Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ eben, weil ich eben ein sogenannter »differenzierter« Mensch bin, so verfließt alles in mir ineinander, Absicht und Echtes, Bewußtes und Unbewußtes, Lüge und Wahrheit, tausend Himmel und tausend Erden wogen ineinander über, aber trotzdem bin ich lächerlich.

      Dagegen läßt sich eben nichts tun, absolut nichts. Es ist ein »ehernes« Gesetz, eins von den ehernsten, daß der Mann, ehe er seinen komischen Zweck erreicht, erst tausendmal lächerlich von dem Weibe seiner Liebe befunden werden muß ...

      Er stockte plötzlich.

      Er hatte also Schamgefühl ... Ja, ja, Alles wie bei kleinen Schulbuben. Sie fühlen sich ja auch blamiert, wenn sie vor ihrer Flamme vom Pferde runterfallen.

      Aber das Weib war ihm ja fremd, ganz, ganz fremd. Er wußte nichts von ihr. Nicht eine Linie konnte er in das Geheimnis dieses verschleierten Lächelns, dieses wissenden, liebenswürdigen Wesens eindringen.

      Und in ein fremdes Weib, von dem er nichts wußte, hatte er sich verliebt.

      Jäh. Mit einem Ruck. In einer Sekunde.

      Heda! Tausend Experimentalpsychologen her! Ihr, die Ihr Alles wißt, ihr Seelenanatomen, ihr purs et secs Analytiker, kommt her, macht mir das klar ...

      Also die Tatsache: Ich habe mich in einer Sekunde in ein Weib verliebt, zum ersten Male verliebt.

      – Weil mein sinnlicher Trieb erwacht sein sollte? Sie irren sich; der war schon längst wach.

      Weil ich mir etwas gesagt haben wollte? Ich habe mir nichts gesagt. Mein Gehirn hat damit nichts zu tun gehabt. Ich hatte keine Zeit zu reflektieren. Übrigens schämen Sie sich. Sie, die Sie eine Physiologie der Liebe, eine so famose Physiologie, geschrieben haben, sollten wissen, daß das Geschlecht nicht reflektiert. Es ist ein dummes, taubes Tier. Borniert, flegelhaft und komisch.

      Übrigens ist es mir ganz, ganz gleichgültig. Wenn man im Juni 26 Jahre alt werden soll, dann fragt man nicht mehr nach den Ursachen, das Warum schmerzt nicht mehr. Man nimmt Alles als eine gegebene Tatsache. Ja, das tut man.

      Er sah sich um. Er war inzwischen auf einem öffentlichen Platze angelangt, den er nicht kannte.

      Sehr schön.

      Er setzte sich auf eine Bank, sein Kopf war ein wenig schwer, wahrscheinlich hatte er zu viel getrunken, aber er hatte keine Ruhe.

      Es arbeitete Etwas in ihm schon den ganzen Abend. Ein unsagbar peinlicher Gedanke, den er immer von Neuem zurückdrängte, der sich aber immer energischer emporarbeitete und nun mit aller Kraft herausbrach.

      Mikita!

      Falk stand unruhig auf, ging ein wenig herum und setzte sich wieder.

      Siehst Du, Mikita, nimm es mir nicht übel ich kann absolut nichts dafür.

      Wozu hast Du mich zu ihr geschleppt? Ich wollte Wein mit Dir trinken und mit Dir sprechen. Ich wollte nicht zu ihr gehen. Zu seinen Bräuten darf man seine Freunde nicht schleppen.

      Das ist der wichtigste Paragraph in dem Liebeskodex.

      Durchaus nicht, und mögen die Bräute noch so herrlich sein, wie Deine Isa.

      Nun, Mikita, sei doch nicht so verflucht traurig. Das tut mir ganz tierisch weh. Ich habe Dich nämlich unendlich lieb.

      Falk überkam eine große Zärtlichkeit.

