Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays - Stanislaw Przybyszewski страница 55

Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

isbn:

СКАЧАТЬ und Stärke des preußischen Staatsbewußtseins und dergleichen mehr aufgeben und einfach sagen: Wir sind ein schwacher Staat, wir sind kein Staat, ein Haufen Polen genügt, uns zu polonisieren und schließlich, aus dem polonisierten Preußen ein glorreiches polnisches Reich zu machen und darum sind wir genötigt, die Polen auszurotten.

      Falk wurde erregt.

      – Gut, das verstehe ich: wir sind keine Nation, wir wollen eine werden, und diesen Zweck heiligt die Geschichte. Dann müßte man sagen: Ob moralisch oder nicht, das ist uns gleichgültig, die Geschichte kennt keine Moral. Ja, so sollten wir sagen, meine Herrn, ganz frech, und dann sollten wir kaltlächelnd das Resumé ziehen: Wir sind eine in drei Kriegen zusammengetrommelte Nation, wir sind eine aus der Kriegsbeute zusammengewürfelte Nation, das heißt keine Nation.

      – Das Resumé sei ganz falsch, unterbrach der Herr Kreisphysikus – er schien sehr aufgebracht – ganz, ganz falsch. Die Preußen hätten nur mit einem sehr unruhigen und unzufriednen Elemente zu tun. In Polen könne es jeden Tag zu neuen Wirren kommen; ganz Deutschland, die ganze Reichseinheit könne dann in Frage kommen denn die Sozialdemokraten lauerten ja bloß auf eine günstige Gelegenheit.

      – Nein, was Sie sagen, Herr Kreisphysikus! Wollen Sie denn, Sie, den Polen ein Waffendepot einrichten? Oder glauben Sie etwa, daß der Reichslieferant Herr Isidor Löwe von den Polen Bestellungen annehmen wird? Na, er hat sich allerdings auch den Franzosen angeboten; aber die Polen sind nicht kreditfähig, da liegt der Hund begraben. Und ich bitte Sie: drei preußische Kanonen würden genügen, das mit Heugabeln, Sensen und Jagdgewehren bewaffnete polnische Heer in fünf Minuten von der Erde wegzublasen.

      Diese ganze Politik, grade diese kleinliche, heuchlerische Angstpolitik ist übrigens psychologisch ganz roh. Sehen Sie sich nur in Galizien um. Da haben die Polen ihre Schulen, ja sogar Universitäten mit polnischer Unterrichtssprache, ganz wunderbare, papstgetreue Universitäten, die nach dem Spruch geleitet werden, daß die Wissenschaft die ergebenste Magd der Kirche sei. Das ist gewiß schön, und ein schöner Anblick ist es, wenn die Professoren in ganz wunderbarer Amtstracht in die Kirche gehen. Man hat den Polen auch erlaubt, in schöner, oh, sehr schöner Nationaltracht den polnischen Landtag zu besuchen. Niemals habe ich schönere und schöner gekleidete Menschen gesehen, wie auf dem Landtag in Lemberg.

      Die Konsequenz, meine Herren: Die Polen sind ausgezeichnete, österreichische Untertanen. Geduldig, schmiegsam, sanft, die wahren Gotteslämmer. Haben Sie jemals von Unruhen gehört, die in Galizien durch Polen angestiftet wären? Nein, im Gegenteil: überall wos gilt, einer Reichshydra die Köpfe abzusengen, da bedient man sich mit Vorliebe der Polen, und sie sind auch immer »frisch« wie Schiller sagt »zur Hand«.

      – Ob Falk denn gar nichts von der Tschechenpolitik gelernt habe, fragte erregt der Landgerichtsrat, der auch ein Mitglied der Ansiedlungskommission war.

      – Ja, er habe sehr viel gelernt und wisse daher, daß diese Politik ganz anders sei und nichts mit der soeben besprochenen zu tun habe. Die ganze Tschechenpolitik sei nämlich eine Politik ökonomischer Interessen. Daß die Deutschen in Österreich so viel Plage mit den Tschechen haben, komme daher, daß die tschechische Industrie in einem wunderbaren Aufschwung begriffen sei. Sie suche nach einem möglichst weiten Absatzgebiet, müsse demgemäß die Deutschen überall verdrängen, denn es sei ja klar: tschechische Produzenten, tschechische Konsumenten! Auch die Deutschen gingen zu deutschen Produzenten.

      – Dann also, warf Herr Kauer ein, würde die Geschichte sich so darstellen, daß die Preußen tschechische Politik treiben. Die Preußen können ja neben dem patriotischen ein vorwiegend ökonomisches Interesse daran haben, daß sie die Polen unterdrücken.

      – Bien, gut, sehr gut! Dann aber ist die ganze – ich will nun annehmen – Interessenpolitik noch viel dümmer als die Angstpolitik.

