Название: Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen
Автор: Heinrich Smidt
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831330
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Die Vorstellung im Theater nahm ihren Anfang. Die jungen holländischen Kolonisten der Gegenwart freuten sich über die kühne List ihrer Vorfahren in dem Mutterlande. Die spanische Herrschaft lastete schwer auf Breda, wie auf so vielen holländischen Städten und zähneknirschend suchten die Bürger das eiserne Joch von sich abzuschütteln. Vergebens bemühten sie sich, ihre Tyrannen zu vertreiben, vergebens beeiferte sich Prinz Moritz von Nassau, die Wälle von Breda zu ersteigen und die holländische Flagge darauf zu pflanzen. Da wagte es ein junger kriegerischer Patriot mit siebzig Gleichgesinnten, den Feind zu überrumpeln. Sie verbargen sich in dem Rumpf eines Torfschiffes und ließen das Deck mit Torf vollstauen. Die Spanier, welche schon Mangel an Feuerungmaterial litten, ließen das Schiff bereitwillig ein. Aber zur Nachtzeit wurde es plötzlich lebendig in dem Rumpf des Schiffes. Die siebzig Holländer kamen aus demselben hervor. Die ausgestellten Wachen wurden niedergemacht und die Tore weit aufgesperrt. Zwei Raketen, weiche hoch in die Luft stiegen, deuteten an, daß die List gelungen sei, und Moritz von Nassau, der sich bereit hielt, rückte in das befreite Breda ein, bevor die Spanier den Schlaf von sich geschüttelt hatten. Der Jubel der Zuschauer überstieg alle Grenzen, als nun die spanische Flagge zu Boden fiel und die holländische Trikolore sich über dieselbe erhob.
Aber mitten in dem Jubel fuhr es nieder wie ein kalter Schlag. Aus dem harmlosen Spiel ward eine blutige Wahrheit. Ein junger Bursche, welcher zu der Truppe gehörte, ein echtes holländisches Blut, war nicht damit zufrieden, daß die spanische Flagge am Boden lag. Er hob sie wieder auf, sprang damit bis dicht an die Lampen, riß sie in zwei Stücke und trat sie mit Füßen.
Stummes Staunen auf der einen Seite. Laute Rufe des Erschreckens über eine solche Beleidigung einer befreundeten Flagge auf der öffentlichen Bühne. Hier und da ein vereinzeltes Klatschen; ein ermunternder Zuruf.
Aber all dieses übertönte ein Wutgeschrei, welches von der oberen Galerie erschallte. Eine spanische Brigg, welche auf der Rhede vor Anker lag, hatte einen Teil ihrer Mannschaft an das Land gesendet, und diese wohnten dem Schauspiel bei. Sie verfolgten mit südlicher Lebhaftigkeit das Schicksal ihrer spanischen Landsleute, und gaben ihren Beifall sowie Mißfallen auf die unzweideutigste Weise kund. Aber als nun ihre Flagge beschimpft und zerrissen am Boden lag, brach der verhaltene Ingrimm los. Sie legten sich über die Brüstung hinaus und warfen ihre Messer nach dem kecken Schauspieler. Schnell waren sie von der Galerie verschwunden, aber eben so schnell waren sie auf dem Theater. Kein Mensch konnte sagen, wie es geschah, allein sie waren dort und alsbald begann ein wütender Kampf. Holländisches und anderes Seevolk mischte sich dazwischen. Die Bühne erdröhnte von dem wilden Geschrei und Gestampf.
Die Damen in den Logen waren bis zum Tode erschrocken. Mehrere entflohen, andere lagen ohnmächtig auf den Stühlen. Einige hielten ihre Begleiter zurück und beschworen sie mit Tränen, sich von der Teilnahme an dem Kampf, der ein blutiges Ende zu nehmen drohte, fernzuhalten. Die Mutigeren forderten ihre Kavaliere auf, sich dazwischen zu werfen und dem Tumult ein Ende zu machen.
Baron Eberhard war bereits gerüstet und mit dem Rufe: »Mir nach, ihr Herren!« stürmte er auf das Theater. Seiner Entschlossenheit gelang es, mit Erfolg einzuschreiten. Unter denen, welche ihm am tapfersten beistanden, war einer der Schauspieler, der in dem Stücke einen spanischen Hauptmann spielte und noch im vollen Kostüm war. Der Baron lobte ihn und ermunterte zum fortgesetzten Kampfe.
