, aber form­los, nicht ge­run­det, nicht ver­füh­re­risch. Das arme Mäd­chen dach­te dar­an nicht. Sie war es ge­wohnt, sich »Affe«, »Citro­ne«, »Mu­lat­tin« von den blon­den, wei­ßen und völ­li­gen Töch­tern der Adria schel­ten zu hö­ren. Ihr run­des, blei­ches, un­be­deu­ten­des Ge­sicht wür­de nie­man­den auf­ge­fal­len sein, wenn nicht ihr kur­z­es, dich­tes, hin­ter den Ohren zu­rück­ge­wor­fe­nes Haar und ihr ernst­haf­ter, auf kei­nem Ge­gen­stan­de ver­wei­len­der Blick die­sem Ge­sich­te eine ei­ge­ne, nicht ge­ra­de an­ge­neh­me Son­der­bar­keit ge­ge­ben hät­ten.

      Ein Äu­ße­res, das nie miss­fällt, ver­liert mehr und mehr die Fä­hig­keit, zu ge­fal­len. Wer ein sol­ches hat, wird durch die Gleich­gül­tig­keit an­de­rer gleich­gül­tig ge­gen sich selbst ge­macht und nimmt eine Ver­nach­läs­si­gung der Hal­tung an, wel­che im­mer mehr die Auf­merk­sam­keit von ihm ab­wen­det. Die Schön­heit nimmt sich in Acht, rich­tet sich ein, hält auf sich, be­trach­tet sich und stellt sich gleich­sam stets sich selbst in ei­nem ein­ge­bil­de­ten Spie­gel vor Au­gen. Die Häss­lich­keit ver­gisst sich und lässt sich ge­hen. Doch gibt es zwei ver­schie­de­ne Ar­ten: die eine fühlt sich von Al­len ver­wor­fen und sträubt sich da­wi­der in ste­ter Re­gung von Wut und Neid – das ist die wah­re, die un­be­ding­te Häss­lich­keit; die an­de­re ist un­be­fan­gen, sorg­los, hat sich be­schie­den, scheu­et nicht das Ur­teil und sucht es nicht, ge­winnt СКАЧАТЬ