Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ Soll ich eine Droschke holen?

      – Nein, nein; gehen wir!

      Das war doch sehr rücksichtslos von Mikita. Er versprach ihr doch ganz sicher, daß er kommen würde. Warum war er nicht gekommen? Worauf war er denn wieder eifersüchtig? Nein, es war doch zu langweilig. Sie litt darunter. Sie fühlte sich wie gebunden. Sie wagte ja kaum mit einem Menschen zu sprechen. Fortwährend fühlte sie seine lauernden Augen auf sich ruhen.

      Und die Geschichte in Frankfurt! Nein, er ging doch zu weit, er quälte sie zu viel. Konnte er denn nicht die Freude verstehen, plötzlich in einer fremden Stadt einen Landsmann zu finden? Aber er ging ins Nebenzimmer und schrieb Briefe, um seine Wut zu verbergen.

      Sie gingen durch den Tiergarten.

      Die laue Märzluft beruhigte sie allmählich.

      Jetzt wird er ihr selbstverständlich übel nehmen, daß sie ihn nicht Stunden lang bei Iltis erwartet hatte.

      – Können Sie begreifen, Herr Falk, warum Mikita nicht gekommen ist?

      – Oh, er wird wohl wieder seine Launen haben ...

      Im nächsten Augenblick schämte sich Falk ...

      – Er quält sich wohl mit seiner Arbeit, dann mag er Niemanden sehen und am wenigsten in eine Gesellschaft gehen.

      Sie schwiegen.

      Es war so unheimlich still. Ein leises Angstgefühl schlich sich in ihre Seele.

      Wie gut, daß er um sie war!

      – Darf ich Ihnen meinen Arm geben?

      Sie war ihm fast dankbar.

      Nun gingen sie langsamer.

      Sie dachte an den Abend, sie dachte an den Tanz, aber sie fühlte keine Scham mehr, keine Unruhe, nein im Gegenteil, eine weiche, angenehme Empfindung von Wärme.

      – Warum sind Sie so still? Ihre Stimme klang weich, beinahe zärtlich.

      – Ich wollte nicht aufdringlich sein. Ich dachte, daß es Ihnen unangenehm wäre.

      – Nein, nein, Sie irren sich. Die Gesellschaft hat mich nur so nervös gemacht, deswegen wurde ich so unruhig; ich bin so froh, daß wir weggegangen sind.

      Sie hatte ungewohnt herzlich und warm gesprochen.

      – Ja, sehen Sie, Fräulein Isa; Falk lächelte still; ich hätte eigentlich Grund genug, tief über mich nachzudenken ...

      Er fühlte, daß sie gespannt aufhorchte.

      – Sehen Sie – dies Merkwürdige – dies Sonderbare ... Sie dürfen mich nicht mißverstehen – ich spreche mit Ihnen darüber, wie über ein Rätsel, ja, ein Geheimnis, als wäre ein Toter wiedergekommen ...

      Falk hustete kurz auf. Seine Stimme zitterte ein wenig.

      – Als ich noch in der Schule war, gefiel mir eine Idee von Plato ungemein. Er hält nämlich das Leben hier auf Erden nur für ein Abbild eines Lebens, das wir schon früher einmal als Ideen durchlebt haben. Unser ganzes Schauen ist nur eine Erinnerung, eine Anamnese dessen, was wir schon früher, bevor wir geboren wurden, geschaut haben.

      Sehen Sie – damals war mir die Idee lieb wegen ihres poetischen Gehaltes, und jetzt denk ich beständig an sie, weil sie sich an mir selbst realisiert hat.

      Ich erzähle Ihnen diese Tatsache – rein objektiv, wie ich gestern über die Unverletzlichkeit der Fakire erzählte. Mißverstehen Sie mich nicht ... Ich bin Ihnen eigentlich ein wildfremder Mensch ...

      – Nein, Sie sind mir nicht fremd ...