Das blutige Spiel nahte seinem Ende. Milizen wurden herbeigerufen und begannen aufzuräumen. Da erfaßte den Schauspieler, welcher dem Baron einen mannhaften Beistand leistete, ein glücklicher Gedanke. Er raffte die Fetzen der spanischen Flagge auf, knüpfte sie mit der holländischen zusammen und zog sie, so vereinigt, an einer und derselben Stange auf.
Lauter Beifall belohnte diese entscheidende Tat. Die hochgehenden Wellen hatten sich bereits gelegt, jetzt waren sie vollends beruhigt. Das Haus entleerte sich nach und nach. Die Bühne wurde frei.
Der Baron zögerte bis ans Ende. Als die letzte Spur vertilgt war, brach auch er auf. Er grüßte den Schauspieler, der die Katastrophe beschleunigte, und sagte lächelnd:
»Ihr habt das Handwerksmäßige Eurer Kunst gut inne. Es war ein brillanter Theatercoup.«
»Ich habe den Herren Komödienschreibern ein wenig ins Handwerk gepfuscht,« entgegnete der Schauspieler.
»Schade, daß Ihr nicht Soldat gewesen seid,« fuhr der Baron fort. »Ein entschiedenes Auftreten, wie Ihr es zeigt, ist etwas wert im Kriege.«
»Ich war Soldat, Herr Baron.«
»Und habt den Dienst verlassen?«
»Ich diente in der Armee der holländisch-ostindischen Compagnie. Die Mynheers machten glänzende Versprechungen und ich glaubte denselben, bis ich endlich merkte, daß sie mit mir Komödie spielten. Da warf ich den Degen weg und fing selbst an, Komödie zu spielen.«
»Mit Glück, wie man sieht!« warf der Baron hin.
»Man spielt eine Rolle auf der Bühne, wenn man zu einer Rolle im Leben verdorben ist!« entgegnete der Schauspieler mit einer Verbeugung. Es war etwas in dem Ton seiner Stimme, was den Baron interessierte. Derselbe wandte sich abermals zu dem Schauspieler und sagte:
»Ihr sprecht das Deutsche so rein, wie ich es selten von einem Holländer hörte.«
»Ich habe die Ehre, ein Landsmann des Herrn Baron zu sein.«
»Ihr seid ein Deutscher?«
»Ich bin es, Herr Baron.«
»Aus welchem Teile unseres gemeinsamen Vaterlandes?«
Der Schauspieler zuckte lächelnd die Achseln und sagte leichthin:
»Mein Vater war ein brandenburgischer Küraßreiter und meine Mutter eine lustige Marketenderin. Mein Geburtsort war eine Köhlerhütte; aber auf welchem Territorium sie gestanden hat, ist mir nicht kund geworden. Die deutschen Werber, denen ich in die Hände fiel, fragten nicht danach, und die holländischen noch weniger.«
Er sprach die letzten Worte mit Ingrimm aus. Der Baron betrachtete ihn mit Teilnahme und sagte:
»Wenn Ihr einmal das Komödienspiel satt habt, kommt zu mir. Vielleicht kann ich Euch zu einem bessern Gewerbe behilflich sein. Man muß seinen Landsleuten in der Fremde eine Hand reichen.«
Baron Eberhard ging. Der Schauspieler sah ihm nach und sagte vor sich hin:
»Eine Hand, die aufrichtet, oder eine Hand, die noch tiefer herabdrückt? Braucht der Herr Baron einen Freund oder einen Bedienten? Wir wollen es versuchen.«
Er verließ das Theater. Dort stand noch eine vereinzelte Gruppe, seefahrendes und anderes Volk. Der Schauspieler ging dicht an ihnen vorüber. Sie riefen ihm als Zeichen der Anerkennung ein lautes Hurra und ein deutscher Matrose sagte:
»Ein verwetterter Kerl! Was für ein Gesicht er hat! Man könnte es unter Hunderten heraus erkennen. Mir ist, als hätte ich es schon irgendwo gesehen; kann mich nur nicht recht auf Zeit und Ort besinnen.«
»Das ist aber die Hauptsache, alter Maat!« erhielt er zur Antwort. »Etwas behaupten ist leicht; es beweisen ist schwer.«
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