Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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      Falk stotterte und wurde verwirrt. Es kam ihm vor, als stünde er auf einer Rednertribüne, tausend Zuhörer um ihn herum. Dann wurde er immer dumm und sprach nur banales Zeug. Der Säugling wollte ihn unterbrechen. Aber Falk mußte ausreden.

      – Sehen Sie, alle diese Gefühle können Wert haben für Jünglinge und Backfische, weil sie sozusagen das Substrat der Zuchtwahlsempfindungen sind ...

      – Aber lieber Falk – der Säugling benutzte eine momentane Pause, in der Falk seine Gedanken zu konzentrieren suchte – Sie verkennen völlig das Wesen der Kunst.

      Kunst kommt von können ...

      Er sprach den Satz bedeutungsvoll aus.

      – Das Können allein entscheidet über den Wert eines Kunstwerkes. Die Gedichte sind rhythmisch vollendet, sie haben Fluß und Gesang ...

      – Und sind ein leeres Strohdreschen, unterbrach ihn Falk.

      – Dein Wohl! Iltis trank Falk freundlich zu. Mit Falk konnte es nicht richtig sein. So eifrig und so zittrig hatte er ihn noch nie gesehen.

      Falk erholte sich ein wenig.

      – Nein, lieber Herr. Nicht die Form, nicht der Rhythmus entscheidet über die Kunst. Das hatte einstmals Bedeutung, als der Mensch sich erst künstlerische Formen schaffen mußte, ja – mußte, aus einem inneren Trieb, der durch tausend Ursachen bedingt war. Damals hatte der Rhythmus als solcher Bedeutung, denn in ihm drückte sich das rhythmische Zusammenwirken der Muskeln aus ... in der Zeit, als der Rhythmus geboren wurde, war er eine Offenbarung, eine große Tat ... Heute hat er nur eine atavistische Bedeutung – heute ist er eine leere, abgestorbene Formel.

      Wissen Sie, zu diesen Gedichten war überhaupt nichts mehr nötig als ein vererbtes Formgefühl ... Ich leugne nicht die Bedeutung des Rhythmus für den ganzen künstlerischen Effekt, aber es muß doch in einem Gedicht etwas drin sein ...

      Wieder trank Iltis Falk zu. Es fing an, ihn zu langweilen.

      – Nein, nein! Nicht der abgedroschene Inhalt von Frühling und Liebe und Weib ... Nein, ich will nicht diese lächerlichen Eiapopeiasänger ...

      Falk sprach heftig und eindringlich.

      Isa hörte nicht auf das, was er sprach. Sie sah nur den Mann mit dem feinen schmalen Gesicht und der glühenden Leidenschaft in den tiefen Augen.

      – Was ich will? Was Ich will? Leben will ich haben, das Leben mit seinen furchtbaren Untiefen, mit seinen schauerlichen Abgründen ... Die Kunst ist für mich der tiefste Instinkt des Lebens, der heilige Weg zur Zukunft des Lebens, zur Ewigkeit des Lebens, und deswegen will ich große zeugende Gedanken haben, die eine neue Zuchtwahl vorbereiten, einer neuen Welt, einer neuen Weltanschauung zur Geburt verhelfen ...

      Die Kunst soll mir nicht im Rhythmus, im Fluß, im Gesang bestehen, sie soll mir der Wille werden, der neue Welten, neue Menschen aus dem Nichts ruft ...

      Nein, nein, lieber Herr, wir haben eine große, ideenzeugende Kunst nötig, sonst hat sie überhaupt keine Bedeutung ...

      Falk kam plötzlich zur Besinnung. Herrgott, was sprach er denn nur? Wollte er ein Programm in die Welt ausschreien. Er ertappte sich, daß er zusah, welchen Eindruck er auf Isa mit seinen Reden machte.

      Das war doch zu knabenhaft!

      – Diese Art Kunst, die Sie loben, kann wohl Bedeutung haben für die Tiere ... Sie wissen, daß die Vögel zum Beispiel mit dem Rhythmus, dem Fluß des Trillers und dergleichen mehr die Weibchen anlocken, das können unsere Dichter nicht – nein, sicher nicht. Selbst auf die Backfische macht das keinen Eindruck mehr.