      – Bin ich das nicht? Wirklich nicht? Sie wissen nicht, wie mich das freut. Ihnen, Ihnen allein möcht ich nicht fremd sein. Sehen Sie, kein Mensch weiß, wie ich bin; sie hassen mich Alle, weil sie nicht wissen, wo ich zu fassen bin; sie sind so unsicher mir gegenüber ... nur Ihnen möcht ich meine ganze Seele öffnen ...

      Er stockte. Ob er nicht zu weit gegangen war? Sie erwiderte nichts, sie ließ ihn sprechen.

      – Ja, aber was ich sagen wollte ... ja, gestern, gestern ... seltsam, daß es erst gestern war ... Als ich Sie gestern sah, kannte ich Sie schon längst. Ich muß Sie irgendwo gesehen haben. Ich habe Sie selbstverständlich niemals gesehen, aber Sie waren mir so bekannt ... Heute kenn ich Sie schon hundert Jahre, deswegen sag ich Ihnen Alles; ich muß Ihnen Alles sagen ...

      Ja, und dann ... ich kann mich sonst sehr beherrschen, aber gestern in der Droschke – da übermannte es mich; ich mußte Ihnen die Hand küssen, und ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mir Ihre Hand nicht entzogen haben ...

      Ich verstehe es nicht ... ich sehe sonst alle Menschen draußen, ja irgendwo weit draußen; mein Inneres ist jungfräulich, kein Mensch ist mir nahe gekommen, aber Sie fühl ich in mir, jede Ihrer Bewegungen fühl ich an meinen Muskeln niederfließen – und dann seh ich die Anderen wie einen Feuerring um mich tanzen ...

      Isa war wie gebannt. Sie durfte das nicht hören. Sie fühlte Mikitas Augen auf sich ruhen. Aber diese heiße, leidenschaftliche Sprache ... so hatte noch kein Mensch zu ihr gesprochen ...

      Falk überkam ein Taumel. Es war ihm gleichgültig, was er jetzt sprach. Er suchte sich auch nicht mehr zu beherrschen. Er mußte zu Ende reden. Es war ihm, als wäre Etwas aufgebrochen in seiner Seele, und nun stürzte die Glut unaufhaltsam heraus.

      – Ich verlange Nichts von Ihnen, ich weiß, daß ich es nicht verlangen darf. Sie lieben Mikita ...

      – Ja, sagte sie hart.

      – Ja, ja, ja, ich weiß es; ich weiß auch, daß Alles, was ich Ihnen sage, dumm ist, ganz dumm, lächerlich; aber ich muß es sagen. Das ist das größte Ereignis in meinem Leben. Ich liebte nie; ich wußte nicht, was Liebe ist, ich fand sie lächerlich; ein krankhaftes Gefühl, das die Menschheit überwinden müsse. Und nun mit einem Ruck war es geboren ... In einem Moment: als ich Sie sah in dem roten Licht, als Sie mit dieser rätselhaften, verschleierten Stimme zu mir sagten: Sie sind es ...

      Und Ihre Stimme war mir so bekannt. Ich wußte, daß Sie so, gerade so sprechen mußten, ich erwartete es. Ich wußte auch, daß das Weib, das ich lieben könnte, nur so, nur so wie Sie aussehen müsse ... Es hat sich Alles in meiner Seele ausgelöst, Alles, was mir bis jetzt unbekannt war, das Tiefste – Intimste ...

      – Nein, Herr Falk, sprechen Sie nicht weiter; ich bitte Sie, tun Sie es nicht. Das schmerzt mich, das tut mir so weh, daß Sie durch mich leiden sollen. Ich kann Ihnen ja Nichts, Nichts geben ...

      – Ich weiß es, Fräulein Isa, ich weiß es nur zu gut. Ich verlange nichts. Ich will Ihnen nur das sagen ...

      – Sie wissen doch, Herr Falk, daß ich Mikita liebe ...

      – Und wenn Sie tausend Mikitas liebten, müßt ich Ihnen das sagen. Es ist ein Zwang, ein Muß ...

      Plötzlich schwieg er.

      Was wollte er nur?

      Er lachte auf.

      – Warum lachen Sie?

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