      Ich bitte Sie: Die deutsche Industrie will sich in der Provinz Posen ein Absatzgebiet schaffen. Nun kommt die Ansiedlungskommission, kauft die Güter an, die Gutsbesitzer zerstreuen sich natürlich in alle Winde, und die eigentliche Kaufkraft ist gelähmt. Die Güter werden zerstückelt und mit armen Kolonisten besetzt, die überhaupt nichts konsumieren können, denn was sie nötig haben, produzieren sie selbst. Wer soll nun konsumieren?

      Die polnische Industrie, die keine ist, weil sie völlig zerstört wird dadurch, daß man ihr die eigentlichen Konsumenten entzogen hat, liegt brach; die deutsche Industrie hat nicht den geringsten Nutzen; was bleibt, meine Herren? Blödsinn bleibt, ein unerhörter Blödsinn. Empören Sie sich nicht, meine Herrschaften; aber ist es etwa nicht blödsinnig, mit ganzer Kraft dafür zu sorgen, daß ein großes Stück Land, eigenes Land, verarmt?!

      Falk wurde noch erregter. Sein Blick streifte das glühende Gesicht Marits, die jedes seiner Worte zu verschlingen schien.

      – Ja, die ganze Politik – Falk zerbrach nervös ein Stückchen Brot in Krümelchen und ordnete sie mechanisch zu Reihen – diese ganze preußische Politik, meine Herrschaften, ist für mich aus psychologischen und sozialpolitischen Gründen völlig unbegreiflich. Oder, nun, sie ließe sich vielleicht begreifen etwa wie ich eine dumme und daher verfehlte Börsenspekulation begreifen kann. Aber eine Polenpolitik find ich wirklich völlig unbegreiflich – völlig, meine Herrschaften –: die Vatikanische!

      Wieder streifte sein Auge flüchtig Marits Gesicht.

      Bitte, Hochwürden, keine Besorgnis! Sie werden völlig einig mit mir sein. Nein wirklich, bitte: fällt mir nicht im Traume ein, irgend ein religiöses Thema anzurühren, nicht eine einzige Frage, in der ein Papst unfehlbar ist. Ich werde lediglich von Politik zu sprechen haben, und in der Politik soll ja auch Papst Leo nicht unfehlbar sein. Nicht wahr, Nein? Also nein.

      Ich habe den Papst Leo gesehen, Leo den Dreizehnten, in Rom. Er ist der schönste alte Herr, den ich mir denken kann. Er hat ein unglaublich feines, aristokratisches Gesicht und sehr feine weiße Hände, er macht auch gute Gedichte. Oh ja: sie sind in echtem Ciceronianischen Latein verfaßt. Gewisse nach Ambrosianischem Küchenlatein schmeckende Wendungen sollen durchaus nicht ihren Wert beeinträchtigen; sagten mir wenigstens die Philologen.

      Nun hat Papst Leo die gewiß sehr schöne Eigenschaft, sich als geborenen Beschützer sämtlicher Unterdrückten zu fühlen. Die Polen stehen seinem Herzen wohl am nächsten; denn sie werden am meisten unterdrückt. Aber ich kann mir das Erstaunen der Polen denken; hören Sie nur! Als Bismarck so ein paar tausend polnische Familien aus Preußen vertrieben hatte, bekam er den höchsten päpstlichen Orden; ja, der Christusorden ist sehr schön, und auch sehr wertvoll. Nun weiter! Kaum ist die Kunde von den wahnsinnigen Morden verklungen, welche die Russen, mit Zustimmung der russischen Regierung, an den polnischen Uniten in Kroze begangen hatten – übrigens Morde, die sich jeden Tag in Litauen wiederholen, – so erläßt der Papst eine Enzyklika an die Bischöfe Polens, in der er das große Wohlwollen des Zarats mit vielem Lobe preist –ja, bitte sehr, es steht ausdrücklich da, der Zar sei von dem innigsten Wohlwollen gegen die Polen erfüllt, er wolle nur ihr Bestes.

      Nein, Hochwürden, nehmen Sies nicht übel, aber es gefiel mir gar nicht als Sie in Ihrer letzten Predigt beweisen wollten, daß der Papst von neuem sein väterliches Herze für die Unterdrückten in unerhörtem Glanz erstrahlen ließ.

      Das ist oberflächliche Schätzung; die Sache hängt ganz anders zusammen. Der Papst ist durch die Franzosen bestimmt, mit denen er sehr sympathisiert; ja, Er ist durch die Franzosenpolitik veranlaßt, fortwährend mit den Russen zu kokettieren. In der ganzen Enzyklika, die ich sehr aufmerksam durchgelesen habe, finde ich kein väterliches Herze, im Gegenteil recht rohe vatikanische Interessen. Und da ich der katholischen Kirchengemeinde angehöre, so schmerzt es mich aufs tiefste, daß die Kirchenpolitik so unschön, ja – ich will mich reserviert ausdrücken – unschön, heuchlerisch ist und Deckmäntelchen von Glaube, Hoffnung, Liebe für sehr irdische Interessen СКАЧАТЬ