Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays
Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027205639
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Er nahm ihre Hand und küßte sie innig.
Er fühlte nur das heiße Fieber dieser langen, schmalen Hand.
– Nehmen Sies mir nicht übel. Ich habe mich vergessen. Aber Sie müssen mich verstehen. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht geliebt. Und jetzt strömt dies Neue, Unbekannte mit solcher Wucht auf mich ein, daß es mich völlig übermannt. Vergessen Sie es nur, was ich Ihnen sagte.
Er lächelte traurig.
– Ich werde nie mehr so zu Ihnen sprechen. Ich werde Sie immer lieben, weil ich es muß, weil Sie meine Seele sind, weil Sie das Tiefste und Heiligste in mir sind, weil Sie das in mir sind, wodurch Ich grade Ich bin und kein Andrer.
Er küßte ihr wieder die Hand.
– Wir bleiben Freunde – nicht wahr? Und Sie werden das schöne Bewußtsein haben, daß Sie mein herrlichstes, mein mächtigstes Erlebnis sind, mein ...
Seine Stimme brach; er küßte ihr nur die Hand.
Sie schwieg und preßte heftig seine Hand.
Falk beruhigte sich.
– Sie nehmen mirs nicht übel?
– Nein.
– Sie bleiben mir Freundin?
– Ja.
Nun schwiegen sie den Rest des Weges.
Isas Wohnung gegenüber war ein Restaurant, das noch offen stand.
– Wir sind jetzt Kameraden, Fräulein Isa; darf ich Sie bitten, mit mir ein Glas Wein zu trinken. Wir wollen die Kameradschaft besiegeln.
Isa zögerte.
– Sie werden mir dadurch ein großes Glück bereiten. Ich mochte mit Ihnen so unendlich gerne so en bon camarade sprechen.
Sie gingen hinein.
Falk bestellte Burgunder.
Sie waren allein. Das Zimmer war durch eine Portiere abgegrenzt.
– Ich danke Ihnen, Fräulein Isa, ich habe nie einen Menschen gehabt ...
Isa hatte Mikita auf der Zunge, aber sie schwieg. Es war peinlich, seinen Namen auszusprechen.
Es wurde Wein gebracht.
– Sie rauchen?
– Ja.
Isa saß zurückgelehnt auf dem Sofa, rauchte die Zigarette und blies Ringe in die Luft.
– Das Wohl unserer Kameradschaft. Er sah sie mit so herzlicher Innigkeit an.
– Ich bin so glücklich, Fräulein Isa, Sie sind so gut zu mir, und dann – nicht wahr? – wir haben nichts voneinander zu verlangen; wir sind so frei ...
Er sah wieder dies heiße Glühen um ihre Augen ... Nein! Er wollte es nicht sehen. Er trank sein Glas hastig aus, füllte es wieder und starrte auf die rote Weinfläche. Er dachte an den Meniskus; er mußte wohl konvex sein ...
– Ja, ja, die Seele ist ein seltsames Rätsel ...
Schweigen.
– Kennen sie Nietzsche? Er sah auf.
– Ja.
– Und diese eine Stelle aus Zarathustra: Die Nacht ist tiefer, als der Tag gedacht ...
Sie nickte.
– Hm; nicht wahr? Er lächelte ihr zu. Die Seele ist auch tiefer, als sie sich in dem blödsinnigen Bewußtsein widerspiegelt.
Sie sahen sich an. Ihre Augen vergruben sich ineinander.
Wieder sah Falk ins Glas.
– Ich bin nämlich Psychologe von Fach. Verstehen Sie: von Fach. Das heißt; ich habe Schallgeschwindigkeiten gemessen, die Zeit bestimmt, in der eine Sinneswahrnehmung ins Bewußtsein tritt, aber von der Liebe habe ich nichts erfahren ... Da plötzlich ... Na ja ... Ihr Wohl!
Er trank.
– Nein, nein, aus allen diesen Messungen ist nichts rausgekommen. Heute in der Nacht hab ich weit mehr von meiner Seele erfahren als in den vier, fünf Jahren, die ich an die sogenannte Psychologie vergeudet habe ... Ich hatte einen Traum ... Er sah auf. Aber langweilen Sie sich nicht?
– Nein, nein.
Sie lachten sich zu.
– Ja, ich habe heute geträumt, daß ich mit Ihnen eine Reise auf dem Meere machte.
Es war finster, ein schwerer, dicker Nebel lag auf dem Schiffe, ein Nebel, den man bis in den Innenraum hineinfühlte, schwer wie Blei, beengend, angstschwül ...
Ich saß mit Ihnen im Salon und sprach – nein, ich sprach nicht. Es war Etwas in meiner Seele, das sprach – lautlos, und die Stimme war auch körperlos, aber Sie verstanden mich.
Und dann standen wir auf. Wir wußten es, ganz genau wußten wir, daß es kommen werde – das Furchtbare ...
Und es kam.
Ein furchtbarer Krach, wie wenn eine Sonne heruntergestürzt wäre, ein höllisches Angstgebrüll, wie wenn plötzlich Gletschermassen auf die Erde niederrasten: ein Dampfer hatte sich in den unsern hineingebohrt.
Nur wir Beide hatten keine Angst. Wir fühlten uns nur, wir verstanden uns und hielten uns fest an den Händen.
Da plötzlich waren Sie mir verschwunden.
Ich sah mich mit einem Mal auf einem Rettungsboot, die See warf es bis in den Himmel hinein und dann wirbelte es plötzlich in einen endlosen Abgrund herab.
Mir war Alles gleichgültig, was mit mir geschah. Nur eine entsetzliche, wahnsinnige Angst, was mit Ihnen geschehen sei, zersprengte mir den Schädel. Da auf einmal: Ich sah, wie der mächtige Dampfer mit einer unerhörten Schnelligkeit untersank, ich sah nur noch einen ungeheuren Mast aufragen, und da, da ganz oben sah ich Sie angeklammert ... Und im selben Augenblick stürzte ich in das Meer, ich erfaßte Sie, Sie lassen sich kraftlos von mir tragen und Sie werden so unendlich schwer. – Ich konnte mich nicht mehr festhalten, noch ein Moment und ich mußte mit Ihnen zusammen ins Meer sinken.
Da plötzlich ballte sich der Nebel und die Wolken zu einer Riesengestalt. Über den ganzen Himmel weg, grausam, kalt, gleichgültig ...
Falk lächelte mit einem seltsam verlegenen Lächeln.
Es war das Meer und der Himmel, das war Ich und Sie, es war Alles: das Schicksal, Fräulein Isa.
Sie bekam Angst. Er sah sie so unheimlich an.
Plötzlich schlug er um.
– Seltsamer Traum, nicht wahr? lächelte er.
Sie bemühte sich gleichgültig СКАЧАТЬ