      Iltis lächelte listig und zwinkerte mit den Augen.

      Falk trank ihm zu. Er war mit sich unzufrieden, aber er fühlte ihre Augen, und er sah sie an, so tief, so ... bis in das Herz hinein ... Das war sicher lyrisch gedacht, aber wieder stieg ihm die Hitze in sein Hirn.

      Der Säugling wurde nervös.

      – Ich bin wirklich neugierig, was Sie als Kunst gelten lassen?

      – Haben Sie Rops gesehen? Ja? Sehen Sie, das ist Kunst. Kann man überhaupt mehr vom Leben sagen?

      – Selbstverständlich.

      – Ja – nach oberflächlicher Schätzung selbstverständlich ... Selbstverständlich für den, dem Alles selbstverständlich ist. – Ja, selbstverständlich für Strauß und Vogt und Büchner, und ... und ... Aber das Furchtbare, das Grausige, der große Geschlechtskampf und der ewige Geschlechtshaß ... ist das selbstverständlich? Ist das nicht ein unheimliches Mysterium? Ist das nicht etwa das, was ewig zeugt, Leben schafft und Leben zerstört. Ist das nicht etwa das, was unsere Handlungsmotive bildet, mögen sie noch so harmlos dem bewußten Gehirn erscheinen ...

      Falk stockte, dann sprach er immer heftiger.

      – Sehen Sie, was uns nötig ist, das ist das Gehirn, für das nichts selbstverständlich ist, das Gehirn, das Scheu und Angst und Ehrfurcht vor dem Selbstverständlichsten hat; das ist das Gehirn, in dem der Verknotungspunkt frei wurde – ja, der heilige Verknotungspunkt aller Sinne, in dem Linie zum Ton wird, ein großes Erlebnis zu einer Geste, und tausend Menschen ineinanderwogen, in dem es eine ununterbrochene Skala gibt vom Tone bis zum Worte und zur Farbe ohne die jetzt bestehenden Grenzen ...

      Wieder besann sich Falk auf sich und er lächelte still ...

      – Nein, nein! Bleibt mir weg mit eurer lächerlichen Bewußtseinslogik und euren atavistischen Zuchtwahlsmittelchen ...

      Isa mußte ihn beständig ansehen. Sein dichtes Haar war ihm in die Stirne gefallen und seine Augen waren weit und tief ... Das hätte sie nie vermutet, daß er so schön, – so dämonisch schön werden konnte ...

      – Der Herr Falk scheint bei den Theosophen in die Lehre gegangen zu sein.

      Der Anarchist sprach gedehnt und bedeutungsvoll mit einem plötzlichen Augenaufschlag.

      Falk lächelte.

      – Nein, verehrter Herr, durchaus nicht. Aber sehen Sie nur zu: Sie sind doch ein großer und jedenfalls, so weit die deutsche Zunge reicht, unerhört bedeutungsvoller Dichter ...

      Ein Mensch lachte plötzlich laut auf, sicher mit einer boshaften Absicht.

      Der Anarchist sah ihn wütend an, wurde rot im Gesichte und schrie Falk zu:

      – Ich verbitte mir jegliches Anulken.

      Falk wurde ungemein ernst.

      – Sehen Sie, das war sehr würdig gesprochen. Aber leider verfehlt. Es war mein höflichster Ernst. Ich habe nicht damit gemeint, daß ich Sie dafür ansehe, aber sicher doch die Andren.

      Der Anarchist kochte, er sah Isas Augen, die ihn mit unverkennbarem Spott ansahen.

      – Mein Herr, Sie gehen zu weit!

      – Nein, durchaus nicht. Sie vermuten bei mir beleidigende Absichten, die ich nicht habe. Im Übrigen haben Sie auch für mich etwas geschaffen, ein Bild von einer solchen ... ich möchte das Antithesengröße nennen ... Ja, ich meine die roten Husaren der Menschheit. –

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