      Ich kann wirklich nichts dafür. Stell Dir doch nur vor. Ich trete ins Zimmer. Ein wunderbares Rot. Und dieses Rot fließt um ein Weib in heißer Wellenbrandung, um ein Weib, das mir so bekannt war, ja mehr wie Dir selbst, obwohl ich sie nie gesehen hatte.

      War es das Rot? Du bist doch zum Kuckuck ein Maler. Du mußt doch wissen, wie ein solches Rot auf Deine Seele wirkt.

      Nun kommt der ehrbare Auch-Psychologe Herr Du Bois-Reymond und sagt: Rot besteht aus Wellen, die fünfhundert Billionen Schwingungen in der Sekunde machen. Die Schwingungen bringen in den Nerven Schwingungen hervor, und so schwinge ich.

      Verstehst Du nun, warum ich mich verliebt habe? Weil ich schwinge!

      Na also! Falk stand auf und ging aufs Geratewohl vor sich hin.

      Auf den Straßen war es öde. Nur hin und wieder hörte er eine leise, piepende Frauenstimme:

      – Na, Liebchen, kommst Du mit?

      Nein, das wollte er durchaus nicht. Was sollte er bei einem Frauenzimmer? Er war kein Berliner Romanschriftsteller und brauchte nicht die diskreten Unterrocksstimmungen, um Romane zu schreiben. Nein, er haßte alle Weiber, alle, und am meisten sie, sie, die sich so hinterlistig in ihn eingeschlichen und ihn nun in diese verfluchte Unruhe peitschte.

      Nein, Mikita, das darfst Du mir nicht übel nehmen. Nein, nein ... Du kannst Dir nicht vorstellen, wie ich leide. Es sitzt mir etwas Würgendes in der Kehle; den ganzen Tag schon ... Nichts hab ich gegessen, nur getrunken und getrunken ...

      Weißt Du, was ich geträumt habe? Von einem hohen Berge bin ich herabgestürzt. Ich saß auf einem Gletscher, der sich mit rasender Schnelligkeit vorwärtsschob; konnte ich dagegen etwas machen? Konnte ich mich wehren? Der Gletscher trug mich, der Gletscher war breit, er raste und raste unaufhaltsam ...

      Kann ich die Molekel meiner Nerven in eine andere Lage bringen? Kann ich den Strom in meinem Gehirn ausschalten? Heh? Kann ich das? Kannst Dus?

      Der Gletscher trägt mich – ich stürze und stürze, bis er mich ins Meer ausspeien wird.

      Das ist das eherne Gesetz!

      Falk schrie es fast.

      Na ja; ich bin ein wenig betrunken, und da ist die Kontrolle schwer.

      Nein, Mikita, nein; Du bist mir so unendlich teuer. Ich habe nichts, nichts dabei gemacht.

      Plötzlich wurde er wütend.

      Hast Du sie nicht gereizt, lieber Falk, hast Du nicht mit tausend Kniffen ihre Neugierde gestachelt?

      Herrlich, dies urplötzliche Schuldbewußtsein! Ja, ich nehme mein schuldbeladenes Gewissen und schüttle seinen Inhalt vor den Allmächtigen hin, der mich nicht wie jene Vierfüßler geschaffen hat, die keinen Verstand haben, sondern als zweibeiniges Individuum, mit Geist und Vernunft begabt, auf daß es zwischen Gut und Böse unterscheide und vermöge der quinta essentia, nämlich der Willenskraft, die Handlungen berechne und sie leite.

      Ja, lieber Mikita; mea maxima culpa! Ich habe gesündigt gegen Dich!

      Unterwegs sah er ein Nacht-Café offen.

      Oh, er war so furchtbar müde.

      Er trat ein und setzte sich auf ein Sofa abseits in eine Ecke.

      Um sich herum hörte er Geschrei und Gekreisch, Fluchen und Feilschen. Er sah hin, ob nicht ein Berliner Romanschriftsteller seine Notizen machte. Nämlich ein Kollege von der nämlichen Fakultät.

      Ekelhaft! Wie viel kostet fünf Minuten Fleisch pro Pfund?

      Er lehnte sich zurück und starrte in die große, weiße Lampe des elektrischen Lichtes.

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