Название: Gesammelte Werke
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816148
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– Nun! was hat meine Frage so Außerordentliches? rief die Corilla über seine Verwirrung lachend.
– Ich fragte mich selbst, entgegnete Anzoleto mit vieler Geistesgegenwart, welcher Königs- oder Feenpallast wohl würdig wäre, den stolzen Sterblichen zu beherbergen, der mit hinein nähme die Erinnerung eines Liebesblickes von Corilla.
– Und was will diese Schmeichelei sagen? entgegnete sie, indem sie ihm den glühendsten Blick zuwarf, den sie nur aus dem Zeughause ihrer Teufelskünste hervorholen konnte.
– Dass ich dieser Glückliche nicht bin, versetzte der Jüngling; dass ich jedoch, wenn ich es wäre, mich stolz genug dünken würde, um nur zwischen Himmel und Meer wie die Sterne zu wohnen.
– Oder wie die Cucculi! rief die Sängerin, indem sie laut auflachte. (Die ungeschickte Schwerfälligkeit dieser Mövenart ist nämlich in Venedig sprichwörtlich geworden, wie in Frankreich die der Maikäfer: étourdi comme un hanneton.)
– Spotten Sie über mich, verachten Sie mich, erwiderte Anzoleto, ich glaube, dass ich das eher leiden mag, als wenn Sie sich gar nicht mit mir beschäftigten.
– Gut, da du mir nur in Metaphern antworten willst, entgegnete sie, so will ich dich in meiner Gondel mitnehmen, auf die Gefahr, dich von deiner Wohnung zu entfernen, statt dich in ihre Nähe zu bringen. Wenn ich dir diesen Streich spielen sollte, so ist es deine eigene Schuld.
– war dies die Absicht, als Sie mich fragten, Signora? In diesem Falle ist meine Antwort sehr kurz und klar: ich wohne auf den Stufen Ihres Pallastes.
– So erwarte mich denn an den Stufen desjenigen, in welchem wir uns befinden, sagte Corilla mit leiserer Stimme, denn Zustiniani könnte böse werden, dass ich deine Fadaisen so geduldig anhöre.
Auf den ersten Antrieb seiner Eitelkeit stahl sich Anzoleto hinaus und sprang von der Anlände des Pallastes auf das Vorderteil von Corilla’s Gondel: er zählte die Sekunden nach den raschen Schlägen seines berauschten Herzens. Aber noch ehe sie auf den Stufen des Pallastes erschien, drängten sich mancherlei Betrachtungen in dem arbeitenden und ehrgeizigen Kopfe des Debütanten. Die Corilla ist allmächtig, sagte er zu sich; aber wenn ich, gerade weil ich ihr gefiele, das Missfallen des Grafen erregte? Oder wenn ich durch meinen allzu leichten Sieg ihm eine so flatterhafte Geliebte ganz verleidete und sie so um die Macht brächte, welche sie nur von ihm hat?
In dieser Verlegenheit maß Anzoleto mit den Augen die Treppe, welche er noch wieder hinaufsteigen konnte, und war im Begriff, sein Entkommen zu bewerkstelligen, als die Kerzen unter dem Torwege hervorleuchteten, und die schöne Corilla, in ihre Hermelinmantille gehüllt, auf der obersten Stufe erschien, in der Mitte einer Gruppe von Herren, welche sich beeiferten ihren runden Ellbogen mit der hohlen Hand zu stützen und ihr beim Hinabsteigen behilflich zu sein, wie es in Venedig Sitte ist.
– He! rief der Gondolier der Prima Donna dem bestürzten Anzoleto zu, was macht ihr da? Geschwind in die Gondel, wenn ihr dazu Erlaubnis habt, oder fort, und laufet an der Riva hin, denn der Herr Graf ist bei der Signora.
Anzoleto warf sich in die Gondel, ohne zu wissen was er tat. Er hatte den Kopf verloren. Kaum war er drinnen, als ihm das Staunen und der Zorn des Grafen vor die Seele trat, wenn dieser etwa seine Maitresse bis in die Gondel geleitete und dort seinen unverschämten Schützling fände. Die Angst peinigte ihn umso schrecklicher, da sie um mehr als fünf Minuten verlängert wurde. Die Signora war mitten auf der Treppe stehen geblieben. Sie schwatzte und lachte laut mit ihren Begleitern, und da von einer Passage die Rede war, sang sie diese mehrmals mit voller Stimme und in verschiedener Manier. Ihre klare und schmetternde Stimme, verklang an den Palästen und Kuppeln des Kanales, wie sich der Ruf des vor dem Morgenrot erwachenden Hahnes in dem Schweigen der Felder verliert.
Anzoleto, der sich nicht länger halten konnte, war entschlossen, durch diejenige Öffnung der Gondel, welche von der Treppe abgekehrt war, in das Wasser zu springen. Schon hatte er die Glasscheibe in ihr schwarzes Sammetfutter hinabgleiten lassen, schon hatte er ein Bein hinausgestreckt, als der zweite Ruderer der Prima Donna, der welcher am Hinterteile arbeitete, sich an der Seite des Gondelzeltes herüberbeugend, ihm zuflüsterte: Wenn man singt, so bedeutet das, ihr sollt euch still verhalten und ohne Furcht warten.
– Ich kannte den Brauch nicht, dachte Anzoleto und wartete, aber nicht ohne einen Rest von schmerzlicher Angst. Corilla machte sich das Vergnügen, den Grafen bis an den Schnabel ihrer Gondel mit sich zu ziehen, und dort noch indem sie ihm felicissima notte wünschte, stehen zu bleiben, bis man abgestoßen war; hierauf setzte sie sich mit einer solchen Unbefangenheit und Ruhe an die Seite ihres neuen Liebhabers, als ob sie nicht dessen Leben und ihr eigenes Glück bei diesem frechen Spiele gewagt hätte.
– Seht ihr die Corilla? sagte währenddessen Zustiniani zu dem Grafen Barberigo; nun, ich wollte meinen Kopf verwerten, dass sie nicht allein in ihrer Gondel ist.
– Und wie kommt ihr auf einen solchen Gedanken? erwiderte Barberigo.
– Weil sie mir tausend Vorstellungen gemacht hat, dass ich sie nach Hause begleiten möchte.
– Und ihr seid nicht eifersüchtiger?
– Von dieser Schwachheit bin ich schon lange geheilt. Ich würde vieles darum geben, wenn unsere erste Sängerin sich ernstlich in irgendjemanden verliebte, damit ihr der Aufenthalt in Venedig angenehmer würde als die Reiseträume, mit denen sie mich ängstiget. Über ihre Untreue kann ich mich leicht trösten, aber ihre Stimme und ihr Talent und die Wut des Publicums, welches sie mir an San Samuel fesselt, ersetzt mir keine.
– Ich verstehe; aber wer könnte denn der glückliche Liebhaber dieser tollen Prinzessin sein?
Der Graf und sein Freund gingen alle die Personen der Reihe nach durch, welche Corilla während dieses Abends ausgezeichnet und aufgemuntert haben mochte. Anzoleto war der einzige, СКАЧАТЬ