Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ konnte, dann las er ihm vor. Ja, er las die Florentinischen Nächte von Heine.

      Und Falk hörte ein monotones, weiches Singen – ja, Singen ... halb wie ein Gebet, das immer mehr verebbte, wie die letzten Wellen am Seestrand, wenn sich die See glättet – immer mehr, immer weicher ...

      Er schlief ein.

      II.

       Inhaltsverzeichnis

      – Mikita, mein teurer Bruder!

      – Ja, ich bin es.

      Beide Freunde umarmten sich herzlich.

      Falk war sehr aufgeregt.

      Er lief hin und her, kramte alle möglichen Sachen heraus und fragte unaufhörlich:

      – Sag – sag, was willst Du haben? Bier? Schnaps ... Da, wart mal – richtig! Ich habe hier einen herrlichen Tokayer – von der Mutter bekommen – weißt Du, noch von Vaters Zeiten her. Er hat sich auf diese Dinge verstanden.

      – So laß doch endlich. Setz Dich doch hin. Laß Dich sehen.

      Endlich beruhigte sich Falk.

      Sie sahen sich glücklich in die Augen und stießen mit den Gläsern an.

      – Großartig! Aber Mensch, siehst Du schlecht aus. Du hast wohl viel geschrieben ... Potz Tausend! Dein letztes Buch – weißt Du, ich kam in eine solche Aufregung ... nein, war das merkwürdig! Ich kaufe mir das Buch, fange an auf der Straße zu lesen, bleibe stehen, das Buch packt mich derart, daß ich es auf der Straße auslesen muß und halb verrückt werde. Du bist doch ein ganzer Kerl!

      Falk strahlte.

      – Das macht mir große, große Freude. Du hast ja doch immer diese furchtbaren Ansprüche an mich gestellt. Also gefiel es Dir wirklich?

      – Na!

      Mikita machte mit der Hand einen weiten Kreis in der Luft.

      Falk lachte.

      – Da hast Du Dir eine neue Bewegung angewöhnt.

      – Nun, weißt Du, sprechen kann man doch wirklich nicht mehr. Alle diese unerhört feinen Dinge, die lassen sich nur mit Gesten ausdrücken.

      – Ja, Du hast Recht.

      – Das ist nämlich die große Linie, verstehst Du, der große Zug, der heiße Unterstrom, das verstehen wenige. So bin ich in Paris zu Einem von den Großen gegangen, weißt Du, dem Oberhaupt der Naturalisten, oder wie sie da heißen ... Er verdient! Na ja, der Pöbel fängt jetzt an, das cinquième élément, das Napoleon in Polen entdeckte – la boue und ein paar Kartoffelstengel darauf zu kaufen. Früher waren es die Pfefferkuchenpuppen des Hoftapeziermeisters Seiner Apostolischen Majestät – Raffael hieß er, nicht wahr? Nun, jetzt sind es die Kartoffelmaler ...

      Also ich frage das Oberhaupt, wozu man eigentlich das male, was in der Natur tausendmal besser sei und schließlich doch keine Bedeutung habe.

      – Ach was! Bedeutung! Nämlich die Natur, verstehen Sie ...

      Ja, ich verstand.

      – Die Natur ist Bedeutung.

      Aber doch nicht die Kartoffel?

      Nun kam der Kartoffelmaler in eine große Begeisterung.

      – Ja, grade die Kartoffel, das ist Natur, alles übrige Quatsch! Phantasie? Phantasie? Wissen Sie, Phantasie – lächerlich, Notbehelf!

      Beide Freunde lachten herzlich.

      Mikita dachte nach.

      – Na aber jetzt sollen sie sehen. Herrgott, mein Kopf birst vor lauter Gedanken. Hätt ich tausend Hände, tausend Linien würde ich Dir vorfuchteln, dann würdest Du mich verstehen. Weißt Du, das Sprechen verlernt man nämlich. Ich war bei einem Bildhauer – na weißt Du, Du wirst Skizzen von ihm bei mir sehen ... Ich lag auf dem Bauch vor diesem Menschen. Ich sagte ihm: das ist herrlich! Was? Ich beschrieb ihm die Sache. Ach so, Sie meinen dies! Und nun beschrieb er in der Luft eine unerhört großartige Linie. Der hat es verstanden ... Aber Herrgott, ich rede, daß sich mir der Mund verdreht – wie geht es Dir? Nicht besonders, was?

      – Nein, nicht besonders. Er habe viel Qual in der letzten Zeit ausgestanden. Diese tausend feinen Empfindungen, wofür es noch keine Laute gebe, diese tausend Stimmungen, die so momentan in Einem aufsteigen und die man nicht festhalten könne.

      Mikita unterbrach ihn heftig.

      – Ja, eben, grade dies. Siehst Du, der Bildhauer, der Prachtkerl – weißt Du, was er gesagt hat? Prachtvoll hat er es gesagt:

      Sehen Sie, hier sind die fünf Finger, die kann man sehen und betasten – und nun spreizte er die Finger auseinander – aber hier, hier, das zwischen den Fingern, das kann man nicht sehen, kann man nicht betasten, und doch ist das die Hauptsache.

      – Ja, ja, das ist die Hauptsache, aber lassen wir die Kunst.

      – Du bist wohl ein wenig blasiert?

      – Das nicht, aber zu Zeiten werde es doch ein wenig langweilig. Alles Leben nicht unmittelbar genießen zu können, sondern nur immer darauf hin zu leben, wie werde man es gestalten, wie werde man das verwerten können – und wozu eigentlich? Ihm werde schon ganz übel, wenn er daran denke, daß er kaum – fähig sei, Schmerz oder Freude nur als solche zu empfinden ...

      – Du mußt einmal lieben.

      – Mikita, Du? Das sagst Du?

      – Ja, ja. Lieben. Das ist etwas, was nicht ideell wird, das läßt sich nicht mittelbar empfinden. Gibt es Glück, so könnte man in den Himmel springen, ohne zu bedenken, daß man sich dabei die Beine verrenken kann; gibt es Schmerz, so frißt es an Einem so reell, na weißt Du, das kann man nicht wegschreiben, das kann man nicht unter Gesichtspunkte ordnen ...

      Mikita lächelte. – Ich bin nämlich verlobt.

      – Du?! Verlobt?!

      – Ja, und ich bin unerhört glücklich.

      Falk konnte aus dem Erstaunen nicht herauskommen.

      – Nun, das Wohl Deiner Verlobten!

      Sie tranken die Flasche leer.

      – Du, Mikita, wir bleiben doch den ganzen Tag zusammen.

      – Freilich, selbstverständlich.

      – Weißt Du, ich habe ein wunderbares Restaurant entdeckt ...

      – Nein, Bruder, wir gehen zu meinem Fräulein.

      – Ist sie denn hier?

      – Ja, sie ist hier. In vier Wochen sollen wir uns heiraten. Zuerst nur noch eine Ausstellung in München, damit ich die nötigen Gelder habe, eine würdige Hochzeit zu СКАЧАТЬ